... Straße bleibt es bei der Großen Koalition: schwarzer Benz, roter Scholz. Allerdings wollten sich die Schwarzen ja erneuern. Und das haben sie getan. Das neue politische Schwergewicht heißt: Mercedes S 680 Guard 4Matic. Ein 4,2-Tonnen- Monstrum, Zwölfzylinder (gibt es sonst nur im Maybach), 190 km/h schnell (mehr schaffen die Reifen nicht), im Rückwärtsgang immerhin noch 60 km/h. Die ersten werden demnächst an die Regierung ausgeliefert. Stückpreis: rund 540 000 Euro. Ein Panoramadach gibt es nicht mal gegen Aufpreis, das leuchtet ein. Genauso wenig Over-the-air-Updates (wegen möglicher Hackerangriffe) und Head-up-Display, weil dafür die Frontscheibe zu dick ist.
Vorn auf dem Fahrersitz hat Steffen Schierholz Platz genommen. Kein BKA-Mann, aber auch bewaffnet bis an die Zähne, und zwar mit Informationen zum Behörden-Benz Nr. 1. Im normalen Leben schafft Schierholz als Pressesprecher bei Mercedes- Benz. Heute schafft er ein kleines Wunder: Direkt vorm Abgeordnetenhaus friemelt er an den Standartenhalter eine Deutschland-Fahne, die noch von der letzten EM übrig ist, während die Abgeordneten- Chauffeure interessiert zugucken. Dann holt er eine Rundumleuchte aus dem Kofferraum, klemmt sie aufs Dach – und stellt sich mit flatternden Fahnen und eingeschaltetem Blaulicht direkt vor den Reichstag. (Natürlich nur kurz fürs Foto. Liebe Kinder, nicht nachmachen!)
Zwei Ordnungsamt-Mitarbeiter schreiben derweil Parksünder auf, die S-Klasse bleibt unbehelligt. Auch Blech-Kleider machen offenbar Leute.
So, Herr Schierholz, erzähl’n Se dem Kanzler von Köpenick hinten rechts mal die Geheimnisse des Guard. „Wir produzieren den in einem besonders gesicherten Werk in Sindelfingen. Knapp 60 speziell geschulte Mitarbeiter sind dort beschäftigt.“ Alles Manufakturarbeit. Für eine normale S-Klasse braucht Mercedes rund anderthalb Tage, für den Guard circa 50. Produktionsziel? Solide drei stellig im Jahr. Die Kundschaft: Königshäuser, Unternehmer, Regierungen.
Alles Leute, die nicht auffallen möchten. Und so gilt beim Lack: Alle Farben sind möglich, Haupt- sache es ist Schwarz. „Was ande- res bestellt so gut wie niemand“, sagt Schierholz. Daher wirkt der Guard auf den ersten Blick wie jede x-beliebige lange S-Klasse.
Doch unter dem Blechkleid versteckt sich ein Fahrzeug, das mit der normalen Stuttgarter Oberklasse nicht mehr viel zu tun hat. Die Fahrgastzelle ist so abgeschottet wie im vergangenen Herbst die Koalitionsverhandlungen.
Da wurden, salopp gesagt, nicht einfach ein paar Stahlplatten in die Türen eingeschweißt wie bisher. Der neue Guard ist eigenständig konstruiert, basiert nicht auf dem Serienauto.
MERCEDES S 680 GUARD 4MATIC
Motor Zwölfzylinder, Biturbo, vorn längs
Hubraum 5980 cm 3
Leistung 450 kW (612 PS) bei 5500/min max.
Drehmoment 830 Nm bei 2000/min
Antrieb Allradantrieb/ 9-Stufen- Automatik
L/B/H 5489/1954/ 1508 mm
Leergewicht 4255 kg
0–100 km/h 8,3 s
Höchstgeschw. 190 km/h
Verbrauch 19,5 l/100 km Super
Abgas CO 2 442 g/km
Preis ca. 540 000 Euro
Angriffen der Opposition hält der Kanzler-Panzer somit jederzeit stand. Ganz egal, ob sie von extrem rechts oder extrem links kommen (unten oder oben sind natürlich auch kein Problem). „Der Guard hat die höchste Schutz- klasse VR10“, sagt Schierholz. Nur mal als Anhaltspunkt: Gegen An- griffe mit einem AK47-Schnellfeu- ergewehr hilft schon die Schutz- klasse VR6. Bei diesem Benz hat selbst ein Scharfschützengewehr keine Chance. „Für die Zertifi- zierung wurden beim Beschuss- amt mehr als 300 Schüsse auf das Fahrzeug abgegeben“, sagt Schierholz. Für was es nicht alles ein Amt gibt! Hinzu kam ein wei- terer Test mit 12,5 Kilo Spreng- stoff. Alles bestanden.
Allein die Türen wiegen 180 Kilo – pro Stück. Damit man sie überhaupt öffnen kann, sind sie mit einer speziellen Mechanik ver- sehen. Schwer geht’s trotzdem auf und zu. Egal, macht ja der Fahrer.
Brennt das Fahrzeug, aktiviert sich eine Löschanlage unter dem Fahrzeug und im Motorraum. Bei Giftgasangriffen sorgt die Frischluftanlage für einen Überdruck in der Fahrgastzelle. Waffen sind nicht an Bord, dafür Massagesessel, Fernsehen, WLAN und ein Panikknopf. „Werde ich dann rauskatapultiert, wenn ich den drücke?“, frage ich Chauffeur Schierholz. „Nein, dann schaltet das Auto alles ein, was an Lichtern und Sirenen vorhanden ist, um auf sich aufmerksam zu machen.“
Wenig Regierungserfahrung scheint noch das MBUX-System zu haben. Als wir vorm Außenministerium per Sprachsteue- rung das Ziel „Schweizer Bot- schaft“ angeben, will das System nach Dortmund – warum auch immer. Sei’s drum, dafür kennt es die Botschaft von Brunei.
Ach ja, wer unterwegs nach dem Weg fragen oder staatsmännisch winken will, muss die Fensterheber als Extra bestellen. Denn für das schwere Panzerglas braucht es eine spezielle Hydraulik. „Kostet rund 10 000 Euro Aufpreis“, sagt Schierholz.
Immerhin, die Steuersenkung ist Serie – einfach links neben dem Lenkrad den Knopf drücken.
So, Herr Schierholz, wo kann ich den jetzt bestellen? „Einfach bei Ihrem Mercedes-Händler.“ Okay, aber dafür muss ich zu Hause mit meinem Koalitionspartner erst mal einen Nachtragshaushalt verabschieden.