... zum Beispiel im General-Motors-Werk in St. Louis/Missouri gefertigt.
Außen hat die Rondine nichts mit der Ur-Corvette gemeinsam, innen ist sie unverändert
Technisch basiert die Rondine auf der zweiten Corvette-Generation
Wetten, dass diese 63er Corvette noch die Originalreifen trägt?
Und wetten, dass sie von Pininfarina ist?
Pininfarina? Außer einer Cadillac-Modellvariante von Ende der 50er-Jahre und dem 90er-Jahre-Cabrio Allanté ist über eine Zusammenarbeit von GM und Pininfarina wenig bekannt.
Aber da ist noch etwas, und zwar etwas, das Italienund Amerikafans gleichermaßen begeistert. Corvetten, dass.?
„Guten Tag, da seid ihr ja. Ich bin der erste Privatbesitzer, und meine Corvette hat nur 3789 Meilen auf dem Tacho und noch die ersten Reifen.“ Mit diesem an sich schon schier unglaublichen Satz begrüßt uns Michael Schudroff, US-Autosammler und Inhaber des Klassikhandels Carriage Motor House in Greenwich/ Connecticut. Seit knapp zehn Jahren besitzt der hagere 73-Jährige diese Corvette, an der nichts so ist wie im Rest der Flotte.
1963 plante die bis dahin mit traumhaft schönen Entwürfen für Ferrari, Lancia oder Fiat berühmt gewordene italienische Karosserieschmiede Pininfarina ein Showcar, wie man heute sagen würde, für den Pariser Automobilsalon. Unter der Leitung von Chefdesigner Sergio Pininfarina entwarf der nur 29-jährige Amerikaner Tom Tjaarda auf Basis der zweiten Generation der Chevrolet Corvette eine leichte, italienische Karosserie. Die Rondine (italienisch für „Schwalbenschwanz“) nahm eine ganze Reihe von Designelementen voraus, die in späteren Jahrzehnten in Tjaardas Werken und denen anderer De signer wieder auftauchen sollten. Anders als bei allen anderen Corvetten entstand das Kleid dieses Einzelstücks im Laufe des Jahres 1963 bei Pininfarina tatsächlich aus Blech. Die Karosseriekünstler aus dem Piemont verstanden sich wie niemand sonst darauf, wunderschöne Formen von Hand über Holzkonturen zu dengeln.
Nach der Show in Paris wurde die Rondine an den Firmensitz in Grugliasco zurückgebracht, wo sie 45 Jahre lang in der Eingangshalle des Unternehmens stand. 2008 wurde sie zusammen mit einigen anderen wertvollen Ein zelstücken versteigert, und zwar für knapp 1,8 Millionen Dollar. Käufer: Michael Schudroff.
Hinter unserem Gastgeber in seiner Werkstatt steht der einmalige Chevy nun in seinem unvergleichlichen Türkisblau fahrbereit zwischen Rolls-Royce, Ferrari und McLaren.
Schudroff ist ein netter, unverstellter Kerl und kokettiert womöglich ein bisschen, als er die Geschichte vom Kauf noch einmal nacherzählt: „Ich wusste erst gar nicht, was ich mir da eingehandelt hatte“, sagt er. „Meine Frau Bebe fand die Farbe toll, kein Witz. Das Auto kam beim Sammlungsverkauf von Pininfarina ohne Mindestgebot auf den Block, also hab ich beim Einstieg von 600 000 Dollar mal die Hand gehoben.“ Da blieb sie bis zum Schluss.
Der Autohändler erinnert sich sichtlich aufgeregt an die Minuten, in denen er sich von einer beträchtlichen Menge Geld trennte. „Und dann“, gibt er zu, „musste ich erst mal genau lesen, was es mit dem Auto auf sich hatte. Erst wollte ich die Karosserie kosmetisch restaurieren, und vor allem den spröden und gesprungenen Lack erneuern“, sagt der Fachmann, „aber alle haben mich davon abgehalten. Es ist ja noch alles original, der 5,3-Liter-V8, das Vierganggetriebe, der Innenraum und eben auch der erste Lack, und so bleibt es jetzt auch.“
Große Schriftzüge verweisen stolz auf den amerikanischen Unterbau
Mit viel Glas und filigranen Dachpfosten wirkt die Rondine mediterraner als das Ausgangsmodell
Dieses Heck gab der Rondine (auf Deutsch: „Schwalbenschwanz“) den Namen und Pininfarina den Auftrag für den Fiat 124 Spider
Stolz zeigte Pininfarina sein Markenzeichen auf der Rondine für den Salon in Paris
FOTOS: AUTO BILD SYNDICATION (5), PICTURE ALLIANCE/DPA
Als der Fotograf seine Kamera auf die schmalen Textilgürtelreifen hält, erkennt er: „Das sind US-Royal-Reifen, die Marke heißt schon seit 50 Jahren Uniroyal. Die sind echt ein halbes Jahrhundert alt.“
Schudroff lässt sich davon nicht stören. Sein Mitarbeiter wird angewiesen, das Einzelstück für die Fotos auf die Straße zu bringen. Er selbst bleibt zurück und dreht sich nicht einmal mehr um, als wir den Hof verlassen und mit der Millionen-Vette in den fließenden Verkehr einfädeln.
Der Fahreindruck selbst ist nahezu vernachlässigbar: Der 360- PS-V8 wird nicht heiß, die Bremsen machen mit, und auch sonst funktioniert alles, wie es soll. „Ist ja auch eine Corvette“, schnalzt unser junger Begleiter anerkennend. In der Tat fährt die Rondine kaum anders als eine vergleichbare Serien-Corvette. Der markanteste Unterschied ist der Raumeindruck, auch wenn der Innenraum „stock Chevy“ ist, also gegenüber dem Serienmodell unverändert. Die sehr großen Fensterflächen sorgen aber für einen selbst für frühe Corvette-Verhältnisse hellen und luftigen Innenraum.
Auf der Straße wirkt die nur gut 1,20 Meter hohe Rondine zwischen all den überfetteten SUV und den großen Limousinen trotz ihrer amerikanischen Gene italienisch zierlich. Ihr Reiz liegt in der eleganten Linie ebenso wie in den Details, von denen Pininfarina und andere Designer später viele für ihre Serienmodelle verwendeten.
Vor allem das Heck des ebenfalls von Tjaarda designten Fiat 124 Spider ist der Rondine fast wie aus dem, äh, Hintern geschnitten. Das große gewölbte Heckfenster erinnert mit den C-Säulen aus gebürstetem Aluminium an den später von Giugiaro entworfenen Iso Grifo, während die Frontpartie mit den halb abdeckenden „Augenlidern“ von Marcello Gandini für den Iso Lele und den Alfa Romeo Montreal aufgegriffen wurde. An den Scheinwerfern beginnt eine Linie, die um das ganze Auto herum verläuft und in den Türen bereits in den vom 124 Spider bekannten Hüftknick übergeht.
Mühelos macht der einmalige Zweisitzer alle Fahrmanöver für die Fotoproduktion mit, und als er später wieder knackend und knisternd in der Auss tel lungshal le neben einem Rolls-Royce Silver Cloud steht, fragen wir uns für einen Moment, warum dieses wundervolle Auto nie in Serie gefertigt wurde. Vielleicht wären die Formen doch etwas zu teuer und kompliziert für eine Serienproduktion gewesen, kommt uns in den Sinn, aber das Gegenargument ist ebenso schnell im Kopf: Der begnadete Tom Tjaarda verwendete das geniale Heck schließlich zumindest in abgewandelter Form für den Fiat 124 Spider, ein nahezu volkstümliches Auto und viel verbreiteter, als es die Rondine je hätte sein können.
Insofern kann man in jeder Hinsicht sagen: Ende gut, alles gut.
„Die hat keine schlechte Perspektive“, sagt der Fotograf
FOTOS: AUTO BILD SYNDICATION (2), HERSTELLER
CHEVROLET CORVETTE RONDINE
Motor Achtzylinder-V-Motor vorn längs, zentrale Nockenw., zwei Ventile pro ZylinderHubraum 5354 cm3Leistung 365 SAE-PS bei 6000/minmax. Dreh moment 478 Nm bei 4000/minAntrieb Viergang, manuell, HeckantriebL/B/H 4555/ 1800/1210 mm
SCHWALBENSCHWANZ
►NICHT NUR PININFARINA , auch der dort angestellte Rondine-Designer Tom Tjaarda hat mit der Corvette Rondine seine Visitenkarte abgegeben. Der damals erst 29-jährige Amerikaner mit holländischen Vorfahren war 1958 zum Designstudio Ghia in Turin gekommen. 1961 wechselte er zu Pininfarina, wo er mit der Corvette Rondine einen weltweit wahrgenommenen Paukenschlag setzte. Die Italo-Corvette brachte seinem Arbeitgeber den Auftrag für den Fiat 124 Spider ein, der fast 20 Jahre lang das berühmte Schwalbenschwanzheck tragen durfte. Für eine Spider-Front nach Rondine-Art hatten die Turiner allerdings seinerzeit kein Geld übrig: „Die Klappscheinwerfer wären in der Serienproduktion zu teuer gekommen“, erklärte Tjaarda später.