... Amateurkameras, ein Standardzaunpfahl, ein Anzuchttöpfchen aus dem Gartencenter – wie kommt man darauf, ein solches Sammelsurium zu einer fast perfekten Überwachungskamera zu kombinieren, die obendrein jeden Regenguss im Garten klaglos übersteht und zuverlässiger streamt als so manches Profimodell? Ein solcher Hack fällt einem nur ein, wenn man alle Komponenten zufällig kurz nacheinander in die Hand bekommt und plötzlich merkt, dass sie zusammen ein akutes Problem lösen können.
Auslöser der Bastelei war der Wunsch, aus der Ferne ein Landhaus samt Gartengrundstück zu überwachen, das als Renovierungsobjekt nur sporadisch bewohnt wurde. Einmal fraß die Schafherde vom Feld rechts die Blumenbeete vorn fast leer, ein anderes Mal brachen die Pferde von der Wiese links aus und zertrampelten den Rasen zu einer Mondlandschaft, es gab zwei Überschwemmungen. Und dann waren da die Häufchen eines Hundes, den wir gern auf frischer Tat ertappt hätten: Ist es der vom einzigen direkten Nachbarn oder der vom Pferdehof weiter hinten?
Voraussetzungen
Damit haben wir auch schon die ersten Parameter des Projekts beisammen: Es geht um wetterfeste Outdoor-Überwachung. Wir benötigen neben Streaming mit optionaler Aufzeichnung eine aktive Alarmierung auf Bewegungsbasis und wünschen uns eine hohe Auflösung, denn zumindest einer der verdächtigen Hunde besitzt eher Handtaschenformat.
In einer Hinsicht haben wir Glück: Obwohl über 100 Jahre alt und jenseits aller DSL- und LTE-Abdeckung angesiedelt, hat das Objekt direkten Glasfaseranschluss. Diesen Luxus gibt es dort, weil die Bauern der Gegend das Warten auf die großen Telcos ebenso leid waren wie deren Preisvorstellungen. Sie haben deshalb die Kabel selbst in die eigenen Felder und Wälder hineingepflügt. Bandbreite also gibt es also genug.
Die größten Hürden setzen Qualitätsund Datenschutzansprüche. Internet-fähige Überwachungskameras gibt es zwar bei allen Elektronikversendern, aber die preiswerteren sind selten echte IP-Kameras, deren Bilder man auf einen Server im eigenen Netz lenken kann. Sie funktionieren nur, wenn man sich mit dem Routing der Bilddaten über unbekannte Server in den USA oder Fernost abfindet, ohne deren Sicherheitsstandards zu kennen, und wenn man als Empfangsstelle eine proprietäre Android- oder iOS-App akzeptiert, eventuell samt Werbung.
Profisysteme sind teuer und dabei nicht immer so flexibel, dass man sich über die Investition nachher ungetrübt freut.
Unsere Kameras sollen im verschlüsselten WLAN auf einen Server-PC im Haus streamen und entweder selbst oder über diesen Server bei Bedarf Hinweise auf ungewöhnliche Bewegungen per E-Mail melden. Den Server wiederum wollen wir über eine gesicherte Fernwartungsverbindung ansteuern.
Psychologischer Faktor
Wir besitzen zwar schon eine etwas ältere Dericam-Dome-Kamera und eine TP-Link NC450 mit Drehmechanik, aber keine der beiden können wir im Vorgarten montieren. So einsam das Haus auch liegt, es grenzt dennoch genau an ein Nachbargrundstück, das bei jeder möglichen Installationsvariante vor dem Haus zumindest potenziell ins Bild käme (siehe Kasten Datenschutz).
Zwar sind die beiden Profimodelle mit gängiger Software flexibel genug, um die sichtbaren Zonen des Nebengrundstücks digital maskieren zu können. Der Nachbar müsste dann allerdings die Methode verstehen und mir vertrauen, wenn er in den für ihn undurchsichtigen „Dome“ der Dericam schaut oder die NC450 beim Drehen beobachtet. Die pure Gestalt der Kamera hat also eine psychologische Wirkkomponente. Ein Blick auf das hier vorgestellte Regenrohrmodell zeigt sofort, wie es das Problem löst: Der Nachbar, der die Kamera von seinem Grundstück aus sieht, kann jederzeit an seiner Grenze entlangwandern und überprüfen, ob die Kunststoffhaube die Optik im Kamerafenster gegen seine Privatsphäre hin abdeckt 1 1 . Das sichert den Frieden – es sei denn, sein Hund entpuppt sich noch als der eingangs erwähnte Übeltäter.
Zu Beginn noch ein paar Hinweise zur Komponentenliste (siehe Tabelle Einkaufsliste) – sie spiegelt wider, was der Autor persönlich genutzt und im Juli 2021 für die Teile im lokalen Baumarkt und auf Internet-Plattformen bezahlt hat. Für Detaillösungen wie das Blumentöpfchen gibt es sicherlich Alternativen, die Preise können je nach Händler abweichen. Bei den Regenrohren findet man auch Sortimente mit identischen Maßen, aber in anderen Farben.
Leistungsreserven
Als Computer habe ich einen RasPi 3B+ gewählt: Er hat genug Leistung, um dem Gerät später vielleicht weitere Aufgaben wie das Öffnen des Wegtors übertragen zu können, und er verfügt über ein eingebautes WLAN-Modul. Das genießt zwar nicht den besten Ruf, was die Reichweite betrifft, aber das Plastikrohr lässt das Funksignal ja leidlich ungehindert durch. Außerdem hat das Haus einen Outdoor-Access-Point oben auf dem Dach, einen Extra-WLAN-Zugriffspunkt also.
Die RasPi-Kamera wiederum ist eins der Standardmodelle für den Onboard-Anschluss des Mini-Computers (siehe Liste). Mein Exemplar kam mit einem Plexiglasaufsteller, von dem ich nur die Grundplatten an die Kamera geschraubt habe.
Sollte die Kamera die Erwartungen nicht erfüllen, wird sie eben noch einmal ausgetauscht – spannend wären zum Beispiel Tests mit unterschiedlichen Objektiven.
Softwareauswahl
Die nächsten Entscheidungen betreffen die Software. Für RasPis, die man ausschließlich als Basis einer Kameralösung verwenden will, gibt es ein Betriebssystem namens MotioneyeOS . Das System lässt sich besonders leicht konfigurieren und kommt ohne den Ballast für andere Anwendungszwecke daher. Weil ich aber, wie bereits erwähnt, die Freiheit behalten möchte, den Mini-Rechner auch anderweitig zu nutzen, wähle ich ein herkömmliches Raspberry Pi OS und installiere für die Kamerafunktionen das Paket motion nach.
Zur Fernsteuerung dient Anydesk, das eine Fernsteuerung beliebiger Windows- und Linux-Computer von PCs und von Mobiltelefonen aus ermöglicht .
Die Cloud von Anydesk protokolliert die jeweils aktuellen IP-Adressen angemeldeter Rechner und leitet immer dann, wenn man zwei davon verbinden will, eine direkte, verschlüsselte Verbindung zwischen den Parteien ein. Dabei kann man die Computer so konfigurieren, dass sie selbstständig die Fernsteuerung zulassen (unser Fall) oder so, dass der Anwender am ferngesteuerten PC erst der Verbindung zustimmen muss (gut für innerfamiliäre Support-Fälle).
Anydesk ist für Privatanwendungen kostenlos. Wir ziehen es dem Mitbewerber Teamviewer vor, weil das Produkt im europäischen Datenschutzraum zu Hause ist und wir bei Teamviewer schlechte Erfahrungen mit der automatisierten Unterscheidung zwischen privatem und professionellem Einsatz gemacht haben.
Weitere Infos und interessante Links
www.raspi-geek.de/qr/46725
Zur Inbetriebnahme habe ich das Pi OS mit der Windows-Version von Raspberry Pi Imager auf eine 32 GByte große SD-Speicherkarte kopiert. Dann folgte ein Zwischenschritt, den Besitzer eines HDMI-Monitors nicht gehen müssen: Es galt, auf der SD-Karte im Hilfsrechner die Konfiguration so zu ändern, dass sich der Mini-PC über einen gängigen HDMIzu-VGA-Adapter an einem VGA-Monitor betreiben ließ. Dann ging es Schlag auf Schlag: USB-Tastatur und Maus angeschlossen, Raspberry gestartet, WLAN-Verbindung hergestellt, das Paket motion nachinstalliert, Kamera in Betrieb genommen, Streaming aktiviert und auf einem anderen PC im Netz kontrolliert, Anydesk von der Produktseite aus aufgespielt, Zugangspasswort für automatischen Fernzugriff festgelegt – all das verlief ohne Probleme .
Seitdem hat der Raspberry keine eigene Tastatur und keinen eigenen Monitor mehr gesehen. Zu meiner Überraschung benötigt das streamende Motion bei einer initialen Auflösung von 1024 x 768 Punkten nur 5 Prozent der Prozessorleistung, Anydesk zusätzlich 4 Prozent – da bleibt noch viel Luft nach oben 2 2 . Als problematisch erweist sich allerdings die hier notwendige Verlängerung der Stromversorgungsleitung vom Netzteil zum PC: Sie veranlasst den Raspberry hin und wieder zu Meldungen über Leistungsmangel. Allerdings ist das mit dem Gehäuse gelieferte Netzteil nicht das Beste, und auch über das Kabel habe ich mir anfangs keine Gedanken gemacht: Beides werde ich versuchsweise noch einmal austauschen und sehen, ob die Warnungen dann aufhören. Praktisch haben sie bisher keine Konsequenzen.
Damit wären wir beim inneren Gehäuse. Mein Exemplar besteht aus übereinanderzustapelnden Kunststoffrechtecken, die nach und nach zu einem Bett für den Raspberry heranwachsen 3 3 . Es empfiehlt sich, zur Schonung der Nerven von vornherein zwei der alles zusammenhaltenden Schrauben als Zentrierhilfe beim Aufeinandersetzen zu verwenden. Lustig, wie man sich bei der letzten Platte vertun kann, die die Aussparungen für die mitgelieferten Kühlkörper für die RasPi-Prozessoren enthält: Ich war tatsächlich lange Zeit der Ansicht, die Ausschnitte würden nicht ganz passen, bis ich das Plättchen eben noch einmal umdrehte. Unser Gehäuse kommt übrigens mit einem Lüfter, den ich mit geringer Leistung laufen lasse. Das genügt selbst im Rohr auch an heißen Tagen völlig.
Mit etwas Nachdruck
Unser zentrales Bauelement für die weiteren Schritte ist eins der beiden 7-Zentimeter-Rohre mit 5-Zentimeter- Einfachabzweig. Oben ist dort, wo der Muffenstopfen hinpasst und die größere Gummidichtung sitzt. Jetzt gilt es, den Raspberry mit bereits aufgestecktem Kameramodul – zur Verbindung genügt ein kürzeres Flachkabel – ins Rohr zu befördern 4 4 . Schieben Sie dazu zuerst das herunterbaumelnde Kameramodul von innen in den Abzweig und dann den Computer samt Gehäuse von unten ins Hauptrohr. Die Kamera hängt jetzt zum kleinen Ausgang heraus. Achtung: Der Stromanschluss des Raspberry muss in Richtung des 5-Zentimeter-Abzweigs zeigen und in dessen Höhe enden, sonst können Sie nachher das Stromkabel nicht aufstecken.
Das Ganze passt nur mit sanfter Gewalt. Das Rohr verformt sich dabei leicht, übt aber nicht zu viel Druck auf das Computergehäuse aus. Der Deckel und die weiteren Rohre passen trotzdem und halten dicht. Die Regenrohre, ihr Kunststoff und die Dichtungen sind für derartige Misshandlungen konzipiert, sie müssen das auch bei Dachrinnen aushalten. Abgesehen davon genügt auf diese Weise die Reibung, um den Mini-PC im Rohr zu fixieren, ohne Schraubenlöcher zu bohren. Der nächste Schritt erfordert etwas Fingerfertigkeit. Sie müssen durch den 5 Zentimeter weiten Ausgang das Stromversorgungskabel einfädeln und in die entsprechende Buchse des Raspberry Pi stecken. Dann führen Sie das lange Ende des Kabels an der Kameraleitung und am RasPi vorbei zum unteren Ende des großen Rohrstücks. Nun lohnt es sich, eine erste Funktionsprüfung zu starten. Läuft der Mini-Rechner und sendet er weiterhin Bilder, kann es weitergehen.
Für die Kamerahalterung habe ich den oberen Rand eines Anzuchttöpfchens mit einer Schere abgeschnitten, sodass es – gerade so – umgekehrt in den 5-Zentimeter-Stummel des Regenrohrs passt.
Vorn habe ich, ebenfalls mit der Schere, ein Loch für die Linse fabriziert und die Kamera samt Gehäusefragment einfach mit einem Kabelbinder befestigt 5 5 . Das ist improvisiert und sieht zugegebenermaßen nur mäßig professionell aus, aber hier gilt: Nicht zu viel Aufwand treiben, weil die Kamera ja vielleicht auch einmal gewechselt werden soll. Die befestigte Kamera mit dem Töpfchen setzen Sie vorsichtig in das Rohr ein, sodass die Linse kurz hinter der Gummidichtung liegt. Gegebenenfalls stabilisieren Sie das Konstrukt mit ein paar kleinen Holz- oder Kunststoffstückchen.
Prüfen Sie nun vor dem Weiterbau, ob die Kamera in der richtigen Lage des Gehäuses ein aufrecht stehendes Bild liefert. Die Beschriftung der Kameraplatine gibt dazu keinen zuverlässigen Hinweis. Man kann das Bild zwar später auch per Software drehen, aber das kostet erstaunlich viel Rechenleistung und verursacht Streaming-Aussetzer. Justieren Sie also lieber vorsichtig von Hand. Als Nächstes pressen Sie den 49-Millimeter-Filter mit der Gewindeseite nach innen sanft in die Gummidichtung des Regenrohrs. Ziehen Sie dazu Stoffhandschuhe an oder nutzen Sie Haushaltspapier, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen.
Ein Tipp: Schieben Sie mit dem Filter von vornherein einen Faden mit einem Knoten ein, der hinter dem Filterrand liegt, oder einen kleinen Kabelbinderabschnitt mit dem dicken Ende nach hinten. Nur so können Sie den Filter jederzeit wieder herausziehen, er schließt nämlich erstaunlich bündig und dicht.
Kein Zutritt
Setzen Sie zum Schluss den Muffenstopfen als Deckel auf – das erfordert Kraft, weil die Dichtung erstaunlich fest schließt. Setzen Sie dann unter den Einfachabzweig, der als Hauptgehäuse dient, das zweite Exemplar seiner Art und schließen Sie dessen 5-Zentimeter-Ausgang zum Beispiel mit einem kleinen zurechtgeschnittenen N etz, das Sie mit Laschen unter die Gummidichtung klemmen. Ich habe dazu Reste eines Fliegengitterbausatzes verwendet, eine alte Gardine tut es aber auch – es geht nur darum, dass Spinnen und Käfer nicht allzu freien Zutritt haben. Es ist nicht ideal, dass diese als Lüftung gedachte Öffnung unterhalb des Computers liegt, der warme Luft produziert, aber bei umgekehrter Anordnung bestünde zu viel Gefahr, dass Regen den Raspberry Pi erreicht.
Jetzt sollte die Outdoor-Montage irgendwo in der Nähe einer Gartensteckdose erfolgen. Bei mir findet sich der Stromanschluss im Schaltkasten eines Tors. Wenn Sie dieselbe Konstruktion wählen wie ich, schlagen Sie zuerst den Zaunpfahl ein, richten ihn senkrecht aus und setzen dann versuchsweise das Standrohr auf 6 6 . In dieses Rohr müssen Sie noch ein hinreichend großes Loch bohren, um das Versorgungskabel des Computers nach außen führen zu können. Wenn übrigens, wie im Bild, das Standrohr den Pfahl nicht bis unten umschließen soll, geben Sie die Aufsteckhöhe mit drei kleinen Nägeln oder Schrauben im Pfahl vor. Wieder gilt es, eine Falle zu umgehen: Das Loch für das Kabel muss oberhalb der Pfahloberseite im Rohr bleiben.
Jetzt folgt der erste Test im Feld. Ich muss zugeben, dass ich überrascht war, wie zuverlässig das Bild auf dem PC im Haus erschien. Beim Zusammenbau hatte die Empfangsstärkenanzeige des Mini-Computers nicht voll ausgeschlagen, obwohl ich fast direkt neben dem WLAN-Router im Haus saß – das weckte Bedenken. Hier draußen aber entpuppte sich der Empfang als absolut zufriedenstellend, obwohl beispielsweise das WLAN-Modul meines Mobilfunkgeräts an derselben Stelle schwächelt. Der Raspberry Pi bleibt sogar zuverlässiger im Netz als die NC450, der hinter dem Haus weit mehr WLAN-Power zur Verfügung steht.
Ausblick
Als letzter Schritt erfolgt das Aufsetzen der großen Gegenlichthaube (das HTUG- Anschlussstück). Sie passt nur dann auf den 5-Zentimeter-Stummel, wenn man einen weichen Gummidichtungsring um das Rohrstück legt. Ich habe Reste einer Spültischabschlussdichtung verwendet; ein Abschnitt eines alten Fahrradreifens, Dichtungsband oder dergleichen sollten es aber auch tun. Es kann sein, dass die Rundung die Ecken des Kamerabilds am Ende ein klein wenig abschattet, aber das tut dem Erfolg keinen Abbruch.
Das war es auch schon für dieses Mal. In der nächsten Folge dieser kleinen Serie geht es darum, die Bildgebung zu optimieren, bei Bedarf Bewegungsalarme zu konfigurieren und schlussendlich den Raspberry Pi samt Kamera in eine Open-Source-Überwachungszentrale einzubinden.
(cla)