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Der Titelgewinn des SCM hat mich sehr gefreut


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Sport Bild Sonderheft Handball Bundesliga - epaper ⋅ Ausgabe 1/2022 vom 24.08.2022
Überraschender Triumph: Der SC Magdeburg wurde zum ersten Mal seit 2001 Deutscher Meister ? mit 32 Siegen in 34 Spielen

SPORT BILD: Herr Bohmann, ist die Bundesliga noch die stärkste Liga der Welt

FRANK BOHMANN (57): Der Wettbewerb wird schon deutlich härter. Das darf man aber nicht an einzelnen Spitzenklubs wie dem FC Barcelona messen, der selbstverständlich zu den besten Klubs der Welt gehört und bei uns wahrscheinlich auch Meister werden könnte. Die spielen allerdings in einer Liga, wo sie konkurrenzlos sind und seit zehn Jahren kein Spiel verloren haben. Das ist bei uns nicht der Fall. Die größte Ansammlung von Spitzenmannschaften und Weltstars gibt es bei uns in der HBL. Und schließlich hat die HBL in den letzten zehn Jahren auch die meisten europäischen Klubtitel gewonnen. Die höchsten Zuschauerzahlen, die größten Umsätze und die weltweit beste mediale Verbreitung zeigen zudem, dass wir immer noch allen anderen Ligen ein großes Stück voraus sind.

Gibt es dennoch andere Ligen, auf die Sie neidvoll schauen?

In Skandinavien ist derzeit nicht nur viel Investorengeld unterwegs. Die Nationalmannschaften performen aktuell deutlich besser als unsere. In Dänemark, Schweden und zum Teil auch in Norwegen kommt Handball gerade sehr groß an. In Dänemark ist Handball die Nummer eins, die machen sich komplett unabhängig vom Fußball. Wir schielen hier immer noch zu oft auf den Fußball und überlegen, was wir übernehmen können. Das ist falsch.

Wie sehr haben die jüngsten Misserfolge der Nationalmannschaft der Bundesliga geschadet?

Ich würde nicht von Misserfolgen sprechen. Es ist eine Frage der Erwartungshaltung. Vor zehn Jahren haben wir gemeinsame Missionen ins Leben gerufen, dann wollten wir 2020 Olympiasieger werden. Das hat nicht funktioniert, und davon sind wir auch ein ganzes Stück entfernt. Der EM-Titel 2016 war nicht unbedingt Zufall, aber es war auf keinen Fall das Resultat systematischer Arbeit. Bei den Nationalteams sind wir den Skandinaviern, aber auch den Franzosen und Spaniern derzeit unterlegen.

Wie sehr haben Sie sich persönlich über die Deutsche Meisterschaft des SC Magdeburg in diesem Jahr gefreut?

Ich achte strikt auf Neutralität, aber das hat mich sehr gefreut, weil die Meisterschaft Ergebnis eines langen Strategieprozesses ist. Die Mannschaft besticht nicht nur durch glänzende Einzelspieler, sondern es passt beim SCM ein Zahnrädchen ins andere, die haben ihre ganz eigene Spielphilosophie. Auch wenn ich zu keiner Mannschaft halte, hat mich der Titelgewinn des SCM sehr gefreut.

HBL-Boss Bohmann schwärmt von der Ausgeglichenheit der Liga und erwartet noch mehr Titel-Kandidaten

Frank Bohmann ist seit 2003 Geschäftsführer der Handball-Bundesliga (HBL) Sander Sagosen, der zurzeit beste Spieler der Welt, wird dem THW Kiel noch lange fehlen. Der Norweger hatte sich im Juni einen Bruch im linken Sprunggelenk zugezogen, fällt acht Monate aus. Bohmann sieht Kiel dennoch als Titelkandidat

Warum?

Die hervorragende sportliche Entwicklung war nur möglich, weil der SCM auch unternehmerisch erstklassig geführt wird. Nach vielen wirtschaftlich schweren Jahren steht der Klub bilanziell sehr gut da, die Unterstützung der Fans in der Stadt und im Bundesland ist riesengroß. Der SCM ist jetzt der vierte Meister in den vergangenen sechs Jahren. Das zeigt, dass wir eine große Ausgeglichenheit auf sehr hohem Niveau haben. In der neuen Saison spielt mit den Füchsen Berlin vielleicht noch eine weitere Mannschaft um den Titel mit. Um einen spannenden Wettbewerb brauchen wir uns wirklich keine Sorgen zu machen.

Wer wird denn in der neuen Saison um die Meisterschaft spielen? In den vergangenen Jahren wurden ja meist ausschließlich Flensburg und Kiel gehandelt.

Der Kreis der Favoriten ist eindeutig größer geworden. Die beiden werden sicherlich auch wieder dazugehören. Wie auch Magdeburg und Berlin. Einige andere sind zuletzt deutlich unter ihren Möglichkeiten geblieben, wie die Rhein-Neckar Löwen oder MT Melsungen.

Die Nationalmannschaft spielte bei den letzten Turnieren glücklos, landete bei der EM im Januar auf Platz sieben. Für Bohmann ein strukturelles Problem

Was gerade bei Melsungen niemand versteht. Haben Sie eine Erklärung?

Ich kann auch nicht sagen, woran es liegt. Von ihrem System her und finanziell gehören sie zur Spitze – und ich glaube, da kommen sie auch eines Tages hin. Eines ist klar: Deutscher Meister wird immer eine Mannschaft, die lange zusammengespielt hat und nicht kurzfristig zusammengestellt worden ist. Daran müssen die Melsunger sicherlich noch arbeiten.

Worauf freuen Sie sich in der neuen Saison am meisten?

Dass wir eine Saison vom ersten bis zum 34. Spieltag ohne Einschränkungen zu Ende spielen können. Wir sind ja zuletzt von einer Krise in die nächste geschlittert. Eines ist auch klar: Die LIQUI MOLY HBL muss, um konkurrenzfähig zu bleiben, ihren Etat in den nächsten fünf Jahren verdoppeln! Um gegen neue Finanziers – sei es in Kielce, sei es in Kolstad, sei es in Aalborg – mitzuhalten. Das geht nur, wenn wir klare Strategien verfolgen, mit dem neuen Medienvertrag auch multimedial in ein ganz neues Zeitalter aufbrechen.

Was gab den Ausschlag für S Nation Media bei der Vergabe der Fernsehrechte ab 2023?

Dem Zuschlag für S Nation Media ging ein rund einjähriger Ausschreibungsprozess voraus. Wir haben im Vorfeld gemeinsam mit den Gesellschaftern der 1. und 2. HBL unsere Zielsetzungen festgelegt. Hierbei spielte der Rechteerlös eine eher untergeordnete Rolle. Viel höher bewertet haben wir Parameter wie Reichweitensteigerung und den Zugang zu neuen Zielgruppen. So richtig unsere Entscheidung war, vor fünf Jahren zu Sky zu wechseln, bin ich jetzt überzeugt, dass S Nation die ideale Ausspielungsplattform für die Wettbewerbe unserer 1. und 2. Bundesliga ist.

In der neuen Saison wird es neue Regeln geben

Da werden wir als Bundesliga oft von den internationalen Spitzenverbänden vor vollendete Tatsachen gestellt. In die Neuauslegung der Regeln sind wir – wie auch die anderen Spitzenligen – überhaupt nicht eingebunden worden. Das Feedback von uns hätte der Regelgeber, der Weltverband IHF, ganz gut gebrauchen können.

Wie finden Sie persönlich die jetzt in Kraft tretenden neuen Regeln?

Die Vier-Pass-Regel nach dem Vorwarnzeichen der Schiedsrichter beim Zeitspiel halte ich für gut. Die Zwei-Minuten-Strafe für Kopftreffer wurde in Schweden erprobt. Ergebnis: Es gab nicht weniger Kopftreffer. Die erweiterte Anwurfzone wird das Spiel noch einmal schneller machen. Für die Amateurvereine wird die Umsetzung aber sehr schwer. Die notwendigen Linien sind auf den Hallenböden gar nicht vorhanden. Das anzupassen kostet viel Geld. Und wenn wir am Ende unterschiedliche Regeln in den oberen und unteren Ligen haben, wäre das eine Katastrophe. Zur Umsetzung dieser Regeln bräuchten wir viel mehr Vorlauf. Uns wurde es im Januar mitgeteilt – viel zu kurzfristig!

Sie haben im Gespräch mit uns schon vor zwei Jahren angeregt, dass Handballer ein anderes Outfit brauchen. Verfolgen Sie diesen Gedanken immer noch?

Ja, das ist ein ewiger Prozess, den ich schon 2003 angeschoben habe, als ich HBL-Geschäftsführer geworden bin. Ich möchte, dass der Handball ein Outfit bekommt, wo der Handballer als solcher sofort zu erkennen ist. Wie zum Beispiel ein Basketballtrikot auf Anhieb einen Basketballer kenntlich macht. Unsere Trikots ähneln zu sehr denen aus dem Fußball. Eine leicht erkennbare Passform des Trikots würde dem Handball guttun. Das könnte z.B. auch ein Tanktop sein. Das hat bisher keine andere Sportart.

DAS IST FRANK BOHMANN

Bohmann, geboren am 20. November 1964 in Krefeld, ist seit Juni 2003 Geschäftsführer der Handball Bundesliga GmbH (HBL). Der dreifache Familienvater mit Wohnsitz in Bonn hat sich zuvor als Manager und Vertriebsleiter beim Dualen System Deutschland (DSD) und als Geschäftsführer der Metro-Tochter Primus-Online Shopping GmbH Deutschland und Schweiz einen Namen gemacht. 1988 krönte der Marathonläufer und Ex-Hockeybundesliga-Spieler bei Leverkusen und Bonn seine Laufbahn mit dem Titel des Studenten-Europameisters im Hockey in Bologna (Italien).

Bohmann beim Interview mit Reporter Beckedahl (r.) in Köln Julius Kühn blieb mit Melsungen zuletzt weit hinter den Erwartungen. Bohmann rechnet damit, dass die Hessen diesmal weiter oben landen

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