... unheilbaren Krankheiten eine Vielzahl an Therapiemöglichkeiten. Neben Medikamenten lassen sich gerade durch eine angepasste Bewegung, Fütterung und Haltung viele Symptome lindern. Wir haben hier ein paar Möglichkeiten aufgelistet, die bei den häufigsten unheilbaren Krankheiten helfen können.
Dabei gilt: Nicht bei jedem Pferd hilft das, was bei einem anderen geholfen hat. Der wichtigste Ansprechpartner ist der Tierarzt, der für jedes Pferd individuell nach dessen Allgemeinzustand, Krankheitsgeschichte und Grad der Erkrankung geeignete Therapiemöglichkeiten vorschlägt!
Chronisch? Unheilbar?
Krankheiten, die sich nicht mehr heilen lassen, werden oft chronisch genannt, im Sinne von dauerhaft vorhanden. Ganz richtig ist das aus medizinischer Sicht allerdings nicht. „Chronisch bedeutet, dass die Krankheit schon länger andauert, in der Regel schon zwei bis drei Wochen vorliegt. Aber eine chronische Krankheit muss nicht zwingend unheilbar sein“, erklärt Tierärztin Dr. Annette Wyrwoll. Mauke etwa kann chronisch werden, ist aber nicht unheilbar.
1. Arthrose
Der Klassiker unter den unheilbaren Krankheiten ist die Arthrose, eine irreparable Gelenkerkrankung, bei der im Gelenk abbauende Prozesse stattfinden.
Symptome: Je nach Grad der Arthrose keine, leichte oder starke Lahmheit, die sich zum Teil nach dem „Warmlaufen“ der Pferde bessert.
Ursachen: Fehlstellungen und -belastungen, schlechter Hufbeschlag, Nährstoffmangel, altersbedingter Verschleiß, genetisch bedingt Medikamente: Im ersten Schritt wird häufig Cortison direkt ins Gelenk gespritzt, um die Entzündung, die für die Gelenkschädigung verantwortlich ist, zu stoppen.
Zur Unterstützung des Gelenks kann auch Hyaluronsäure gespritzt werden. Diese verbessert die Schmierfähigkeit der Gelenkflüssigkeit und schont somit den Knorpel. Eine spezielle Hyaluroninjektion ist die Doppelkammerspritze mit zwei verschiedenen Hyaluronsäuren: Diese beiden Hyaluronsäuren haben eine unterschiedliche Molekülgröße und sollen dadurch besser wirken. Sie sollen sich wie ein geleeartiger Stoßdämpfer im Gelenk ausbreiten.
Ebenfalls häufig angewandt werden Eigenbluttherapien wie IRAP (Interleukin-Rezep- tor-Antagonist-Protein), PRP (Platelet Rich Plasma) oder ACP (autologes konditioniertes Plasma). Ziel dieser Therapien ist es, dem Gelenk viele förderliche Substanzen zur Verfügung zu stellen und gelenkabbauende Substanzen zu bekämpfen. Auch oft angewandt werden Stammzellentherapien. Hier unterscheidet man zwischen Stammzellen, die vom erkrankten Pferd gewonnen werden, und Stammzellen von gesunden Spenderpferden – letztere sind in dem Medikament „Arti-Cell forte“ enthalten. Die Stammzellen sollen am Knorpel anhaften und dort die Produktion von Knorpelsubstanz unterstützen, zudem sollen sie eine entzündungshemmende Wirkung haben und knorpelschützende Mechanismen aktivieren.
Studien aus dem Ausland zeigen, dass auch Polyacrilamid-Gel Lahmheiten bei einer Arthrose reduziert. Das Gel legt sich wie ein Puffer ins Gelenk und wirkt regulierend auf die dort stattfindenden Prozesse ein.
Manche Kliniken haben bei bestimmten Arthrosen auch gute Erfahrungen mit der extrakorporalen Stoßwellentherapie (ESWT) gemacht.
Als alternative, unterstützende Therapie ist auch eine Blutegeltherapie möglich. Im Speichel der Tiere befinden sich Substanzen, die den Blutfluss fördern und antibiotisch wirken.
Operationen: Bei hochgradiger Arthrose kann eine Versteifung des Gelenks Schmerzen reduzieren.
Fütterung: Viele Pferdebesitzer schwören auf Grünlippmuschelpulver oder auf Futter mit Schwefel oder Hyaluronsäure. Dr. Wyrwoll empfiehlt Präparate mit Glucosaminen und Chondroitinsulfat, die den Gelenkstoffwechsel unterstützen. Wer etwas Pflanzliches sucht, kann auf Teufelskralle, Ingwer und Brennnessel zurückgreifen. Sprechen Sie mit Ihrem Tierarzt, was er Ihrem Pferd empfiehlt und über welchen Zeitraum Sie das Futter verabreichen sollen und dürfen.
Bewegung: Bewegung hilft, den Gelenkknorpel mit Nährstoffen zu versorgen. Sie muss aber an den Schweregrad der Krankheit angepasst werden. Möchte das Pferd nicht vorwärtsgehen, sollte man es nur leicht bewegen. Eine Aufwärmphase im Schritt von etwa 20 Minuten ist wichtig! Prinzipiell ist längeres, sanftes Bewegen besser als ein kurzes, intensives Training. Je nach Stadium der Krankheit sind lange und gerade Linien besser als enge Wendungen. Der Boden sollte eher weich sein.
Haltung: Ruhige, regelmäßige Bewegung ist gut, daher wechseln viele Arthrosepferde in Paddockboxen oder Offenställe.
Beschlag: Zur Entlastung des Gelenks sollte das Eisen möglichst leicht sein (Aluminium-Eisen) und dafür sorgen, dass das Pferd leichter abrollen kann. Hierfür eignen sich z. B. zehenoffene oder Full-Rolling-Eisen, Spatbeschlag mit breiten Außen- und schmalen Innenschenkeln oder Rock-’n’-Roll-Eisen. Sonstiges: Nimmt das Pferd eine Schonhaltung ein, helfen regelmäßige Physiotherapiebehandlungen.
2. Weichteilschwäche
Die Folgen einer Weichteilschwäche: Probleme an den Sehnen, wie etwa am Fesselträger, und Zuchtstuten können ihr Fohlen verlieren.
Symptome: Lahmheit, Schwellung an der betroffenen Stelle, Abort.
Ursache: Veranlagung, Verletzungen.
Medikamente: Ist die Sehne aktuell angerissen, werden zunächst Entzündungshemmer gespritzt. Später können Eigenblutoder Stammzellentherapien zur besseren Heilung anregen. Zu den eingesetzten Eigenbluttherapien zählen auch hier ACP, IRAP oder PRP. Heilungs- und wachstumsfördernde Substanzen werden injiziert, Entzündungen und Schmerzen sollen gelindert werden. Eine Injektion mit Stammzellen soll bewirken, dass sich die Stammzellen in Sehnengewebe umwandeln und sich somit weniger Narbengewebe bildet, welches weniger elastisch und dadurch anfälliger für Risse wäre. Welche dieser Varianten sich am besten eignet, hängt vom individuellen Sehnenproblem ab und davon, mit welcher Methode der behandelnde Tierarzt bisher die besten Erfahrungen gemacht hat.
In einigen Kliniken erzielt man auch sehr gute Erfolge mit speziellen Therapielasern.
Diese Laser hemmen Entzündungen, lindern Schmerzen und regen das Gewebe zur Heilung an.
Ebenfalls anregend können laut Studien therapeutischer Ultraschall und Stoßwellen-
Therapie wirken – letztere hilft einer amerikanischen Studie zufolge vor allem bei geringgradigen Sehnenverletzungen gut.
Handelt es sich um ein chronisches Problem, können Hyaluron-Injektionen helfen.
Die Hyaluronsäure wird fächerartig um die geschädigte Sehne herumgespritzt, um die Sehne zu stabilisieren und die Bildung neuen Gewebes anzuregen.
Operation: Bei alten Sehnenschäden wird in manchen Fällen auch operiert. Dabei wird die Sehne angeritzt und absichtlich geschädigt, sodass ein neuer Heilungsprozess in Gang gesetzt wird. Diesen Prozess unterstützen die Ärzte mit gezielten Injektionen, sodass am Ende statt Narbengewebes eine elastischere und belastbare Sehne entsteht.
Bei Schäden an der oberflächlichen Beugesehne kann eine Durchtrennung des Unterstützungsbandes unter Umständen helfen.
Fütterung: Zusatzfutter mit Chondroitinsulfat und Glucosamin, Vitamin E, Selen sowie Schwefel (MSM, Methionin) können helfen.
Bewegung: Bei einem akuten, neuen Schaden gilt zunächst Ruhe. Ab einem gewissen Zeitpunkt ist die richtige, frühzeitige Belastung jedoch das Wichtigste bei der Heilung.
Sprechen Sie daher unbedingt mit Ihrem Tierarzt über ein optimales Bewegungsprogramm für Ihr Pferd, wenn es gerade wieder ein Sehnenproblem hat.
Wie das Pferd nach einem abgeheilten Sehnenschaden trainiert werden kann und soll, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. „Bekam das Pferd mehrmals nach dem Einsatz im Sport Sehnenprobleme, sollte man sich überlegen, ob es in einer anderen Disziplin oder sogar als Freizeitpferd besser aufgehoben ist“, rät Dr. Annette Wyrwoll. Bei Sehnenproblemen, die mehrmals aufgetreten sind, sollte man auch weitere Umstände des Trainings unter die Lupe nehmen (Boden zu tief etc.).
Beschlag: Bei einem vorhandenen Sehnenschaden helfen orthopädische Beschläge, welche die betroffene Sehne entlasten.
Haltung: Keine zu weichen, tiefen Paddock- oder Weideböden.
Sonstiges: Bei einem „neuen“ Sehnenschaden hilft als Erstmaßnahme Kühlen oder ein Angussverband.
3. Equines Asthma
Wenn die Atemwege des Pferdes dauerhaft verengt und verschleimt sind, leidet es an Asthma (früher auch COB oder RAO genannt). „Je feiner die Diagnostik, desto feiner die Therapie! Wenn möglich sollte man sehr konkret herausfinden, was die Ursache ist, um diese abzustellen“, rät Dr. Annette Wyrwoll.
Symptome: Je nach Pferd und Grad der Erkrankung sind die Anzeichen unterschiedlich stark ausgeprägt: von etwas aus der Puste, husten, Nasenausfluss, erhöhter Atemfrequenz, Dampfrinne bis zu Atemnot. Der Husten klingt bei Asthma eher dumpf und trocken.
Ursache: Meist allergische Reaktion auf Heu-/Strohstaub.
Medikamente: Medikamente mit Clenbuterol sorgen dafür, dass sich verkrampfte Bronchien wieder weiten können. Um den Schleim abzutransportieren, sind zudem Schleimlöser sinnvoll. Entzündungshemmer lassen Schleimhäute abschwellen.
Kortison ist hier das Mittel der Wahl, das entweder inhaliert oder übers Futter verabreicht werden kann. Auch mit Kochsalzlösung wird oft inhaliert, da dieses ebenfalls Schleim löst. Am besten vor dem Reiten inhalieren lassen und dann im Training – wenn es bei Ihrem Pferd möglich ist – ein- mal frisch vorwärts galoppieren. Leidet Ihr Pferd nur im Sommer unter starkem Husten und die gängigen Medikamente schlagen nicht an, kann es an der „Summer Pasture-Associated Obstructive Pulmonary Disease“ leiden – eine Art Heuschnupfen, gegen den meistens Antihistaminika helfen.
Fütterung: Niemals staubiges Heu – entweder bedampft man dieses oder man greift zu Heulage, wenn das Pferd diese verträgt. Falls man Heu einweicht, sollte es direkt nach dem Einweichen verfüttert werden, da sich schnell Keime darin bilden. Kräuter können die medikamentöse Therapie unterstützen: Spitzwegerich, Lungenkraut, Anis, Kümmel und Fenchel wirken schleimlösend.
Bewegung: „In allen Anfangsstadien und bei mittelgradigem Asthma ist Bewegung ein wichtiger Teil der Therapie“, so Dr. Wyrwoll. „Dabei sollte man viel ausreiten und das Pferd im Galopp durchschnaufen lassen, sodass sich die Atemwege öffnen.
Wie sehr man sein Pferd belasten kann, dafür muss man ein Gefühl entwickeln.“ Bei leichtem Asthma kann auch Galopparbeit drin sein, bei schwerem Asthma sollte man nur Schritt reiten.
Haltung: Kein Stroh, sondern Späne in der Box, viel frische Luft, keine Bewegung auf staubigem Hallenboden, Stallgasse vor dem Fegen anfeuchten.
4. Cushing / PPID
Bei Cushing kommt es im Körper zu einer Überproduktion bestimmter Hormone, wie zum Beispiel dem Stressvorlä uferhormon ACTH (adrenocorticotropes Hormon). Dies hat zur Folge, dass der Körper übermäßig viel Cortisol, ein körpereigenes Stresshormon, produziert.Betroffen sind meist ältere Pferde, doch auch junge Tiere können an Cushing leiden.
Symptome: Fellwechselstörung, Hufrehe, Gewichtsverlust, Fettablagerungen über den Augen und teilweise am Mähnenkamm, Leistungsabfall, Teilnahmslosigkeit, ein geschwächtes Immunsystem, viel Durst, vermehrtes Schwitzen, Muskelabbau.
Ursache: Funktionsstörung im Mittelteil der Hirnanhangdrüse (engl. pituitary), daher wird die Krankheit wissenschaftlich PPID (Pituitary Pars Intermedia Dysfunction) genannt.
Medikamente: Das Mittel der Wahl ist hier das Medikament Prascend (Wirkstoff: Pergolid). Die Dosis des Medikaments muss regelmäßig angepasst werden, d. h., der Tierarzt muss das Pferd regelmäßig kontrollieren und den ACTH-Wert messen – zu Beginn ann das alle sechs bis zwölf Wochen sein, ist das Pferd gut eingestellt, genügt in der Regel ein Abstand von sechs Monaten.
Unterstützend zu Prascend eignet sich zudem Mönchspfeffer, der Stressreaktionen lindern soll. Er ist in dem Medikament Corticosal enthalten, das einer Studie zufolge alleine verabreicht eine Linderung bewirkt und in Verbindung mit Prascend noch bessere Ergebnisse erzielt.
Fütterung: Bei Stoffwechselproblemen wie Cushing kommt der richtigen Fütterung eine enorme Bedeutung zu. Je nach Alter, Allgemeinzustand und Krankheitsverlauf muss der Fütterungsplan individuell angepasst werden. Viele Futtermittelhersteller bieten spezielles Futter für Stoffwechselprobleme an. Grundsätzlich sollte getreide- und zuckerarm gefüttert werden. Rohfaserreiches Grundfutter sollte die Basis bilden, die Menge richtet sich nach dem Ernährungszustand:
Dünne Pferde können Heu ad libitum bekommen, bei übergewichtigen Pferden sollte man weniger als 1,5 kg Heu/100 kg Körpermasse füttern. Vitamine und Mineralstoffe sollten ebenfalls bedarfsgerecht gegeben werden, Tiere mit angeschlagenem Immunsystem profitieren von mehr Vitamin C und E. Kann das Pferd noch geritten werden und benötigt mehr Energie, kann eine Getreideration ersetzt werden zum Beispiel durch Pflanzenöle. Je nach Krankheitsverlauf ist auch Weide möglich, wenn das Gras zu dieser Zeit einen niedrigen Fruktangehalt hat.
Bewegung: Die Art und Intensität des Trainings sollte sich nach dem Allgemeinzustand des Pferdes richten. Haltung: Die Haltung muss zum einen die oben genannten Fütterungsaspekte ermöglichen, zum anderen sollte sich das Pferd mit dieser Haltungsform wohlfühlen, denn Stress verstärkt die Krankheit.
Sonstiges: Bei langem Fell schützt regelmäßiges Scheren vor zu starkem Schwitzen und bringt so Erleichterung.
Um den Verlauf der Krankheit im Blick zu haben und zu kontrollieren, gibt es eine spezielle Cushing-App, in die man Ernährungszustand, Medikamenten-Dosis, Verhalten etc. eintragen kann. Die App gibt es unter: www.cushing-hat-viele-gesichter.de