Mercedes- AMG SL
55 4Matic / 63 4Matic 476/585 PS
Neuer SL mit knackigen Proportionen. Die vergitterte Schürze unterm großen Grill erinnert an den AMG GT 63 SE Performance
Der SL Typ W 198 ging 1954 aus dem 300 SL hervor, der zwei Jahre zuvor die Panamericana gewann; 1957 kam der Roadster
JE OLLER, JE DOLLER. Schon seit Jahrzehnten sorgt die älteste Mercedes-Baureihe, der SL, oben ohne für Föhnfrisuren. Doch die achte Generation gibt jetzt richtig Vollgas, wurde von Anfang an bei AMG in Affalterbach entwickelt und präsentiert sich sportlicher denn je. Das haben wir auf dem Beifahrersitz eines Prototypen bereits erfahren, jetzt dürfen wir den Frisur-Zerzauser zum ersten Mal unverhüllt zeigen.
Kein einziges Bauteil übernimmt der Roadster R 232 vom Vorgänger R 231. Zum Marktstart Anfang 2022 kommt der 2 2- Sitzer mit klassischem Stoffdach als V8 in zwei Leistungsstufen. Der SL 55 bringt es auf 476 PS/700 Nm, der SL 63 auf 585 PS/800 Nm. Der stärkere AMG schafft den Standard-Sprint in 3,6 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit ist bei 315 km/h erreicht, aktive Motorlager sind Serie (Option im 55er). Die Kraftübertragung geschieht serienmäßig via Neungang- Speedshift-Automatik. Beide V8 sind, ein Novum beim SL, ausschließlich mit Allrad zu haben. Auf den ersten Blick erscheint nur die lange Motorhaube vertraut, der Rest wirkt deutlich dynamischer. Län- sen den AMG SL optisch kompakter erscheinen – gerer Radstand und kürzere Überhänge las- obwohl er mit 4,70 Metern sieben Zentimeter Panamericana-Grill. In den Radhäusern wohnen Felgen in sechs Designs zwischen 19 und 21 länger geworden ist. Die Front besticht durch schmale Scheinwerfer und den AMG-typischen Zoll. Am Heck fallen S-Klasseähnliche Leuchten, ein elektrisch ausfahrbarer Spoiler und vier eckige Endrohre auf. Das größte Novum ist neben den ausfahrbaren Türgriffen die Rückkehr zum Stoffverdeck, das sich in 15 Sekunden bis 50 km/h öffnen und schließen lässt. Es sorgt für einen sportlicheren Look und spart im Vergleich zum Metallklappdach 21 Kilogramm Gewicht ein. Trotzdem ist der R 232 mit knapp zwei Tonnen Leergewicht schwerer als bisher. Und das, obwohl er auf einer Aluminiumstruktur basiert, die auch der nächste AMG GT nutzen wird. Im SL 63 kommt zudem ein Aktivfahrwerk mit Wankstabilisierung zum Einsatz. Beim SL 55 sind herkömmliche Schraubenfedern verbaut, kombiniert mit verstellbaren Dämpfern. Hier ebenfalls optional ist das beim SL 63 serienmäßige Sperrdifferenzial an der Hinterachse. Stets serienmäßig mit an Bord ist die aktive Hinterachslenkung, die neben einem verkleinerten Wendekreis das Fahrverhalten in Kurven stabilisiert.
! Der SL aus dem Hause AMG lässt schon im Stand erahnen, was in ihm steckt
„Die erste Sitzprobe macht Lust auf mehr. Wenn der AMG SL so gut fährt, wie er sich anfühlt, wird der Sommer ein Hit.“
Moritz Doka, Redakteur
Erstmals seit dem R 129 (1989– 2001) gibt es im SL auch wieder Fondsitze. Die sind allerdings nur bis zu einer Körpergröße von 1,50 Meter freigegeben, was sie hauptsächlich für Kinder tauglich macht und den neuen SL als 2 2- Sitzer prägt. Ein Praxiszugewinn sind sie aber auch als erweiterte Gepäckablage, falls die maximal 240 Liter Kofferraumvolumen einmal nicht ausreichen.
Das Interieur des Roadsters tendiert auf allen Plätzen Richtung Luxus. Bequeme Sitze mit Belüftung und Nackenföhn, Burmeister-Soundsystem und viel ziernahtveredeltes Leder machen das Leben angenehm. Wer sich in der Aufpreisliste austobt, kann aber auch den Sporttrumpf ziehen.
Performance-Schalensitze, Carbon-Intarsien, Alcantara-Bezüge, rote Gurte und mehr bürsten den SL dann auf Dynamik. AMG-spezifische Anzeigen, Track Pace zur Fahrzeuganalyse und sechs Fahrmodi sind in jedem Fall an Bord.
Um die Einstellungen immer im Blick zu behalten, bekommt der SL große Displays für Kombiinstrument und Infotainment. Anders als bei Mercedes C-Klasse oder S-Klasse steht das 12,3 Zoll große Kombiinstrument aber nicht frei hinterm Lenkrad, sondern verschwindet unter einer Abdeckung. Das soll vor Sonnenlicht von oben schützen, wenn offen gefahren wird. Aus diesem Grund lässt sich auch der 11,9 Zoll große Touchscreen in der Mittelkonsole elektrisch um 30 Grad in der Neigung verstellen.
Nach den beiden V8 dürften weitere Antriebe folgen, Zwölfund Sechszylinder gelten aber als ausgeschlossen. Stattdessen dürften nach unten hin Vierzylinder die Palette abrunden.
Für weiter oben im Regal gibt es Gerüchte um ein über 800 PS starkes Topmodell mit dem Plug-in-Hybrid aus dem GT 63 SE Performance.
Pünktlich zur Cabriosaison dürfte der SL dann vorfahren, zu Preisen um 140 000 Euro. Bei einem möglichen Vierzylinder könnte der Einstiegspreis dann auf etwa 100 000 Euro sinken. Da wird sich manch einer die verwuschelten Haare raufen.
FAZIT
MORITZ DOKA
Nach dem blassen Vorgänger macht Mercedes beim neuen SL Ernst. Vollständig neu entwickelt bei AMG und schon im Stand um Welten sportlicher. Toll, dass der Name wiederbelebt statt begraben wurde! Hier passen Luxus und Leistung perfekt zusammen.