... möglich, die vor ein paar Jahren schlicht nicht umsetzbar waren.
Drahtlose Vernetzung von Geräten und Sensoren
Zwar gab es vor 5G ebenfalls Technologien, um Maschinen, Geräte und Sensoren drahtlos zu vernetzen. Allerdings unterlagen diese einigen Einschränkungen und eigneten sich nur für bestimmte Anwendungsfälle. Ältere WLAN-Standards beispielsweise genügten durchaus für die Anbindung von feststehenden Maschinen für die Produktionsdatenerfassung oder für die Anbindung von Kameras für die Produktionsüberwachung. Da sie jedoch keine unterbrechungsfreie Übergabe eines Clients von einer Funkzelle an eine andere unterstützen, sind sie für bewegliche Systeme wie autonome Roboter oder fahrerlose Fahrzeuge nicht ausreichend.
Aus Sicherheitsgründen hielten Roboter oder Fahrzeuge beim Wechsel der Funkzelle oft an und konnten erst weiterfahren, wenn sie eine Verbindung zum nächsten Access Point aufgebaut hatten. Mobilfunkstandards haben hingegen schon immer einen „Seamless handover“ geboten, da sie von Anfang an darauf ausgelegt waren, dass Verbindungen nicht abreißen, wenn sich Nutzer mit ihrem Mobiltelefon zwischen Funkzellen hin und her bewegen.
Reaktionen in Echtzeit benötigen ultra-niedrige Latenzzeiten
Viele Anwendungsfälle in der Industrie 4.0 haben zum Ziel, den Arbeitsschutz zu verbessern oder längere Produktionsausfälle zu verhindern. Dafür werten KI-Algorithmen zur Bilderkennung beispielsweise die Videodaten von Überwachungskameras aus, um zu erkennen, wenn Mitarbeiter versehentlich den Arbeitsbereich eines Fertigungsroboters betreten oder einem autonomen Transportfahrzeug in die Quere kommen. Um den Roboter oder das Fahrzeug dann so- fort zu stoppen, ist Echtzeit-Konnektivität mit einer Latenz im Bereich von wenigen Millisekunden notwendig. 5G kann dank seiner URLLC-Funktionen (Ultra Reliable Low Latency Communications) auch solche Anforderungen erfüllen.
Neben der präzisen Steuerung von Fahrzeugen und Robotern erfordern auch Anwendungen mit Augmented Reality solche ultra-niedrigen Latenzzeiten unter zehn Millisekunden. Zu diesen zählen etwa Wartungsarbeiten und Reparaturen mithilfe von Datenbrillen, die bestimmte Teile einer Maschine oder Anlage im Sichtfeld des Arbeiters markieren und Handlungsanweisungen einblenden. Auf diese Weise können Unternehmen bestimmte Reparaturen auch mit weniger spezialisierten Kräften selbst durchführen und müssen nicht darauf warten, dass ein Service-Techniker des Herstellers vorbeikommt. Dieser könnte sich bei Bedarf jedoch remote zuschalten, da er dank 5G live genau das sieht, was der Mitarbeiter vor Ort betrachtet.
Idealer Standard für Industrieanwendungen
Dass 5G die Anforderungen von Industrie 4.0 so gut erfüllt, ist kein Zufall, denn der Mobilfunkstandard wurde – anders als die Vorgänger – nicht allein für die Telekommunikationsbranche entwickelt, sondern unter Mitwirkung verschiedener Branchen für die Anforderungen des IoT. Zu den höheren Datenraten, die bislang jede neue Mobilfunkgeneration lieferte und die auch 5G bietet, kommen daher spezifische Eigenschaften wie das bereits erwähnte URLLC für die zuverlässige Echtzeitkommunikation. Diese erlaubt es in Kombination mit den Standards für Time Sensitive Networking (TSN), Produktionsprozesse und die Zusammenarbeit verschiedener Systeme genau aufeinander abzustimmen, sodass beispielsweise mehrere Roboter gemeinsam aus Teilen und Baugruppen ein Produkt montieren können.
Mit Massive Machine Type Communications (mMTC) schafft 5G zudem die Basis für die Vernetzung von bis zu einer Million Geräte pro Quadratkilometer. Dadurch lassen sich die unzähligen Sensoren, die in einer Fertigungshalle über Temperaturen, Luftfeuchtigkeit, Druck und andere Maschinen- und Produktionsparameter wachen, anbinden und in Echtzeit auswerten. Weichen beispielsweise Produktionsparameter von den Vorgaben ab, können Industriebetriebe diese schnell korrigieren und so eine gleichbleibend hohe Produktqualität garantieren beziehungsweise fehlerhafte Chargen vermeiden. Deuten ungewöhnliche Vibrationen oder Geräusche auf den baldigen Ausfall einer Maschine hin, können sie diese stoppen und reparieren, bevor durch einen Defekt größere Schäden und längere Ausfallzeiten entstehen.
Darüber hinaus bietet 5G eine genauere Lokalisierung als bisherige Mobilfunkstandards, die lediglich gesetzliche Anforderungen – etwa zur Lokalisierung von Notrufen – erfüllen mussten. Dafür reichte eine Genauigkeit von mehreren Metern aus. Für eine präzise Positionsbestimmung von mobilen Robotern, fahrerlosen Transportsystemen und Drohnen oder Bauteilen entlang von Lager-, Logistik- und Produktionsprozessen wird jedoch eine genaue Lokalisierung auf wenige Dezimeter benötigt.
Eine Investition in die Zukunft
Noch schöpft 5G diese Möglichkeiten nicht voll aus, da der Standard fortlaufend weiterentwickelt wird und diese Weiterentwicklungen erst in künftigen Releases umgesetzt werden. Dennoch können Industrieunternehmen durch Investitionen in diese Schlüsseltechnologie bereits die Weichen für eine moderne digitale Produktion stellen – vorausgesetzt sie erarbeiten tragfähige Use Cases.
Im einfachsten Fall kann das schon die Vernetzung von Freiflächen oder Indoor-Arealen wie Lager- und Produktionshallen sein. Diese ist mit 5G günstiger als mit WLAN, weil deutlich weniger Basisstationen als Access-Points benötigt werden, und auch weniger störanfällig, da privates 5G anders als WLAN in lizensierten und reservierten Frequenzbereichen funkt. In vielen Szenarien spielt der neue Mobilfunkstandard seine Stärken aber erst im Zusammenspiel mit anderen Technologien wie KI oder Robotics aus.
Privates Campus-Netz aufbauen
Unabhängig davon, wie die Anwendungsfälle aussehen, lassen sie sich meist besser mit einem privaten 5G-Netz umsetzen. Das öffentliche 5G-Netz bietet zwar hohe Bandbreiten und geringe Latenz, allerdings vermögen Unternehmen eigene Anforderungen an die Servicequalität, das Routing von Daten und die Sicherheit mit einem privaten Campus-Netz besser zu erfüllen. Entsprechend groß ist das Interesse: Mehr als die Hälfte der Unternehmen plant laut einer Umfrage von NTT Ltd. vom Dezember 2021, in den nächsten sechs bis 24 Monaten ein privates 5G-Netz aufzubauen – und 30
Prozent sind bereits dabei. Am weitesten fortgeschritten sind die Bestrebungen in Deutschland, dem Mutterland von Industrie 4.0, wo derzeit schon 40 Prozent der Unternehmen Campus-Netzwerke mit 5G aufbauen.
SG
MARCUS GIEHRL ist Practice Director Innovations and Smart Technologies bei NTT Ltd. www.digital-manufacturing-magazin.de