... Hauptausstellungsraum, schlenderten an der langen, in einem unaufdringlichen Grün gehaltenen Wand mit den fünf Werken der „Neueren Meister“ entlang und suchten sich dann einen Standort, von dem aus sie selbst den Blick auf die Bilder für die Besucher nicht verstellten, zugleich aber doch Bilder und Besucher unauffällig im Blick haben konnten.
Sie fanden diesen Platz an der Wand gegenüber, direkt neben dem mittleren Fenster, und waren minutenlang scheinbar in die intensive Betrachtung der Darstellungen vertieft. An der grünen Wand wurden in respektvollem Abstand zueinander fünf Werke von fünf Künstlerinnen in fünf verschiedenen Größen präsentiert – ein kleines, ein großes, ein sehr groder Gemälde erkannten die beiden Kommissare eine weiße Fläche, jeweils exakt so groß wie das Gemälde mit Rahmen selbst. Welche Funktion diese Flächen hatten, wussten sie aber nicht.
Die Besucherinnen und Besucher kamen herein und gingen nach einer gewissen Zeit wieder hinaus, niemand näherte sich einem Kunstwerk auffällig, äußerte seinen Unmut oder seine Anerkennung oder blieb verdächtig lange davor stehen. Nur das übliche Gemurmel war zu hören, das entsteht, wenn sich mehrere Personen gleichzeitig und unabhängig voneinander unterhalten.
Es passierte nichts. Was Haller zu der Bemerkung ßes, ein sehr kleines und ein veranlasste: „Was soll hier mittleres in der Größe zwischen dem kleinen und dem Kein Mensch wird einen und heute schon passieren? großen. Die Künstlerinnen, Schneeball, eine Axt oder die auf kleinen Schildchen einen Plastikbaustein auf ein unter den Rahmen genannt Bild werfen, wenn andere wurden, hießen in dieser Menschen anwesend sind.“ Reihenfolge Stelljes, Egger, Als diese anderen Menschen Klimek, Belack und Kolbitz. nach Schließung der Galerie Hinter jedem nicht mehr anwesend und sie allein mit sich und den Meisterwerken waren, wurde es interessant. Oder unschön. Wie der bis dahin ahnungslose Hauptkommissar mit seiner flüchtigen Bemerkung unbewusst schon geahnt hatte.
Er wachte auf, als er wieder ein „Torsten?“ vernahm.
Barth entschuldigte sich in den Sanitärbereich, um sich ein wenig zu erfrischen, und kurz darauf hörte Haller ihn „Torsten?“ rufen. Natürlich folgte er diesem Ruf, aber das hätte er besser nicht tun sollen. Denn als er in den schmalen Zwischenraum zwischen den zwei Ausstellungsräumen trat, wartete dort nicht Barth mit einer neuen Idee zur Lösung eines Falles, sondern ein dunkel gekleideter, maskierter und leider durchtrainierter Unbekannter. Oder, der schlanken Körperform nach, eher eine Unbekannte. Haller sah die schwarze Stange kommen, aber er hätte es besser gefunden, wenn es eine Überraschung gewesen wäre, die ihn vom beleuchteten in den dunklen Abend beförderte … Er wachte auf, als er wieder ein „Torsten?“ vernahm. Diesmal allerdings kein lockendes, sondern ein besorgtes. Barth kniete neben ihm auf dem Boden und überlegte gerade ernsthaft, ob er Haller per Mund-zu-Mund-Beatmung reanimieren, einen Rettungswagen rufen oder einfach zur Tagesordnung übergehen sollte. Haller winkte ab, erhob sich stöhnend und schlurfte nach nebenan.
Eines der Bilder war verschwunden. „Und die anderen, die noch da sind, die sind nicht mehr da, wo sie vorhin noch waren, die sind woanders!“, stellte Barth nach einem Blick auf die grüne Wand fest. Die Unbekannte hatte die Zeit genutzt, in der Barth abwesend und Haller gewissermaßen nicht anwesend war, eines der Bilder entwendet und die zurückgelassenen umgehängt, um die Tat zu kaschieren. Aber die weißen Flächen hinter den Gemälden waren nun bei allen deutlich größer als die Gemälde selbst. Haller atmete tief ein. „Also hatte unser Informant recht: Eine Künstlerin hat ihr eigenes Kunstwerk gestohlen! Um zum einen die Schadenssumme von der Versicherung zu kassieren und zum anderen das Bild auch noch an einen Sammler zu verkaufen. Doppeltes Honorar für sie also …!“
Können Sie Haller helfen? Wissen Sie, wer die Täterin war?
ENDE
Die Auflösung finden Sie auf S. 50