... geförderten Verbundprojekt erforschten die beteiligten Institutionen Alternativen zum Torf in verschiedenen Sparten des Gartenbaus, unter anderem im Bereich Baumschule. Das tat die Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau (LVG) in Bad Zwischenahn.
Die Ergebnisse torfreduzierter und torffreier Gehölzanzucht in der Baumschule stellte Mario Reil von der LVG Bad Zwischenahn vor. Mit Holzfasern und Kokosmark habe man für diese Fachsparte gut geeignete Torfalternativen. Aufgrund abweichender Substrat- eigenschaften müsse die Nährstoffversorgung hinsichtlich Stickstoffimmobilisierung und Auswaschung beachtet werden, um Minderwuchs zu verhindern. Dann sei die Kultur in torfreduzierten und -freien Substraten möglich. Teilweise verbessere sich die Qualität der Pflanzen gegenüber Torfsubstraten – und auch in der Haltbarkeit ließen sich keine wesentlichen Unterscheide feststellen.
Das „eine“ torffreie Substrat gibt es nicht
Eines zeigten die Anbauversuche an unterschiedlichen Forschungseinrichtungen ebenso wie in Praxisbetrieben sehr deutlich: Eine torffreie Kultur funktioniert zwar in vielen Fällen – allerdings mit Einschränkungen, wie die Projektbeteiligten in Ahlem anhand ihrer Versuchsergebnisse zeigten.
Die torffreie, selbst auch schon die torfreduzierte Kultur stellt dabei durchaus anspruchsvolle Anforderungen an die Kultivateure. Zum einen kann es das eine, funktionierende torffreie Substrat niemals geben. Zum anderen reagiert kaum eine Kultur oder Sorte gleich auf torffreies Substrat – damit wirdsich die Produktion künftig sehr individuell anpassen müssen.
Das torffreie „TeiGa“-Substrat wurde bereits in einigen Produktionsbetrieben getestet.
Aber, das haben die einzelnen TeiGa-Projekte ganz klar gezeigt: Der Gartenbau sei mit „TeiGa“ einen großen Schritt in Richtung torffreie Produktion vorangekommen, wie es Projektkoordinatorin Dr. Gerlinde Michaelis von der LVG Bad Zwischenahn zusammenfasste – es gehe in die richtige Richtung, um irgendwann wirklich torffrei produzieren zu können.
Mangel und Handel: Der Druck nimmt zu
Darum wird die Branche auch nicht herum kommen: Zum einen sind, auch wenn Substrathersteller Torf mittlerweile zu immer größeren Teilen im Baltikum und anderen Gebieten gewinnen, auch diese Quellen begrenzt. Dabei spielt nicht nur der dortige verfügbare Torfvorrat eine Rolle, sondern auch die durchaus mögliche gesetzliche Unsicherheit: „Wir können nicht wissen, ob das eine oder andere Land im Baltikum nicht auch irgendwann seine umweltpolitische Meinung ändert und Gebiete begrenzt“, sagte Dr. Stefanie Grade, Forschungsleiterin von Klasmann-Deilmann, in Ahlem.
Großen Druck könnten auch die Ansprüche und Regulatorien des Handels ausüben. Wenn nämlich Pflanzenabnehmer Vorreitern wie Toom (siehe dazu Seite 41) nacheifern und immer mehr Pflanzenlieferungen „ohne Torf “ fordern, dann muss die gartenbauliche Produktion gewappnet sein. Ein Umstellen auf torffreie Produktion ad hoc, ein „kalter Ausstieg“ aus Torf, ist für den Gartenbau aber keinesfalls möglich – das dürfte bei der Veranstaltung in Ahlem auch dem Handel glasklar geworden sein.
Niedersachsen will 25 Prozent Torfreduzierung
Wie wichtig der Politik der Ersatz von Torf in der Pflanzenproduktion ist, verdeutlichte Prof. Dr. Ludwig Theuvsen, seit Mitte 2018 Leiter der Abteilung für Landwirtschaft, Agrarpolitik und Nachhaltigkeit des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums: „Torfersatz hat einen so hohen politischen Stellenwert, dass er sogar im Koalitionsvertrag der regierenden Parteien verankert ist“, sagte Theuvsen.
Ziel der niedersächsischen Landesregierung sei es, für den niedersächsischen Produktionsgartenbau unter Berücksichtigung der kulturbezogenen Anforderungen eine Minimierung des Torfeinsatzes um 25 Prozent bis zum Jahr 2020 zu erreichen. Dieses Ziel soll im Rahmen einer Selbstverpflichtung und in enger Kooperation mit den betroffenen Akteuren erreicht und durch geeignete Maßnahmen begleitet werden.
TeiGa mündet auch in einer Datenbank
Ziel desTeiGa-Projekts war es deshalb, aufbauend auf den Ergebnissen einer Vorstudie, weiterführende Untersuchungen mit verschiedenen Torfersatzstoffen in Gemüse- und Zierpflanzen sowie Baum- schulgehölzen durchzuführen, Potenziale und Grenzen der eingesetzten Materialien zu ermitteln und weitere Fragen zur Haltbarkeit sowie zu Kulturmaßnahmen und Ansprüchen insbesondere empfindlicher Kulturen zu klären.
„Die gesamte Branche steht durch die Torfreduzierung vor einem großen Umbruch.“
Dr.Stefanie Grade, Klasmann
Fotos: Katrin Klawitter
„Teilweise verbessert sich die Qualität der Pflanzen in torfreduzierten Substraten.“
Mario Reil, LVG Bad Zwischenahn
Eine Praxisphase in gärtnerischen Betrieben soll der Evaluierung dienen. Darüber hinaus soll der Ausbau der Internetdatenbank und die Datenrecherche und -sammlung fortgeführt werden. Mehr unterhttps://bit.ly/2V4grME und unterhttps://bit.ly/2VY19NL .
Viele begrenzende Faktoren
Ein großes Problem des Torfersatzes sind laut Michael Emmel von der LVG Ahlem die hohen Anforderungen an Torfersatzstoffe. Chemische und physikalische Eigenschaften begrenzen die Einsetzbarkeit genauso wie das Handling und – wichtig – die Beschaffungskosten, die Arbeitsbedingungen bei der Beschaffung und die Energiekosten dafür.
So ist beispielsweise Perlite ein recht gut beschaffbarer mineralischer Zusatzstoff, gefertigt aus vulkanischem Gestein, hat aber für einen kompletten Torfersatz zu geringe Pufferkapazitäten und ist nicht gerade kostengünstig. Kompost, bereits einer der wichtigsten Torfersatzstoffe, hat dagegen den Nachteil, dass er die hohen Anforderungen der Substratindustrie aufgrund der unterschiedlichen Ausgangsstoffe nicht erfüllen kann, wie ein Komposthersteller in Ahlem erläuterte.
Ersatzstoffe: Konkurrenz mit anderen Branchen
An energetischen Betrachtungen und Vergleichen der Beschaffung von Torfersatzstoffen arbeitet nach Emmels Informationen derzeit das Thünen Institut. Schwierigkeiten werde auch immer bereiten, dass Torfersatzstoffe bis auf wenige Ausnahmen „nur“ Nebenprodukte anderer Herstellungsprozesse sind und der Gartenbau zudem mit anderen Branchen als Abnehmer konkurriert, so Emmel.
Das mache das Beispiel der Holzfasern jetzt schon deutlich, die derzeit eigentlich das einzige mit Torf konkurrenzfähige Ersatzprodukt sind. Auch die Paludikultur, also die Torfmooskultur auf feucht-moorigen Flächen, hat nach Einschätzung in Ahlem anwesender Experten enge Grenzen: Man bräuchte riesige Flächen („ganz Niedersachsen unter Wasser setzen“), um allein den niedersächsischen Bedarf als Torfersatz zu decken.
Für eine Betrachtung der Eignung von Torfersatzstoffen sollten übrigens nicht nur die Produktionskriterien, sondern auch nachgelagerte Prozesse wie das Handling im Verkauf und beim Kunden untersucht werden. „Wenn ich eine Pflanze im Verkauf viermal täglich gießen muss, dann ist der Einsatz dieses Ersatzstoffs nicht praktikabel“, lautete es in der Ahlemer Diskussion.
Klasmanns Ziel: 30 Prozent Torfersatz im Jahr 2030
Dr. Stefanie Grade von Klasmann-Deilmann gab einen Ausblick auf die Zukunft der Torfreduzierung aus Sicht eines Substratherstellers. Für ein Traditionsunternehmen der Torfindustrie stelle der Verzicht auf diesen Rohstoff einen Umbruch dar – zumal der gesamte Gartenbau vor großen Umbrüchen stehe.
Klasmann-Deilmann hat sich in der Torfreduktion aber klare Ziele gesetzt: Im Jahr 2030 möchte das Unternehmen bei 30 Prozent Torfersatz angelangt sein. Derzeit, so sagte Grade, liege man bei rund 15 Prozent – dieses Ziel zu erreichen, gehe recht locker von der Hand. Mehr noch in Blumenerden als in Kultursubstraten sei schon ein hoher Anteil Torfersatzstoffe vorhanden. Aber das 30-Prozent-Ziel zu erreichen bereite einiges Kopfzerbrechen. Größtes Problem sei, ausreichend Torfersatzstoffe zu produzieren: Holz ist ein von vielen Branchen heiß umkämpfter Rohstoff. Die Kompostproduktion ließe sich zwar weiter ausweiten – aber die Qualitäten seien aufgrund der unterschiedlichen Herkünfte ein großes Problem.
Kokos sei ein guter Ersatzstoff – „Aber was verursachen wir mit der Produktion in den Herkunftsländern?“, stellte Stefanie Grade in Frage. Rinde sei schwer zu vernünftigen Preisen zu produzieren, und bei anderen Ersatzstoffen wie Reisspelzen oder Torfmoos scheitere man an den verfügbaren Volumina.
Nachwachsende Moore: Keine Abbau-Ressourcen
Wider Erwarten bringt laut Grade auch die Regenerierung von Torfen keine neuen Abbauflächen. „Nachwachsende Moore sind keine Ressourcen – sie stehen nicht wieder für den Abbau zur Verfügung“, so die Forschungsleiterin.
„Mit den vorhandenen Torfersatzstoffen haben wir also schon Baustellen genug – zu viel, um sich derzeit noch mit ganz neuen Ersatzstoffen wie beispielsweise dem Rohrkolben zu beschäftigen. Das bringt uns in naher Zukunft nicht voran“, so Grade.
Und die Zukunft? Sehr viel offene Fragen!
Für die Zukunft seien Fragen zu klären wie:
● In welcher Art von Systemen wird der Gartenbau in Zukunft produzieren?
● Wird es beispielsweise mehr Vertikal Farming oder Anbaukreisläufe wie in der Raumfahrt geben?
● Werden dabei organische Substrate noch eine Rolle spielen?
● Welche Pflanzen werden in Zukunft produziert? Untersuchungen gibt es laut Grade derzeit beispielsweise mit Vanillepflanzen, Mango oder substratfreier Algenproduktion.
● Welche Ressourcen werden für den Gartenbau knapp?
● Welchen Einfluss hat der Klimawandel auf den Gartenbau?
● Und was heißt das für Substratproduzenten?
Torfreduzierung: Möglich und gewollt
„Für uns alle sind Impulse aus der Forschung wichtig. Torfreduzierung? Ja, aber wir müssen gemeinsam an offenen Forschungsfragen arbeiten. Dann wird das Ziel für 2030 gelingen“, so Grade. Torfreduzierung sei möglich und gewollt, offene Fragen müssten gemeinsam in der Branche angegangen werden.