Ein Freund gab mir den Geheimtipp: „Du musst nach Ebensee fahren.”St. Wolfgang, Bad Ischl, Gilgen, Gmunden hatte ich öfters besucht. Aber Ebensee? Gleich der erste Einheimische, den ich im Ort nach dem Weg zum „Bäckerwirt” frage, weiß Bescheid, obwohl das Haus seit rund einem halben Jahrhundert nicht mehr bewohnt ist. Es war Mitte der fünfziger Jahre Treffpunkt für Frühschoppen, Feierabendgaudi oder Faschingfeiern.
Der Chef begrüßt an der niedrigen Eingangstür zünftig in Lederhose, Trachtenhemd und Kniestrümpfen. Wolfgang Gröller hat mit befreundeten Wirten das Wirtshaus im April nach vierzig Jahren wieder eröffnet. Es musste geschlossen werden, weil in den siebziger Jahren immer weniger Gäste kamen. Damals stand die Jugend mehr auf Bistros. „Jetzt erlebt es seine Wiedergeburt”, meint Gröller. Das urige Wirtshaus in Ebensee im Salzkammergut könnte die Kulisse zu einem Heimatfilm aus den fünfziger Jahren sein: niedrige Decke, dunkelbraune Theke mit Enzianschnaps, Kräuterlikor und Porzellanzapfhähnen. Tische und Stühle stehen so eng, dass sich die Kellnerinnen im Dirndl strecken müssen, um an die Tische zu kommen. Es darf geschunkelt werden. Vor der Theke spielt ein Trachtentrio alte Schlager im Alpenpop. Gleich fünf österreichische Spitzenköche haben abwechselnd die Regie in der Küche übernommen. So soll es auch in Zukunft bleiben.
„Das Wirtshaus lebt wieder”, heißt das Motto, mit dem eine alte Kultur im Salzkammergut wieder aufersteht. An diesem Abend gibt es Köstlichkeiten wie Saibling, Beef Tartare mit Eidotter und Schnittlauch, Mülisuppn, eine alte Bauernsuppe, und Spargel. (Durchschnittspreis 18 Euro, Vier-Gänge-Menüs 45 Euro). „Kindheitserinnerungen” heißt der Abend, der die Gemütlichkeit und den Genuss des frühen vorigen Jahrhunderts wieder aufkommen lässt mit Hausmannskost, die statt mit Curry, Koriander oder anderen exotischen Gewürzen mit Kräutern aus Wald und Garten verfeinert ist. Die Käseknödel zergehen auf der Zunge, das Sauerkraut schmeckt deftig und duftet wie früher bei Großmutter. Popup nennen die Köche ihr Konzept mit den Stimmungsmachern wie flotter Alpen-Popmusik, heimischen Weinen, würzigem Bier und magenfreundlichem Enzian-Aperos, einem Bitterlikör, der wie Öl durch die Kehle rinnt. Einziger Wermutstropfen: Der Bäckerwirt ist nicht immer geöffnet. Doch im Nachbarort Traunkirchen gibt es die Wirthaus-Neubelebungen „Poststube” und „Bootshaus” - satt werden mit viel Genuss.
„Bäckerwirt”, Solewege 8, Ebensee. Infos: Pop-up-Wirtshausszene, Wirtshausfestival, weitere Wirtshäuser, die sich an der Initiative beteiligen vom Tourismusverband Ferienregion Traunsee, Tel.: 0043761274451 oder www.traunsee.salzkammergut.at.
Die neue Ausgabe Clever reisen! erscheint am 09.10.2018!
Bilder: Bäckerwirt, Klemens Fellner