... Einkreuzen in der Züchtung verwenden. Es ist schon viel Wissen verloren gegangen.
Obst&Garten: Welches Wissen zum Beispiel?
Dr. Höfer: Zum Beispiel, dass ich auch Wildobst essen kann. Für Außenstehende ist es interessant, die Vielfalt zu sehen. Dass es zum Beispiel so viele Walnusssorten gibt, wissen viele nicht. Beim Apfel und der Birne kauft man im Laden Sorten. Bei Kirsche, Pflaume oder Walnuss kauft man nur Kirsche, Pflaume oder Walnuss und nicht die Sorte. Der Sortenname steht in der Regel nicht dran. Es ist unerklärlich, dass die Sortennamen nicht vermarktet werden. Wenn wir Führungen machen, wollen wir außerdem zeigen, dass es noch etwas anderes gibt als Apfel und Kirsche. Aus diesem Grund haben wir uns zwei Speierlingsexemplare besorgt. Dann können wir zeigen, wie das aussieht. Die Kulturobstarten stehen bei uns zwar im Vordergrund. Nichtsdestotrotz interessiert uns das Wildobst und aus dem Grund haben wir ein Wildobst-Netzwerk gegründet.
Dr. Monika Höfer
Die promovierte Biologin (Pflanzenphysiologie) widmet sich seit 2003 der Arbeit in der Obstgenbank des Julius Kühn-Instituts (JKI-Genbank) in Dresden-Pillnitz. Zudem koordiniert sie seit 2013 auch die Deutsche Genbank Obst (DGO) – ein deutschlandweites Netzwerk von Obstsorten- und Wildartensammlungen. In diesen Funktionen setzt sie sich für den Erhalt traditioneller Obstsorten und wilder Obstarten ein. Dabei geht es ihr nicht nur um unser kulturelles Erbe, sondern auch um die Zukunft des Obstbaus. Züchter können sich am hier zusammengetragenen Genreservoir bedienen, um ihre Sorten an neue Herausforderungen wie den Klimawandel anzupassen.
Obst&Garten: Wonach wählen Sie Obstarten und -sorten für die Genbänke aus?
Dr. Höfer: Wir erfassen vor allem die Diversität. Unsere Priorität liegt auf den in Mitteleuropa heimischen Obstarten. Insofern haben Apfel, Kirsche, Birne und Erdbeere Priorität. Hier wollen wir bevorzugt Sorten haben, die in Deutschland entstanden sind oder eine lange deutsche Tradition haben. Arten wie die Aronia stehen deshalb nicht im Vordergrund unserer Aktivitäten. Aber grundsätzlich sammeln wir auch internationale Sorten, die wichtige Merkmale wie Resistenzen oder Trockentoleranz besitzen.
Obst&Garten: Wie erhalten Sie die Obstsorten?
Dr. Höfer: Wir haben eine Aktivsammlung auf dem Feld stehen. Wer unsere Apfelsortensammlung sieht, würde sagen, das ist doch ’ne Obstplantage! Denn wir veredeln die Reiser auf Unterlagen. Aber im Unterschied zur Obstplantage haben wir in der JKI-Genbank 750 Apfelsorten stehen – von jeder Sorte zwei Bäume. In der Aktivsammlung kann ich unmittelbar ihre Eigenschaften sehen und beschreiben. Ich kann das Material auch direkt für die Obstzüchtung verwenden oder für Materialabgaben. Eine Aktivsammlung ist arbeitsintensiv. Im Feld können immer Krankheiten und Frost auftreten.
Obst&Garten: Wie schützen Sie die Sammlung vor solchen Gefahren?
Dr. Höfer: Wegen dieser Gefahren ist es wichtig, dass die Sammlung an einem anderen Ort gedoppelt ist. Hier kommt die Deutsche Genbank Obst (DGO) ins Spiel: In diesem Netzwerk von Sammlungen wissen wir genau, welche Sorte an welcher Stelle steht. Ich kann eine Duplikatsammlung nochmal an einem anderen Standort im Anbau haben – das ist das Prinzip der DGO – oder eine in-vitro Kultur aufbauen oder das Material in flüssigem Stickstoff lagern.
»Alte Sorten sind unser kulturelles Erbe – genauso wie Baudenkmäler.«
DR. MONIKA HÖFER
Obst&Garten: Warum genügt nicht auch eine Samenbank?
Dr. Höfer: Obstsorten werden vegetativ über Reiser vermehrt. Eine Erhaltung in der Samenbank ist nicht möglich. Wenn ich dagegen im Wald zum Beispiel den Wildapfel erhalten möchte, wird der natürlich, also über Samen vermehrt. Wildobst ist allerdings eine große Gruppe. Zu den wenig züchterisch bearbeiteten Wildobstarten gehören zum Beispiel Sanddorn, Holunder und Nüsse. Auch die müssen vegetativ vermehrt werden, wenn ihre Sorten erhalten werden sollen.
Obst&Garten: Wie machen Sie Wildpflanzen oder Exemplare alter Sorten ausfindig?
Dr. Höfer: Neue Sorten kommen eher zufällig über neue Partner in unsere Sammlung. Wir selbst suchen nicht nach Sorten. Wir sind sehr daran interessiert, dass mit einem neuen Partner auch neue alte Sorten in die Sammlung kommen – besonders regionale Sorten. Deshalb suchen wir auch Partner aus verschiedenen Gegenden in Deutschland. Anders ist das bei der Sammlung von Wildobstarten. Da bauen wir für einzelne Arten Core-Kollektionen auf. Wir waren zum Beispiel im Kaukasus und haben Samen vom dort heimischen Wildapfel Malus orientalis gesammelt. Daraus sind am JKI 1400 Bäume entstanden. Die können wir natürlich nicht alle erhalten. Dafür ist kein Platz. Es ist auch nicht wichtig, alles zu erhalten: Wir versuchen, mit einer geringen Anzahl an Mustern beziehungsweise Genotypen möglichst das ganze Genspektrum der Art abzudecken. Dafür werden die Bäume charakterisiert und nur wenige Exemplare kommen dann in die Dauererhaltung der JKI-Genbank, also in die Core-Kollektion.
Obst&Garten: Wie gut sind Sie in der DGO mit Partnern aus Baden-Württemberg versorgt?
Dr. Höfer: Wir haben schon aus jedem Bundesland Partner dabei, außer aus dem Saarland. Unsere Partner in Baden-Württemberg und Bayern sind das Kompetenzzentrum Obstbau-Bodensee, die Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg, die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, die Versuchsstation für Obstbau Schlachters und die Baumschule Matthias Schott. Aber es ist immer Interesse an neuen Partnern da. Wir haben noch eine ganze Menge Sorten gelistet, für die wir keine Partner haben und nicht wissen, wo die Bäume eventuell noch stehen. Auf unserer Webseite kann man sich über fehlende Sorten informieren. Da steht dann „kein erhaltender Partner“. Wenn jemand Hinweise darauf hat, eine solche fehlende Sorte zu haben, lasse ich mir Blätter schicken. In der Regel verweise ich für die Sortenbestimmung aber auf den Pomologenverein. Dessen Landesgruppen machen viele Veranstaltungen, wo man seine Früchte bestimmen lassen kann.
ZUM THEMA JANUAR 2023
Erhalten im eigenen Garten
Alle sammlungshaltenden Partner der Deutschen Genbank Obst (DGO) – darunter die JKI-Genbank – geben Vermehrungsmaterial nach Verfügbarkeit und in Kleinstmengen auch an Privatpersonen ab, wenn die Sorten auf anderem Wege, z. B. in Baumschulen, nicht mehr zu erhalten sind. Prüfen Sie dazu vor einer Anfrage die Bestandslisten, die Sie auf der Webseite (oder QR-Code mit Smartphone oder Tablet scannen) aufrufen können. Dort finden Sie auch die Bedingungen für Materialabgaben und das Bestellformular.
Die DGO arbeitet nach den Regeln der Standardisierten Materialübertragungs-Vereinbarung (STMA), die die Materialabgabe zum Zwecke der Forschung, Züchtung und Ausbildung für Ernährung und Landwirtschaft regelt. Für Material, das nicht in der STMA aufgeführt ist, wird eine Zusatzvereinbarung geschlossen. Für weitere Verwendungszwecke muss der Empfänger über das Bestellformular eine schriftliche Erklärung abgeben.
Die spezifischen Bedingungen für die Abgabe obstgenetischer Ressourchen unterscheiden sich je nach sammlungshaltendem Partner der DGO. Manche geben das Material kostenfrei ab, andere erheben eine kleine Gebühr, die die anfallenden minimalen Kosten jedoch nicht überschreitet.
Sämtliche Bestände der DGO-Partner unterliegen der amtlichen Pflanzengesundheitskontrolle.
Obst&Garten: Privatpersonen, die bei der DGO Pflanzenmaterial anfordern, müssen eine minimale Bearbeitungsgebühr zahlen. Warum wird das Material nicht kostenfrei abgegeben?
Dr. Höfer: Wir sind eine Bundeseinrichtung und nehmen für das Material an sich kein Geld. Aber wir erheben einen Unkostenbeitrag für den Versand. Die Sorten werden viel im Ehrenamt erhalten. Da geht es nicht anders, als dass die Partner für ihren Aufwand auch minimale Gebühren verlangen können. Wenn etwas nichts kostet, hat es manchmal auch wenig Wert. Selbst wenn ich nur einen geringen Betrag bezahlen muss, überlege ich mir eher, ob ich das wirklich haben will.
DIE GENBANK OBST
Die Deutsche Genbank Obst (DGO) ist ein nationales Netzwerk von Obstsammlungen, das vom Julius Kühn-Institut (JKI) in Dresden-Pillnitz zentral koordiniert wird. Seit der Gründung 2008 arbeiten die dezentral tätigen Netzwerkpartner auf das gemeinsame Ziel hin, die obstgenetischen Ressourcen Deutschlands zu sichern und zu nutzen – unter anderem für Forschung und Züchtung. Heute umfasst die DGO sieben Netzwerke: Apfel, Erdbeere, Kirsche, Pflaume, Birne, Rubus (Him- und Brombeere) und Wildobst. Insgesamt sind elf Obstarten in 72 Sammlungen bei 34 Partnern in ganz Deutschland mit über 2300 Akzessionen vertreten. Das Netzwerk Wildobst besteht aus zwei Teilnetzwerken: Sanddorn und Nüsse. Weitere Netzwerke, z. B. für Quitten, befinden sich im Aufbau. Erst seit 1970 konzentriert sich die Obstzüchtung in Dresden Pillnitz. Hier unterhält das JKI auch eine eigene Obstgenbank, die über die in den Netzwerken vertretenen Arten hinaus weitere Obstarten und -sorten enthält, z. B. Sorbus. „Wir müssen uns beeilen mit unseren Erhaltungsmaßnahmen, damit die Sorten am Ende nicht schon weg sind, mahnte Prof. Dr. Henryk Flachowsky, Leiter des Bundesforschungsinstituts für Kulturpflanzen am JKI, auf der Tagung Deutsche Obstsortenvielfalt in Dresden 2022.