... oder liest – und sich beschwert, wenn er nicht stimmt.
Tatsächlich steht bei falschen Vorhersagen mehr auf dem Spiel als ein verregnetes Wochenende. Manchmal geht es um Leben und Tod. Ein Beispiel ist die Hurrikansaison in der Karibik. Dank umfangreicher Daten lassen sich die Wege dieser tropischen Wirbelstürme immer besser vorhersagen. Viele Leben wurden so schon gerettet. Doch die Gefahr bleibt: 2017 und 2018 starben hier über 3200 Menschen.
Aber auch in Deutschland kann Wetter tödlich sein, etwa bei schweren Herbststürmen, die derzeit oft wüten. „Seit ein paar Jahren spüren wir eine Klimaveränderung“, sagt Sven Plöger. „Wir erleben mehr schwere Gewitter im Wechsel mit sehr trockenen Phasen.“ Plöger ist Meteorologe und Moderator von „Das Wetter im Ersten“. Zudem hat er Bücher zum Thema veröffentlicht, darunter „Wo unser Wetter entsteht“ (Belser, 19,99 Euro).
Vom WETTER zum BERICHT
In der WMO, der Weltorganisation für Meteorologie, sind knapp 190 Staaten organisiert, darunter der Deutsche Wetterdienst DWD. Weltweit werden permanent wetterrelevante Daten ausgetauscht. Gewonnen werden diese mit den unterschiedlichsten Methoden. Dazu zählen feste Wetterstationen auf der Erde, Wetterballone, Bojen, Satelliten, Schiffe und nicht zuletzt Verkehrsflugzeuge, die das Wetter auf ihren Flügen protokollieren. Im Rechenzentrum des jeweiligen Wetterdienstes werden diese Daten gesammelt, analysiert und dann für Wetterberichte und -vorhersagen ausgewertet.
Gigantische Daten-Infrastruktur
Extremwetter in Deutschland stellt auch den Experten vor neue Herausforderungen. Eine davon: Wie viel Warnen darf bzw. muss sein? „Wenn ich bei jeder Kleinigkeit warne, stumpfen die Zuschauer ab“, erläutert Plöger. Sein Ansatz: „Die Kunst ist es, mit Nachdruck, aber ohne Panikmache auf potenzielle Gefahren hinzuweisen. In einer vor allem medial oft sehr aufgeregten Welt ist das nicht immer einfach.“
Das ist noch stark untertrieben. Gerade online ist Wetter ein beliebtes Aufregerthema. Je extremer die Schlagzeilen, desto mehr Klicks – so kalkulieren vor allem viele Boulevardmedien. Differenzierungen gehen dabei verloren, aus lokalen Gefahrenpotenzialen werden dann ganz schnell mal „Monster-Stürme“ oder „Sahara-Sommer“.
Dabei stützen sich viele Wetterberichte auf die gleiche Datenquelle: ein weltweites Netz von Messinstrumenten zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Dazu gehören rund 9500 feste Wetterstationen, circa 5000 Verkehrsflugzeuge, etwa 2600 Handelsschiffe mit Wetterstationen, 1500 Driftbojen sowie über 900 Stationen, die zweimal am Tag Wetterballone in die Atmosphäre schicken. Ebenso 22 Satelliten, die jeden Flecken unseres Planeten wettermäßig überwachen. Es ist die größte Infrastruktur, die der Mensch je geschaffen hat.
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Meteorologie enorm entwickelt. Eine Sechstageprognose ist laut Deutschem Wetterdienst (DWD) heute so exakt wie eine Tagesvorhersage vor 40 Jahren. Und die Eintreffgenauigkeit eines Wetterberichts für 24 Stunden liegt schon bei über 90 Prozent. Sind auch 100 Prozent möglich?
”Manchmal verzweifele ich tatsächlich am Wetterbericht.“
Sven Plöger, Meteorologe
Tatsächlich lassen sich die physikalischen Vorgänge in der Atmosphäre mittels mathematischer Gleichungen recht genau beschreiben. Gleichzeitig ist der Rechner in der Zentrale des DWD so leistungsstark wie etwa 10.000 handelsübliche PC. Gefüttert wird er mit weltweit gesammelten Wetterdaten wie etwa Temperatur, Luftdruck, Wind, Luftfeuchtigkeit. Doch selbst dieser Megarechner gerät beim Wetter an seine Grenzen. Die Vorgänge sind extrem komplex. „Wer die fehlerfreie, perfekte Vorhersage für den nächsten Tag haben will“, sagt Sven Plöger, „müsste für jeden Zeitpunkt die Position jedes Moleküls kennen.“
Die perfekte Wettervorhersage wird also ein Wunschtraum bleiben. Aber die Prognosen dürften noch treffgenauer werden, denn die Computertechnologie entwickelt sich ständig weiter. Auch die Mathematik hinter den Modellgleichungen dieser numerischen Meteorologie wird immer ausgefeilter, und Wettersatelliten sammeln immer mehr Daten. Exaktere Werte aber liefern weiterhin feste Wetterstationen. Doch die sind weltweit ungleich verteilt.
Megarechner und Bauchgefühl
Die globale Datenmenge, die analysiert werden muss, nimmt weiter zu, und damit auch die Herausforderungen für die Meteorologen. „In modernen Wettermodellen stecken so viele Parameter, dass ein Mensch alle Wechselwirkungen gar nicht mehr allein überblicken kann“, erklärt Plöger. Doch gleichzeitig steht für ihn fest: Ein Wetterbericht muss mehr sein als Algorithmen. „Jeder Meteorologe benötigt für die Arbeit immer auch etwas Bauchgefühl oder Intuition. Zudem geht es darum, bei Warnungen verbal den richtigen Ton zu treffen, damit die Botschaft auch ankommt.“
Mensch und Maschine: Für den Wetterbericht der Zukunft sind wohl beide unverzichtbar.
TVTIPP
Klima extrem – Wetter außer KontrolleDOKU StürmeSO 10.11.19.05 NTV
Start eines Wetterballons. Später wird eine Datensonde an einem kleinen Fallschirm hinabsegeln
Luftfeuchtemessung mithilfe eines sogenannten Schleuderpsychrometers
Auch Radioaktivität in der Luft und im Regen kontrollieren Forscher regelmäßig
Bojen liefern den Wissenschaftlern extrem wertvolle Wetterdaten
Die Datenkontrolle ist in vielen Wetterstationen noch immer Handarbeit
FOTOS: S. 12–13: ARMYAGOV/SHUTTERSTOCK, SEBASTIAN KNOTH FOTOGRAFIE, WUEST/DÜCKER/DPA PICTURE-ALLIANCE (2); S. 14–15: JO WILHELM ARTS/HEIMANN/DEUTSCHER WETTERDIENST (5), PR, GETTY IMAGES; INFOGRAFIK: TV DIREKT