... das Jahr Irgendwann-Tausend vor unserer Zeit. Eine kleine Gruppe von Menschen, die uns gar nicht mal unähnlich sehen, hat sich ums Lagerfeuer versammelt. Es bietet Schutz gegen die Nacht und gegen den Winter, der bald kommen wird.
Vor allem aber sorgt es dafür, dass warmes Essen in hungrige Mäuler kommt. Dass man Fleisch ins Feuer hält, damit es sich leichter essen lässt (und besser schmeckt), wissen diese Herrschaften nämlich schon seit langer Zeit. Aber heute sollen sie Zeuge einer bahnbrechenden Erfindung werden.
Die Spannung ist groß, als Stammesmitglied Rösti einen langen, flachen Stein auf das Glutbett legt. Darauf platziert er sorgsam, fast schon liebevoll ein mühsam abgeschnittenes Stück von der Mammutkeule, die den Stamm für die nächsten Tage ernähren soll. Fleisch auf Stein, so weit, so gut.
Nachdenkliches Nicken in der Runde. War’s das schon, oder kommt da noch was? Nach einigen Augenblicken nimmt Rösti einen Speer zur Hand, führt ihn unter das Fleisch – und dreht es auf die noch rohe Seite. Unter vielen „Ooohs“ und „Aaahs“ nimmt auch sie einen verführerischen Braunton an, und als Rösti das Fleisch kurze Zeit später von der Steinplatte holt, ist es von beiden Seiten perfekt gegart. Nicht lange, und schon liegen die nächsten Stücke auf dem neuen Wunderding.
Rösti lehnt sich zufrieden zurück. Die Wahl zum Stammesmitglied des Monats, nein, des Jahres ist ihm mit dieser Erfindung so gut wie sicher.
RÖMISCHE KÜCHE: NUR ECHT MIT GRILL
Ein römisches Feldlager in der gallischen Provinz, im Jahr 50 vor Christus. Marcus Spiritus hockt mit anderen Soldaten unter einer Zeltplane, die sie gegen den Regen aufgespannt haben. Nach einem Tag wie diesem schmerzen die Knochen fast so sehr wie das Heimweh. Nicht etwa vom Kämpfen – das kommt erst noch. Marcus’ Feinde waren heute die Palisadenzäune des Lagers, die sich einfach nicht im Matsch aufstellen lassen wollten. Dagegen dürften die Schlachten der nächsten Tage fast schon entspannend sein.
Falls der Gegner sich nicht schon vorher ergibt. Was soll ein kleines, gallisches Dorf schon gegen das mächtige Rom ausrichten?
Trotz der Eselsarbeit ist von schlechter Stimmung unter den Legionären nichts zu spüren. Nach ein paar Minuten am Lagerfeuer sind die blauen Flecken und der kalte Schlamm schnell vergessen, und die Vorfreude aufs Essen tut ihr Übriges. Über dem Feuer steht ein Gestell aus Eisen, das „Craticula“, auf dem ein Rehrücken vor sich hinschmort.
Dazu gibt es für jeden eine große Schüssel Linseneintopf und frisches Brot mit Olivenöl. Wenn der Decurio jetzt noch eine Runde Wein für alle spendieren würde, wär’s fast wie zu Hause …
Das Craticula, übersetzt „Flechtwerk“, ist quasi der antike Vorfahre des heutigen Grillrosts. Im ganzen römischen Reich waren diese Metallgestelle verbreitet. Man platzierte sie einfach über einem Feuer, sei es draußen oder im Haus, und bereitete darauf seine Mahlzeiten zu. Meist hatten die Gitter auch eigene Aussparungen, um Kochtöpfe darauf zu stellen. Von dem Begriff „craticula“ leitet sich übrigens auch das heutige Wort „grillen“ ab. Aber das nur als Bildungsballast für alle, die einen Eisbrecher fürs nächste altrömische Barbeque suchen.
WAS METALLBOJEN MIT BBQ-GRILLS ZU TUN HABEN
Es scheint, als hätte die Menschheit das Grillen schon früh zur Perfektion gebracht. „Fleisch über Feuer“ – daran hat sich lange Zeit nichts geändert. Von der Steinzeit über die Antike bis in die Moderne blieb das Prinzip gleich. Selbst heutige Varianten, bei denen Holzkohle, Gas oder Strom zum Einsatz kommen, unterscheiden sich in ihrer Funktion wenig von Röstis heißem Stein oder dem Eisengestell der Römer. Und warum auch nicht?
So einfach das Grillen in der Theorie klingt, so schwierig kann es in der Praxis werden. Diese Erfahrung musste der Amerikaner George Stephen in den 1950er Jahren machen. Er hatte sich einen offenen Steingrill im Garten gebaut, wie sie damals in den USA beliebt waren. Als er jedoch seine Freunde und Nachbarn zum Grillabend einlud, hatte er nicht mit dem Wetter gerechnet.
Ein Windstoß schlug in die Feuerstelle – und der Abend ging in Flammen auf. Für jeden Grillfreund ein absolutes Desaster …
Nach mehreren dieser Abende kam Stephen jedoch eine Idee. Er arbeitete in der Firma seines Vaters, die unter anderem Bojen aus Metall herstellte. Mit Standbeinen, einigen Löchern für die Luftzufuhr und natürlich einem Rost fertigte er daraus eine Waffe, die jedem Wetter gewachsen war: den Kugelgrill, der sich zu einem weltweiten Erfolgsmodell entwickeln sollte.
Doch er schützte wertvolles Grillgut nicht nur vor Wind und Regen, sondern bot auch einen weiteren Vorteil. Während bei offenen Grills die Hitze entweicht, konnte der Kugelgrill sie länger halten. Das Fleisch ließ sich also nicht länger nur von unten, sondern von allen Seiten gleichzeitig garen.
KERAMIK: DAS URALTE WUNDERMATERIAL
Diesem Prinzip folgt auch der Keramikgrill, der seit den 1970er Jahren seinen Siegeszug begann und auch in Deutschland immer beliebter wird. Allerdings orientiert er sich an uralten Backöfen – Keramik ist als Material ja alles andere als neu. Schon vor über 5.000 Jahren nutzen Menschen den „Tandur“, um Brot zu backen und Fleisch zu grillen. (Daher auch der Name „Tanduri-Hähnchen“, wegen der Zubereitung – wieder ein bisschen Bildungsballast.) Später fügte man einen Deckel hinzu, und in dieser Form wird der Keramikgrill heutzutage von mehreren Firmen vertrieben. Durch mehrere Schichten von Keramik lässt sich die Hitze noch länger im Grill halten als im Kugelgrill, sodass Fleisch, Fisch und Gemüse garantiert gleichmäßig darin garen. Er bietet sozusagen eine komplette Kochstelle in einem Gerät!
Zwischen dem „heißen Stein“ im Lagerfeuer und heutigen Grills liegen mehrere Jahrtausende. Wir haben unsere Techniken verfeinert, das Werkzeug perfektioniert. Aber im Grunde sind wir doch immer noch wie der alte Rösti – und einfach nur stolz, wenn unsere Gäste einen guten Grillabend genießen.