... den vergangenen Jahren eindrucksvoll untermauert“, gibt BVB-Sportdirektor Michael Zorc (57) gerne die Favoritenrolle ab. Vizemeister Dortmund spekuliert auf seine Außenseiter-Chance. „Wir sind dennoch extrem ambitioniert und wollen jedes Spiel erfolgreich gestalten. Durch eine öffentliche Zielsetzung bekommen wir am Ende keinen einzigen Punkt mehr“, sagt Zorc. „Wir gehen mit einer realisti- schen Erwartungshaltung in die Saison. Ein Ziel werden wir öffentlich nicht verkünden.“
Was den Borussen-Bossen leichte Meister-Hoffnungen macht: Dortmund hat junge Spieler, die sich noch steigern können. Allen voran Neuzugang Jude Bellingham (17), der als eines der größten Nachwuchshoffnungen Englands gilt. Flick sieht beim BVB „enorme Qualität und ein Riesen- Potenzial“. Zumal auch Jadon Sancho (20), der bei Manchester United im Gespräch war, bleibt.
Und dann ist da ja noch Erling Haaland (20). Der Norweger traf in 15 Bundesliga-Einsätzen 13-mal. In der Rückrunde war Haaland fast auf Augenhöhe mit Robert Lewandowski (15 Tore), der im August 32 Jahre alt wird. Ab September kann der Norweger die ganze Saison knipsen. Auch Erfahrung mit Bayern-Genen holte sich Dortmund zuletzt spät ins Team. „Mentalitätsspieler“ Emre Can (26) stand zehnmal in der Bundesliga in der BVB-Startelf, acht dieser Spiele gewann Dortmund. Die Borussia hat also durchaus noch mehr Meister-Potenzial als in der Vorsaison.
Julian Nagelsmann (33), Vorjahresdritter mit RB Leipzig, ist eigentlich nicht für leise Töne bekannt. Das Wort Meisterschaft, das er schon mal zu Hoffenheimer Zeiten in den Mund nahm, fällt ihm nun angesichts der drückenden Bayern-Dominanz als RB-Trainer chwer. „Wir haben damit zu kämpfen, dass wir junge Spieler ausbilden, die irgendwann vielleicht weiterziehen. Diese Spieler zu ersetzen ist finanziell und qualitativ nicht einfach“, sagt Nagelsmann. „Immer oben mitzuspielen ist daher keine Selbstverständlichkeit.“ Der Wechsel von Stürmer-Star Timo Werner (24) zu Chelsea wiegt sicher schwer. Dennoch hat Leipzig durchaus Meister- Argumente.
Leipzig hatte es sich schon in der abgelaufenen Saison selbst zuzuschreiben, dass die Münchner nicht noch mehr herausgefordert wurden. Immerhin hatte Leipzig als Herbstmeister noch die Nase vorne, holte in der Hinrunde vier Zähler mehr als der FC Bayern. Insgesamt kassierte Leipzig genauso wenig Niederlagen wie der FC Bayern (vier), lag hier also auf dem gleichen Niveau. Allerdings teilte RB einfach zu oft die Punkte (zwölfmal) und feierte somit acht Siege weniger als der Rekordmeister. Findet die Nagelsmann- Truppe kommende Saison den Drei-Punkte-Punch, könnte es für Bayern gefährlich werden.
Seit 2013 heißt der Meister Bayern
2020
Der achte Meistertitel in Folge, der 30. insgesamt. Am Ende sind es, vor allem aufgrund einer fast perfekten Rückrunde und einer starken Offensive (100 Tore), 13 Punkte Vorsprung auf den BVB.
2019
Spannend wie zuletzt selten. Der FCB wird mit nur zwei Punkten vor Dortmund Meister. Nach der Hinrunde liegt das Team von Trainer Niko Kovac sogar sechs Zähler hinter dem BVB.
2018
Mit Trainer Jupp Heynckes, der am 9. Oktober 2017 Nachfolger des glücklosen Willy Sagnol wird, marschiert München locker zum Titel, holt 21 Punkte mehr als Vizemeister Schalke .
2017
Die nächste Meister- Party auf dem Münchner Rathausbalkon. Unter Carlo Ancelotti haben die Bayern keine ernsthaften Gegner in der Liga. Leipzig wird Zweiter mit 15 Punkten Rückstand.
2016
Bierdusche für Pep Guardiola! Mit Balldominanz kontrolliert der FCB die Gegner, kassiert nur 17 Tore. Mit zehn Punkten vor dem BVB läuft Bayern auf Platz 1 ein.
2015
Bayern München – und dann lange nix. Dortmund steckt in der Krise, wird nur Siebter. Auf Platz 2 überraschend der VfL Wolfsburg, zehn Punkte hinter dem Rekordmeister.
2014
Franck Ribéry feiert in München mit der Schale Titel Nummer 24. Im ersten Jahr unter Guardiola wird Bayern Erster mit 19 Punkten Vorsprung auf Dortmund.
2013
Jupp Heynckes wird zum Triple- Triumphator. Er gewinnt mit Bayern nicht nur die Meisterschaft (25 Punkte vor dem BVB), sondern auch den DFB-Pokal und die Champions League.
Hoffenheim hat sich das Mia-san-mia-Gen in den Klub geholt
Auf Platz vier vermeidet Max Eberl (46) das M- Wort. Allerdings klingt der Sportchef der Gladbacher Borussia durchaus selbstbewusst und will die Spitze wieder angreifen und die Dominanz von Bayern, Dortmund, Leipzig und Leverkusen wie in der vergangenen Saison durchbrechen. „Uns ist es als einzigem Team gelungen, den Top vier der Liga Paroli zu bieten. Dafür haben wir uns mit dem vierten Platz belohnt“, sagt Eberl.
Dank Trainer Marco Rose (43) schnupperten die Borussen vergangene Saison viel Höhenluft und führten immerhin achtmal die Tabelle an. Nur der FC Bayern war häufiger Spitzenreiter (Leipzig ebenfalls achtmal). Als Spitzenreiter zeigte der VfL auch gute Nerven, als am 14. Spieltag zu Hause gegen Bayern mit 2:1 gewonnen wurde. Grund: Rose bringt das Titel-Gen mit nach Gladbach. Der Trainer weiß, wie Meister geht, holte in Österreich in zwei Jahren bei Red Bull Salzburg zweimal den Titel.
Ausgerechnet auf Platz fünf gibt sich ein Konkurrent kämpferisch! „Wir dürfen uns nicht einfach damit abfinden, dass die Bayern die Besten sind. Wir müssen ihnen näher kommen wollen“, sagt Leverkusens Geschäftsführer Fernando Carro (56) zum Titelkampf. „Ich habe den Anspruch, die Meisterschaft spannender zu machen, wenn wir die Chance dazu erhalten.“
Auf Platz zehn könnte zudem ein lange schlafender Riese endlich aufwachen. Trainer Bruno Labbadia (54) hat nach dem Katastrophen-Intermezzo von Vorgänger Jürgen Klinsmann (56) gezeigt, dass die Hertha durchaus Erfolge feiern kann. Berlin darf trotz Corona-Zeiten mit weiteren 150 Millionen Euro von Investor Lars Windhorst pla- nen – 50 Mio. diesen Sommer, weitere 100 Mio. im Herbst. Sollten die Transfers diesmal einschlagen, darf die Hauptstadt ganz vorne zumindest ein kleines Wörtchen mitreden.
Und dann hat sich noch Deutschlands Fußballdorf Hoffenheim das Mia-san-mia-Gen in den Klub geholt. Der einstige Amateurcoach des FC Bayern, Sebastian Hoeneß (38), Sohn von Dieter (67) und Neffe von Uli Hoeneß (68), hat die Titelgier im Blut. Mit der zweiten Mannschaft der Münchner zeigte er, wie man Titel holt. Hoffenheim dürfte allein aufgrund von Hoeneß als Überraschungsei der kommenden Saison gelten. Für eine Überraschung könnte auch Union Berlin sorgen. Der Klub verpflichtete Max Kruse (32), der sich gegen seinen Ex-Klub Werder Bremen entschied. Sollte der ehemalige Nationalspieler zu alter Form zurückfinden, ist für Union mehr möglich als nur der Klassenerhalt.
Gilt das auch für Schalke 04? Der Verein hat fast 200 Mio. Euro Miese. Geld für neue Stars gibt es nicht. Trainer David Wagner (48) steht nach der erschreckend schwachen Rückrunde unter Druck. Ein klares Saisonziel haben die Bosse nicht definiert. Aufsichtsrat Huub Stevens (66) sagte in SPORT BILD: „Wenn der Verein jetzt sagen würde, wir spielen nur gegen den Abstieg, geben wir den Spielern ein Alibi. Wenn wir umgekehrt behaupten würden, wir spielen um die Meisterschaft, setzen wir die Spieler viel zu sehr unter Druck.“
Die Bremer müssen den VfB Stuttgart als neuen Rivalen im Kampf um den Klassenerhalt ernst nehmen
Mit Spannung wird am Tabellenende auf einen anderen großen Traditionsklub geblickt. Der VfB Stuttgart ist zurück im Oberhaus – und will es bleiben. Werder Bremen konnte das Abstiegs- Schicksal zwar knapp in der Relegation abwenden, muss aber Stuttgart im Kampf um den Klassenerhalt als neuen Rivalen ernst nehmen. Zumal die Bremer kein Geld haben, um sich auf dem Transfermarkt entscheidend zu verstärken.
Geht es nach den Fans, bleibt der Nord-Klub drin. In einer von SPORT BILD in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage (siehe Seiten 14/15) tippen die Fans der Bundesliga-Vereine Werder auf Platz 15. Augsburg landet auf dem Relegationsplatz. Für die Aufsteiger wird es nach Meinung der Fans keine erfolgreiche Saison. Stuttgart und Bielefeld müssen demnach gleich wieder runter in die 2. Liga.
Mitarbeit: Sven Westerschulze, Robert Schreier, Max Wessing und Axel Hesse