... in Genf sein Debüt feierte, gingen die zahlreichen Freunde des luftgekühlten Vorgängers auf die Barrikaden. Schon lange hatte sich das Ende des Käfer Cabrios abgezeichnet. VW-Chef Toni Schmücker erreichten nach jeder Meldung über das absehbare Aus des Käfer Cabrios hunderte Bitt- und Protestbriefe. In Hamburg organisierte sich die Vereinigung „Rettet das Käfer Cabrio“. Doch die strengeren Abgas- und Crash-Regelungen im lukrativen US-Markt und die zu hohen Produktionskosten bedeuteten Ende der 70er Jahre das unvermeidliche Aus für die Frischluftversion des Käfers.
Erst fünf Jahre nach der Premiere der Golf-Limousine lief bei den Cabrio-Spezialisten von Karmann in Osnabrück die Produktion des offenen Golf an. Seit 1949 wurden dort im VW-Auftrag viersitzige Cabriolets auf Basis der jeweils stärksten und am besten ausgestatteten Limousine gefertigt. Mit Blick auf den existenzsichernden Folgeauftrag plante ein kleiner Kreis um Wilhelm Karmann schon seit Anfang 1976 ein Cabrio auf Basis des Golf. Offiziell grünes Licht aus Wolfsburg hatte es dazu nicht gegeben. So konnte Karmann kurze Zeit nach dem erwarteten Auftrag im Dezember 1976 den ersten Prototypen präsentieren. Besonders pikant: Der charismatische Sicherheitsbügel, der dem gerne in Marsrot bestellten Volkswagen schnell den Namen „Erdbeerkörbchen“ einbrachte, fehlte beim Prototypen. Anders als an unzähligen Stammtischen zu hören, ist dieser nicht für zusätzliche Stabilität notwendig gewesen. Auch als Vollcabrio verfügte der Prototyp über genügend Karosseriestabilität. Die Ansage „Nicht ohne Bügel“ kam seinerzeit von Ulrich Seiffert, Leiter der Hauptabteilung Fahrzeugsicherheit bei Volkswagen. In Wolfsburg hatte man – wie schon beim Käfer – die strikten US-Sicherheitsauflagen vor Augen, die einen Bügel zum Schutz vor Unfällen mit Überschlag vorschrieben. Damit blieb der Export in die USA möglich – übrigens anders als beim letzten Golf Cabrio. Zur Freude der Karmann-Ingenieure verbesserte der geforderte Henkel die Seitenscheibenführung, diente gleichzeitig als Verdeckauflage und erleichterte zudem den Zugang zu den Gurten.
Technische Daten VW Golf I GL Cabriolet
ANTRIEB R4-Zyl.; Hubraum: 1781 cm 3; Leistung: 66 kW/90 PS bei 5200/min; max. Drehm.: 140 Nm bei 3300/min; Fünfgang-Getriebe; Vorderradantrieb
AUFBAU+FAHRWERK Selbsttragende Ganzstahlkarosserie mit zwei Türen; Radaufhängung vorn: McPherson-Federbeine, Querlenker; hinten: Federbeine, Längslenker; v./h. Teleskopstoßdämpfer; Bremsen: v./h. Scheiben/Trommeln; Reifen: v./h. 185/60 R 14
ECKDATEN L/B/H: 3815/1635/1395 mm; Radstand: 2400 mm; Leergew.: 1000 kg; Bauzeit: 1984 bis 1988; Stückz.: 388.522 (Golf I Cabrio); Preis (1984): 23.750 Mark
FAHRLEISTUNGEN 1Beschleunigung: 0 auf 100 km/h in 13 s; Höchstgeschw.: 164 km/h; Verbr.: 9,5 l/100 km
1Werksangaben
Technische Daten VW Golf I Cabrio Classicline
ANTRIEB R4-Zyl.; Hubraum: 1781 cm 3; Leistung: 72 kW/98 PS bei 5400/min; max. Drehm.: 142 Nm bei 3000/min; Fünfgang-Getriebe; Vorderradantrieb
AUFBAU+FAHRWERK Selbsttragende Ganzstahlkarosserie mit zwei Türen; Radaufhängung vorn: McPherson-Federbeine, Dreieckquerlenker; hinten: Verbundlenkerachse, Längslenker, Federn; v./h. Teleskopstoßdämpfer; Bremsen: v./h. Scheiben/Trommeln; Reifen: v./h. 195/50 R 15
ECKDATEN L/B/H: 3890/1640/1395 mm; Radstand: 2400 mm; Leergew.: 1015 kg; Bauzeit: 1988 bis 1993; Stückz.: 388.522 (Golf I Cabrio); Preis (1992): 35.430 Mark
FAHRLEISTUNGEN 1Beschleunigung: 0 auf 100 km/h in 11,2 s; Höchstgeschw.: 166 km/h; Verbr.: 8,9 l/100 km
1Werksangaben
Obwohl Golf-Schöpfer Giugiaro die Karosserie als „kein ästhetischer Cabrio-Kandidat“ beurteilte, avancierte das „Erdbeerkörbchen“ schnell zum Lifestyle-Liebling in diversen TV-Formaten. Man denke nur an Sascha Hehn, wie er nach den Diensten in der „Schwarzwaldklinik“ als Dr. Udo Brinkmann in sein weißes Cabrio sprang. Auch im Straßenbild der 80er-Jahre war das Golf Cabrio ein Dauergast. Das lag auch am Preis: Mit weniger als 18.000 Mark war Cabrio fahren auch für ein breites Publikum erschwinglich.
Zudem sorgten die Motoren für viel Fahrspaß. Gleich zu Beginn waren zwei leistungsstarke Benzinmotoren im Angebot: ein 1,5-Liter-Motor mit 70 PS in der GL-Ausstattung sowie der aus dem GTI bekannte 1,6-Liter-Motor mit 110 PS in der GLI-Ausführung. Zur Verbesserung der sportlichen Silhouette und des Komforts wurde nach den Werksferien 1981 das Verdeckgestell geändert. So lag der Aufbau zehn Zentimeter flacher auf, wodurch sich die Sicht bei geöffnetem Dach nach hinten enorm verbesserte.
Als im August 1983 die Fertigung des Golf II anlief, blieb bei der gerade mal drei Jahre alten Cabrio-Konstruktion fast alles beim Alten. Lediglich der Tankinhalt mit 55 statt bisher 44 Litern wurde vom neuen Golf übernommen. Außerdem erhielt das Cabrio serienmäßig Sportsitze und lackierte Stoßfänger. 1984, dem Baujahr unseres Fotoautos aus dem Besitz von Carsten Bachmann, standen drei Triebwerke zur Auswahl: ein 1,6-Liter mit 75 PS, der überarbeitete 1,8-Liter-GTI-Motor mit 112 PS und dazu noch ein spritziger, langhubiger 1,8-Liter-Vergasermotor mit 90 PS.
Die frühen Cabrio-Modelle wie das gezeigte Modell in Heliosblau zeichnet nicht nur eine optische, sondern auch ihre fahrerische Leichtigkeit aus. Während einem der Wind um die Nase weht, lässt sich das exakt eine Tonne schwere Cabrio zielgenau und komfortabel über kurvige Landstraßen dirigieren. Trotz der über 40 Jahre alten Grundkonstruktion hat man keineswegs das Gefühl, in einem Oldtimer zu sitzen.
Schon eher gilt dies für das classicgrüne Cabrio von Marcus Müller. Die Kombination aus der Optik des ersten Golf und dem Baujahr 1992 wirkt irgendwie verstörend, weil der Golf zu jenem Zeitpunkt bereits in der dritten Generation gebaut wurde. 1987 hatte VW das Cabrio einer umfangreichen Verjüngungskur unterzogen. Zu erkennen sind die Änderungen an größeren Stoßstangen, lackierten Radhausverbreiterungen, geänderten Schwellerverkleidungen und dem stärker gerippten Kühlergrill. Durch diese Maßnahmen verlor der VW an Zierlichkeit und wirkte insgesamt stämmiger, breiter und erwachsener.
Da es aber nur unwesentlich schwerer ist als das bis 1987 gebaute Cabriolet, kommt in unserem Fotoauto mit dem 98 PS starken 1,8-Liter-Einspritzmotor auf den Landstraßen ungetrübter Fahrspaß auf.
Änderungen hielten das Golf Cabrio modern
Von 1990 an kündigten zahlreiche Sondermodelle das allmähliche Ende des „Erdbeerkörbchens“ an. Zuvor wurden noch einmal alle technischen Möglichkeiten ausgelotet. So war das Verdeck gegen Aufpreis auch elektrisch/hydraulisch zu öffnen. Ab 1992 bot VW zudem einen Airbag für die Fahrerseite an. Im Jahr zuvor war das für viele ehemalige Kritiker Undenkbare geschehen: Der offene Golf hatte am 24. Juni 1991 mit der Stückzahlnummer 331.848 das zwischen 1949 und 1980 gebaute Käfer Cabrio überholt und dazu nur zwölf Jahre benötigt.
Dennoch waren die technischen Möglichkeiten nach fast 15 Jahren Produktionszeit ausgereizt.
Da Volkswagen auf größere Karosserieänderungen oder ein eigenständiges Golf-II-Cabrio verzichtet hatte und Hersteller wie Ford mit dem Escort, Peugeot mit dem 205 und Opel mit dem Kadett nachgezogen hatten, war der Druck auf den Nachfolger groß. Im März 1993 debütierte die ersehnte Neuauflage auf Basis des Golf III. Wie sein legendärer Vorgänger verfügte auch das neue Cabrio über den charakteristischen Sicherheitsbügel. Der Kosename „Erdbeerkörbchen“ bleibt jedoch dem Golf I vorbehalten. Was der von Giugiaro gezeichnete Vorgänger schon andeutete, brachte der von Herbert Schäfer designte Golf III von Beginn an serienmäßig mit: eine umfangreiche Sicherheitsausstattung, bestehend aus Seitenaufprallschutz, Fahrer- und Beifahrer-Airbag sowie ABS. Im Vergleich zum Vorgänger war der offene Golf III deutlich komfortabler und alltagstauglicher ausgelegt. Das machte sich neben den gewachsenen Innenabmessungen und dem größeren Kofferraum (plus 50 Liter) vor allem bei der komfortablen Bedienung und der sicheren Straßenlage bemerkbar.
Technische Daten VW Golf III Cabriolet
ANTRIEB R4-Zyl.; Hubraum: 1781 cm 3; Leistung: 55 kW/75 PS bei 5000/min; max. Drehm.: 140 Nm bei 2500/min; Fünfgang-Getriebe; Vorderradantrieb
AUFBAU+FAHRWERK Selbsttragende Ganzstahlkarosserie mit zwei Türen; Radaufhängung vorn: McPherson-Federbeine, Dreieckquerlenker; hinten: Verbundlenkerachse, Längslenker, Federn; v./h. Teleskopstoßdämpfer; Bremsen: v./h. Scheiben/Trommeln; Reifen: v./h. 185/60 R 14
ECKDATEN L/B/H: 4020/1695/1410 mm; Radstand: 2475 mm; Leergew.: 1155 kg; Bauzeit: 1993 bis 1998; Stückz.: 171.359 (Golf III Cabrio); Preis (1995): 38.400 Mark
FAHRLEISTUNGEN 1Beschleunigung: 0 auf 100 km/h in 15,5 s; Höchstgeschw.: 160 km/h; Verbr.: 8,4 l/100 km
1Werksangaben
Bei geöffnetem Verdeck ist der charakteristische Henkel das verbindende Element
Die Drehfreudigkeit der Motoren, vor allem die des 75-PS-Modells von Marion und Roland Bachmann aus dem Jahr 1995, litt unter dem gestiegenen Fahrzeuggewicht. Etwas mehr Temperament vermitteln die 115 PS des 2,0-Liter-Benziners, der ebenfalls von Beginn an für das Golf III Cabrio angeboten wurde. Wem die sommerlichen Touren nicht lang genug sein konnten und wer das Drehmoment eines GTI-Motors vermisste, für den bot Volkswagen ab 1995 auch per Turbo aufgeladene Selbstzünder an. Damit gehörte der Golf seinerzeit zu den wenigen Cabriolets, für die ein Dieselmotor lieferbar war. Immerhin rund zehn Prozent aller Cabrio-Kunden entschieden sich für den TDI-Motor. Anders als bei den offenen Vorgängern präsentierte VW den Nachfolger bereits nach fünf Jahren Bauzeit, in der sich das Cabrio fast 200.000 Mal verkauft hatte. Das 1998 vorgestellte „neue“ Cabrio war jedoch nichts weiter als Augenwischerei. Fahrzeugfront und Heck sowie Innenraumdetails wie der blau beleuchtete Tacho orientierten sich an der Optik des ab 1997 gebauten Golf IV. Bis zur vorläufigen Einstellung des offenen Golf 2002 basierte das Cabriolet auf dem Golf III. Erst nach fast zehn Jahren Pause legte VW mit dem Golf VI Cabrio einen wirklich neuen Open-Air-Golf auf. Diesmal verzichtete man auf den charakteristischen Henkel.
Es dauert also noch gut 20 Jahre, bis aus dem Golf VI Cabrio ein Oldtimer wird. Er wird das letzte Golf Cabrio sein – 2017 folgte der T-Roc.
Höchste Zeit also, sich ein Golf Cabriolet mit Henkel zu besorgen. Denn der nächste Sommer kommt bestimmt.
Ingo Eiberg
Jetzt lesen: Classic Cars 7/2022
Der Sommer ist da: Zu den VW-Klassikern gehört seit jeher der offene Käfer - wie ist das seltene Hebmüller-Cabrio aktuell einzuschätzen? Außerdem: die Marktentwicklung des Mercedes 190 SL und die Verbindung eines Enthusiasten zu seinem Oldsmobile Super 88 Convertible.
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