... psychotherapeutische Behandlungen einzulassen“, betont die Expertin Dr. Carola Otterstedt vom Bündnis Mensch & Tier. „In Seniorenheimen und für Demenz-Betroffene ist das Erleben von Tieren eine wichtige Brücke und Grundlage für das Gespräch über eigene Lebensereignisse.“
Tiergestützte Therapie setzt auf gute Beziehungen
In vielen Fällen schaffen Tiere, was Menschen zuvor nicht gelang. Die Patienten öffnen sich, fassen neues Selbstvertrauen oder erhalten Stück für Stück ihr Körpergefühl zurück. Und nicht nur seelische, auch motorische Probleme können, etwa beim Reiten, häufig behoben oder zumindest gelindert werden. „Das Tier selbst kann zwar nicht heilen, aber eine gute Mensch-Tier- Beziehung kann helfen, wieder heil zu werden“, sagt Dr. Otterstedt. Auf welch erstaunliche Art die süßen Therapeuten vor allem Kindern und Senioren, guttun, zeigen unsere Beispiele aus der tiergestützten Therapie.
Lamas helfen bei Stress, Ängsten und Essstörungen
Die knuffigen Lamas und Alpakas sind zurückhaltend, lassen den Menschen aber auf sich zukommen. So schaffen sie es, verschlossene Herzen zu öffnen.
• Multi-Talente
Ihr gutmütiges Wesen macht man sich bei Menschen mit einem Trauma, einer Phobie oder Kontaktstörung zunutze. Zudem wirken die summenden Laute der Lamas äußerst beruhigend. „Das mahlende Geräusch eines fressenden Lamas kann Patienten mit Essstörungen motivieren, selbst Kaubewegungen zu machen“, sagt Dr. Otterstedt. Und ihnen so helfen, ihre Körperlichkeit wiederzuentdecken.
Wer kann dem Blick aus dunklen Knopfaugen widerstehen?
Schweine erleichtern Therapeuten den Zugang zu alten Menschen
Minischwein: Kleine Sensation im Seniorenheim
Minischweine sehen nicht nur zum Knuddeln aus, sie besitzen auch ein ausgeprägtes Sozialverhalten, locken durch ihr quirliges Wesen selbst die Verschlossensten aus der Reserve.
• Mutmacher
Kein Wunder, dass tiergestützte Therapeuten Mini-Schweine mit ins Altenheim nehmen, um Senioren Lebensfreude zu schenken und Schwung in ihren Alltag zu bringen. Das funktioniert vor allem bei Demenz-Betroffenen, die ein Schwein oft aus der Kindheit kennen. Werden sie plötzlich mit einem Tier konfrontiert, das sie 50 Jahre lang nicht gesehen haben, weckt das verloren geglaubte Erinnerungen.
Auch die Kleinen profitieren vom Umgang mit den intelligenten Tieren
Hunde, die Helfer für Epileptiker, Diabetiker und Blinde
Durch die Wärme eines Hundes entspannt sich der Patient, nimmt Schmerz weniger stark wahr
Evolutionsgeschichtlich bedingt fühlen wir uns zu Hunden sehr hingezogen. Tatsächlich kann der beste Freund des Menschen unsere Gefühle anscheinend gut verstehen und reagiert darauf.
• Motivationstrainer
Therapiebegleithunde werden im Rahmen einer Ergo-, Psycho- oder Sprachtherapie eingesetzt. In ihrem Beisein tauen viele Patienten auf, zudem wirkt die Anwesenheit der Vierbeiner sehr motivierend. „So schafft es beispielsweise ein Hund, dass ein Schlaganfall- Patient aus dem Bett steigt und anfängt, sich zu mobilisieren“, weiß Dr. Otterstedt.
• Lebensretter
Sogenannte Assistenzhunde dagegen werden speziell geschult, um kranken und behinderten Menschen den All- tag etwas zu erleichtern. Beispielsweise können Signalhunde bei Diabetikern Veränderungen in der Atemluft oder im Schweiß riechen und vor einer drohenden Unterzuckerung warnen. Im Alarmfall holen sie sogar die Tasche mit dem Messgerät oder dem Notfall-Set. Andere Assistenzhunde verhelfen Epileptikern zu mehr Sicherheit und Selbstständigkeit. Auch diese sensiblen Vierbeiner können Anfälle im Vorfeld erahnen, damit Verletzungen verhindern und Leben retten.
• Orientierungshilfe
Blinde haben in einem speziell ausgebildeten Hund einen treuen Begleiter und Schutzengel, der ihnen in vertrauter und fremder Umgebung Orientierung bietet, sie beschützt, dazu Ängste, Depressionen und Einsamkeit zu lindern vermag.
Unsere Expert in Dr. Carola Otterstedt Leiterin der Stiftung „Bündnis Mensch & Tier“ Infos:www.buendnis-mensch-und-tier.de
Kaninchen: Kleiner Kuschelkamerad für ängstliche oder aggressive Kinder
Die kleinen Vierbeiner punkten mit niedlichem Aussehen und puscheligem Fell. Und sie können stundenlang stillhalten, wenn sie gestreichelt werden.
• Stress-Beseitiger
Kinder mit Behinderungen schulen beim Streicheln und Füttern ihre Motorik. Die Langohren zu streicheln, gibt aggressiven oder ängstlichen Kindern das gute Gefühl, angenommen zu werden. Sich um das Tier zu kümmern, stärkt auch das Selbstvertrauen.
Auf dem Rücken der Pferde die Motorik schulen
Das imposante Haustier des Jahres 2019 zeichnet sich durch starke Sensibilität aus und ist in der Lage, unsere Haltung widerzuspiegeln.
• Bewegungstrainer
Die sogenannte Hippotherapie („hippo“ ist griechisch für Pferd) hilft Menschen, die unter Schädigungen des zentralen Nervensystems oder unter Problemen mit dem Bewegungsapparat leiden. Beim Reiten werden die schaukelnden, dreidimensionalen Schwingungen des Pferdes auf das Becken und die Wirbelsäule des Reiters oder der Reiterin übertragen. Damit wird etwa bei Patienten mit Multipler Sklerose der Gleichgewichtssinn trainiert. Die Impulse schulen auch die Körperhaltung und normalisieren die Muskelspannung.
Mit heilpädagogischem Reiten können Kinder Körperhaltung trainieren
Buch-Tipp
„Tiergestützte Intervention“ Methoden und tiergerechter Einsatz in Therapie, Pädagogik und Förderung. Von Carola Otterstedt, Schattauer, 19,99 Euro
Mit Delfinen zu schwimmen, macht Menschen glücklich
Umstritten: die Delfintherapie
Delfine sind liebenswürdig, neugierig, verspielt und jederzeit bereit, sich auf Menschen einzulassen.
• Unterstützer
Die Meeresbewohner helfen kranken und behinderten Menschen, vor allem Kindern, Fortschritte zu machen und sich besser zu bewegen – und können sie auch aus der Apathie befreien. Allerdings ist die Wirksamkeit der teuren Therapie nicht eindeutig belegt . Und sie ist umstritten, weil die Tiere zwar nicht domestiziert, aber dressiert sind. Dr. Otterstedt kritisiert zudem: „Für den Patienten ist es nicht förderlich, mit dem Delfin in einem künstlich geschaffenen Lebensraum eine Begegnung herbeizuführen. Ein Delfinarium ist keine artgemäße Tierhaltung.“
Fotos: AdobeStock (3), iStock (4), picture alliance, Klett-Cotta/Schattauer, Stiftung Bündnis Mensch und Tier/Ina Celmer