... 2019 in Deutschland losgeworden. Die Zahl wird wichtig werden, wenn AMG-Technikchef Jochen Hermann gleich in einer hängenden Eifel-Kurve bei richtig Tempo das Vorderrad auf den Fahrbahnrand stellt und nach vollbrachter Tat wieder in seinem persönlichen Cruiser-Modus über die welligen Nebenstrecken gleitet.
Bis dahin schauen wir uns kurz um. Wir sitzen schließlich in einem neuen Mercedes SL, und das war in der Auto-Geschichte noch immer ein Ereignis. Angefangen beim Flügeltürer im Jahr 1954 setzten die Autos Maßstäbe über die Marke hinaus und prägten ihren Ruf.
Das soll auch der kommenden Baureihe R 232 gelingen, die heute kurz unterm Tuch hervorgezogen wurde, bevor sie Mitte Oktober offiziell vorgestellt werden wird.
Erstmals bei Mercedes-Tochter AMG entwickelt, basiert sie auf der zweiten Generation der hauseigenen Alu-Struktur, die auch den kommenden AMG GT tragen wird. Insofern ist sie nicht nur Nachfolgerin des bisherigen SL, sondern auch des AMG GT Roadster, den es nicht mehr geben wird. Höchstens sehr unzulänglich ersetzt sie dagegen das ebenfalls sterbende S-Klasse-Cabrio, obwohl erstmals seit den seligen Baureihen 107 und 129 wieder Rücksitze da sind. „Die Frage ist ja, wer sich da hinten reinsetzt“, grinst Hermann.
ERSTER EINDRUCK
Das mögen wir und das nicht Anders als der Vorgänger wirkt dieser SL optisch und technisch stimmig. Ein Technologieträger wie seine Ahnen ist er aber nicht.
So was ist ihm aber auch völlig egal. Es war eine grundsätzliche Konzern-Entscheidung, die Produktpalette zu straffen und den zum Stückzahlen-Winzling geschrumpften SL als Sportwagen mithilfe der AMG-Plattform zu retten: „Wer jetzt einen SL kauft, kriegt ihn nicht ohne unser Logo. Das ist ein AMG!“, sagt Hermann.
Er weist auf die nach vorne verlegte Sitzposition fast mittig zwischen den Achsen hin, die bessere Orientierung ermöglicht – dringend nötig, denn für winklige Straßen ist die Fahrzeugbreite grenzwertig. Folge des kürzeren Bugs: V8 wie der bereits bekannte Vierliter hier und Reihenvierzylinder passen rein. Die längeren Reihensechszylinder, auf die Mercedes umgestellt hat, aber wohl nicht. Um Details wird Geheimniskrämerei betrieben, so wie um die Zahl der Varianten mit Stecker.
Und damit wären wir bei der hängenden Kurve, in die Hermann den SL so grundfalsch einlenkt, dass er gleich warnt: Demonstration! Das Rad rollt am Scheitelpunkt auf den letzten pockigen Zentimetern vor der Grasnarbe, Splitt klackert im Radhaus: „Es bleibt exakt da, wo ich hinlenke! Sportlichkeit bedeutet Präzision; dass das Auto an der gleichen Stelle immer exakt das Gleiche macht.“
Dann cruist er weiter, und der SL federt die Wellen der Eifelstraßen selbst dann aus wie ein Sportwagen, wenn der Schalter im Dreispeichenlenkrad auf Komfort steht: trocken und straff gedämpft, ohne nachzuschwingen. „Schön dahinrollen, das muss ein SL können“, sagt Hermann. Und oberhalb von Ortsgeschwindigkeit ist er tatsächlich nicht unkomfortabel (wobei bei höherem Tempo auf welliger Strecke einmal leichtes Hinterachs-Poltern zu hören ist). Aber ein Luxus-Coupé fährt anders, und der Punkt ist gemacht: Wer künftig SL kauft, sollte Spaß an Fahrdynamik haben.
Und damit sind wir bei den 294 Neuzulassungen. 50 Jahre lang war der SL zum Komfort-Auto gesetzterer Herrschaften geworden. Das galt gerade für die bisherige Baureihe 231. Auf die wird Mercedes künftig verzichten müssen. Aber es sind ja nicht mehr viele übrig.
FAZIT
HENNING HINZE
Fahrwerk, Sitze, Antrieb - alles folgt einer Idee: Sport wagen. Das überzeugt mich, aber der Bruch mit der traditionellen (Rest-)Klientel ist ein offensichtliches Risiko.
GROSSE TRADITION
MERCEDES SL 350-65 AMG (R 230) 2001-2011
Erstmals mit Alu-Klappdach. AMG-Versionen mit bis zu einem Drittel Verkaufsanteil. Schwerste SL-Re ihe
MERCEDES SL 350-65 AMG (R 231 ) 2012-2020
Alu-Karosserie, Klappdach mit elektrisch abdunkelbarem Glas, bis zu zwölf Zylinder und 630 PS
AMG GT ROADSTER 2016-2021
Karosserie, Fahrwerk und Antrieb von AMG mit Hilfe und Teilen von Mercedes. Seit 2014 als Coupé