Alzheimer! Nach solch einer Diagnose stellen sich Familien die Frage: Wie geht es jetzt weiter? Wer pflegt unseren lieben Angehörigen? Susanna Saxl von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft weiß: Die wichtigsten Entscheidungen sollte man schnell fällen
GUT BETREUT Demenzkranke brauchen die Unterstützung lieber Menschen
VERWIRRT Demenz-Kranke verlieren oft die Orientierung und verlaufen oder verfahren sich
VERGESSEN Alte Erinnerungen bleiben länger, während das Kurzzeitgedächtnis verloren geht
Hedwig Baumann (85) wunderte sich anfangs selbst über ihre Schusseligkeit: „Wo ist bloß dieser blöde Schlüssel?!“ Immer wieder vergaß sie Dinge, später Verabredungen, Wege, Namen. Und ihre Tochter Irene (56) bemerkte Stimmungsschwankungen: „Dabei war Mutter sonst so ausgeglichen!“ Als Hedwig Baumann öfter hinfiel, brachte die Tochter ihre Mutter zum Facharzt – der diagnostizierte Alzheimer im Frühstadium. Der Familienrat war sich daraufhin schnell einig: „Wir pflegen Mutter zu Hause!“
TYPISCHE SYMPTOME: Erkennen und Vorsorge treffen
„Ein schönes Beispiel, wie man vorgehen sollte“, sagt Susanna Saxl von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. „Zunächst ist es wichtig, dass man typische Veränderungen anspricht und Betroffene zum Arztbesuch überredet.“ Je früher die schleichend fortschreitende Erkrankung diagnostiziert wird, desto besser sind Hilfe und Pflege noch organisierbar.
„Viele Betroffene leiden zunächst selbst unter der Irritation“, weiß die Expertin. Manche ziehen sich zurück, andere reagieren ungewohnt aggressiv, im Glauben, man verstecke Dinge, um sie zu „ärgern“. Darin zeigt sich: Angehörige und Pflegende müssen oft Geduld und Nachsicht aufbringen.
Und man sollte Vorsorge für Zeiten treffen, in denen die Krankheit fortschreitet. Susanna Saxl: „Gibt es noch keine Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung? Die sollte spätestens jetzt von der betroffenen Person verfasst werden – solange sie rechtlich noch geschäftsfähig ist.“ So könne man noch selbstbestimmte Entscheidungen treffen und Wünsche für die spätere Versorgung festlegen. Regeln lässt sich etwa, wer die erkrankte Person pflegt, wer sich um die Korrespondenz mit Behörden, Krankenkassen oder Banken kümmert. Und da ist die gesamte Familie gefragt, denn keiner kann all diese Mammut-Aufgaben alleine stemmen, ohne selbst bald überfordert zu sein. „Der emotionale und zeitliche Aufwand häuslicher Pflege ist enorm: Deshalb ist es besser, die Last auf mehrere Schultern zu verteilen“, rät die Expertin.
WAS DER PATIENT WILL: Rechtzeitig klären und notieren
Per Betreuungsverfügung kann man auch festlegen, wer gesetzlicher Betreuer sein soll, wenn man selbst rechtsunmündig ist. Ohne diese Vorsorge könnte später das Gericht einen professionellen Rechtsvertreter bestimmen.
Wichtig sei außerdem eine Patientenverfügung, um Richtlinien medizinischer Versorgung zu regeln, betont Susanna Saxl. Es sei sinnvoll, sich dafür an den Hausarzt zu wenden, um genaue Therapien zu besprechen, von der Schmerzbehandlung bis zur Sterbebegleitung: „Frühzeitig sollte die Familie außerdem klären, ob man sich auch professionelle Hilfe ins Haus holt, oder ob eine teilstationäre Versorgung sinnvoll wäre.“ In den meisten Bundesländern wissen Pflegestützpunkte dazu guten Rat, alternativ gibt auch die Pflegekasse Auskunft. Bei diesen Stellen kann man außerdem den behindertengerechten Umbau der eigenen vier Wände ansprechen. So sollten z. B. Stolperfallen entfernt und Barrieren abgebaut werden – wichtig für mehr Sicherheit und längere Selbstständigkeit.
DIE BEDINGUNGEN: Wann gibt’s Unterstützung?
Damit Demenzkranke überhaupt Anspruch auf Geld- und Sachleistungen haben, brauchen sie allerdings einen Pflegegrad. Den erteilt die gesetzliche Pflegeversicherung – nach dem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen, oder bei Privatversicherten der Medicproof GmbH.
Um die Hauptbetreuer zu entlasten, kann man damit ggf. stundenweise einen Pflegedienst buchen. Oder Haushaltshilfen, die sich um Einkauf, Kochen, Putzen & Co kümmern. Und auch bei deren Auswahl helfen die Pflegestützpunkte weiter. „Denkbar sind außerdem teilstationäre Lösungen, etwa in der Tages- oder wochenweise in Kurzzeitpflege.“ Da die gesetzliche Pflegeversicherung nur einen Teil der Gesamtkosten für professionelle Betreuung trägt, muss der Demenzkranke den Rest stemmen.
Ein Platz im Pflegeheim kostet aber bis zu 3.000 Euro Eigenanteil. Hedwig Baumann bleibt das zum Glück noch erspart: Tochter Irene betreut sie liebevoll mit Hilfe eines Pflegedienstes und ihr Sohn Max kümmert sich um den Papierkram. Eine für alle Seiten gute und deutlich günstigere Lösung!
Die besten Info- & Hilfs-Adressen
► Beim „Alzheimer-Telefon“ 030 - 259 37 95 14 gibt es Infos zu Diagnostik u. Therapie, zum Umgang mit Demenzkranken, zur rechtlichen Vorsorge und zu Unterstützungsangeboten (Mo - Do, 9 - 18 Uhr, Fr 9 - 15 Uhr)
► Im Internet findet man außerdem viele gute Broschüren https://shop.deutsche-alzheimer.de/broschueren, wegweiser-demenz.de sowie www.verbraucherzentrale.de, Stichwort: Demenz
► Ratgeber-Bücher: Demenz. Den richtigen Weg finden. Hg.: Stiftung Warentest, 19,90 Euro Britta Blottner: Zuhause wohnen mit Demenz. 19,90 Euro, Blottner-Vlg.
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