... Jahren. Am 13. September 1949, zwei Tage vor der Wahl Konrad Adenauers zum ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, hoben zahlreiche Flüssiggas-Versorger in Hannover ihre Interessenvertretung aus der Taufe.
Die verbandspolitische Gegenwart werde mit der Energiewende von einem Thema dominiert, so Stücke, das weit in die Zukunft ausstrahle. Das Klimaabkommen von Paris strebe eine drastische Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis 2050 an. Der deutsche Beitrag zu diesem Ziel gelte angesichts verpasster Ziele für 2020 und wackeliger Aussichten für 2030 als optimierungsbedürftig.
Stücke kritisierte, dass die Energiewende im Wärmemarkt vorrangig entlang des Erdgasnetzes dekliniert werde. Der ländliche Raum mit seinem Potenzial für moderne Flüssiggasanwendungen fände kaum Beachtung. „Eine Energiewende, die sich allein den Globalisierungsgewinnern in den urbanen Zentren verbunden weiß, wird scheitern!“ Stücke verlangte, den ländlichen Raum auf dem Weg zu den CO2-Zielen des Jahres 2030 offensiv einzubinden. Schon mit dem konventionellen Energieträger Flüssiggas seien bei der Reduzierung von Treibhausgasen und Luftschadstoffen umgehend signifikante Erfolge zu erzielen
Das Engagement des DVFG greife aber mit Partnern wie der Deutschen Energie Agentur oder dem Power-to-X-Netzwerk weiter. „Wir analysieren mit Nachdruck die technischen und ökonomischen Voraussetzungen des Erfolges synthetisch oder biogen erzeugten Flüssiggases“.
Stücke schloss seine Rede mit einer optimistischen Prognose. Zum 80. Gründungsjubiläum im Jahr 2029 stehe dekarbonisiertes Flüssiggas breit verfügbar und bezahlbar im Markt zur Verfügung
Impulsreferat
Thema des ersten Vortragstags war die „Zukunft von Flüssiggas im Wärmemarkt“. Als Einstimmung auf die folgende Podiumsdiskussion hielt der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Thomas Bareiß (CDU), ein einleitendes Impulsreferat, in dem er für eine „breit gefächerte“ Energiewende plädierte.
Technologieoffenheit gewinne zunehmend an Bedeutung. Die angestrebte Umstellung von Erdöl auf Gas sei – gerade in ländlichen Bereichen – ohne Flüssiggas nicht machbar. Und mit Elektrifizierung allein könne man den jährlichen Wärmebedarf in Deutschland von 240 TW/h keinesfalls abdecken.
Drei Forderungen müssten laut Bareiß erfüllt werden, um der angestrebten Klimaneutralität entscheidend näher zu kommen:
• mehr Effizienz,
• mehr erneuerbare Energieträger – auch Bio-LPG,
• stärkere Sektorkupplung.
Eine Investitionsoffensive könne helfen, die Klimaziele 2030 doch noch zu erreichen. Es gehe in erster Linie darum, Anreize zu schaffen anstatt Druck auszuüben.
Dem Ruf nach klimaneutralen Gebäuden stehe die ernüchternde Sanierungsrate von momentan 1% gegenüber. Um hier Verbesserungen zu erreichen, müssten Investitionen vereinfacht werden. Außerdem plädierte Bareiß dafür, die vier bestehenden Marktanreizprogramme zu einem Gebäudeenergieprogramm zusammenzufassen. Bessere Digitalisierungsmaßnahmen, passgenauere Sanierung, die Kombination von Erneuerbaren Energien und eine Energieberatung vor Ort seien nötig, um energetische Sanierungen voranzutreiben. Das Gebäudeenergiegesetz (auf der Grundlage der ENEV 2016) solle auch auf energetische Sanierung anwendbar sein. Das Ziel bezahlbares Bauen könne nur erreicht werden, wenn schrittweises Investieren ermöglicht würde – sei es auch nur in Elektromobilität, Leerrohre oder Steckdosen.
Auf dem Podium (v.l.n.r.: Thomas Bareiß (CDU), Timon Gremmels (SPD), Dr. Julia Verlinden (Bündnis 90 / Die Grünen), Prof. Dr. Martin Neumann (FDP), Gerold Happ (Haus und Grund). Moderiert wurde die Diskussion von dem Stellvertretenden Vorsitzenden des DVFG, Jobst-Dietrich Diercks.
Podiumsdiskussion
Wenige Tage vor der Veranstaltung hatte das Bundeswirtschaft sministerium den Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes vor gelegt. Die Podiumsdiskussion zur „Energiewende im Wärmemarkt“ stand ganz im Zeichen dieses Entwurfs, der kurz zuvor in die Verbände anhörung gegeben worden war. Jobst-Dietrich Diercks, Stellvertretender Vorsitzender des DVFG, moderierte die Veranstaltung. Neben Th omas Bareiß (CDU) nahmen Timon Gremmels (SPD), Dr. Julia Verlinden (Bündnis 90 / Die Grünen) und Prof. Martin Neumann (FDP) daran teil. Als Vertreter der Haus-, Wohnungs und Grundeigentümer saß Gerold Happ (Haus und Grund) auf dem Podium
Was die Bedeutung des Wohnungsmarkts für die Erreichung der Klimaziele anbelangt, waren sich die Vertreter aller Parteien einig: Verlinden sieht darin ein „Riesenpotenzial“, Gremmels ein „großes Potenzial“, „Neumann „eine große Chance“. Gremmels wies noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass bei Nichteinhaltung der zugesagten CO2-Minderung Strafzahlung von 30 bis 60 Mio. drohten. Bei einem durchschnittlichen Alter von 17,6 Jahren pro Heizungsanlage gebe es dringenden Handlungs bedarf: „Wir sind im Wärmebereich bei gerade mal 15 %.“ Happ sah die Sache etwas anders. Seiner Meinung nach handelt es sich beim Gebäudebereich keineswegs um den viel zitierten „schlafenden Riesen“. Er betonte, nur die Landwirtschaft hätte einen noch geringeren Anteil an den Treibhausgas emissionen. Bei 62 % CO2-Minderung im Gebäudesektor müsse man wohl eher von einem „hyperaktiven Zwerg“ sprechen.
Gremmels betonte: „Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem“. Effi zienz allein reiche nicht. Sein Verbesserungsvorschlag war, an drei Stellschrauben gleichzeitig zu drehen: dem Ordnungsrecht, dem Steuerrecht und den Förderprogrammen. CO2-Bepreisung sei ein wesentlicher Baustein. Verlinden warb für den Aktionsplan „Faire Wärme“ der Grünen. Der Gebäudesektor sei sehr divers. Es müssten Mindeststandards eingeführt werden, die – wie das Beispiel der Glühbirne zeige – zu technologischer Weiterentwicklung führten. Ganz anderer Ansicht war Neumann: Verbote schafft en keine Akzeptanz. In Deutschland gebe es 15 Mio. Einfamilienhäuser, deren Eigentümer mit ständig nachgebesserten Verordnungen heillos überfordert seien.
Diercks fasste das Dilemma zusammen: „Politik will alles auf einmal, während die Kunden Stufenpläne wollen“. Neumann verwies in diesem Zusammenhang auf Ener gieberatungen, die solche Stufenpläne erarbeiteten. Auch Gremmels unterstrich die Bedeutung unabhängiger Energieberatung. Bareiß gab zu bedenken, dass man Hauseigentümer nicht überfordern dürfe. Deutliche Kritik am Status quo kam von Julia Verlinden: Die Bundesregierung wolle im Gebäudesektor gar keine Veränderung, das GEG gebe keine Orientierung, wohin die Reise geht. Einfl ussnahme von außen sei erwünscht.
Auf die Gretchenfrage nach dem Stellenwert von Flüssiggas für die Energiewende antwortete sie ausweichend: Der CO2-Faktor müsse integriert werden – ener gie- und technologieoff en. Biobrennstoff e sollten eher in Prozesswärme und Mobilität umgesetzt werden, sie seien viel zu wertvoll für Gebäudeheizung. Timo Gremmels, der sich als leidenschaft - licher Flüssiggas-Griller outete, umging die Frage mit einer persönlichen Bemerkung: „Ich komme aus Kassel und kaufe da immer Progas.“ Bareiß bezeichnete den Ausstieg aus allen drei großen Energien (Atom, Kohle und Gas) als „Harakiri“. Dennoch sei er (innerhalb von 3 Dekaden) alternativlos. Gas müsse dringend „vergrünt bzw. verblaut“ werden. Neumann ermahnte zum Pragmatismus. Es gehe um die Fragen „Wieviel Energie stecke ich in das Gebäude? Dämmung 1 cm? Mit welchem Aufwand kriegen wir die geringsten CO2-Vermeidungskosten?“
In der Publikumsdiskussion bemängelte der DVFG-Geschäft sführer Stücke, dass Bareiß den Dialogprozess 2030 nicht angesprochen hätte, der ausschließlich auf leitungsgebundenes Gas eingehe. Flüssiggas müsse dringend integriert werden. Darauf Bareiß: „Energieträger gegen einander ausspielen wird die nächsten Jahre nicht mehr funktionieren. Ein Viertel der Bevölkerung lebt im ländlichen Raum.“
Eine Publikumsfrage betraf die Zukunft der Fernwärme, die zum großen Teil auf Kohle aufb aue. Immerhin habe der Fernwärmemarkt einen Anteil von 13 % am Gesamtwärmemarkt. Hier bot Gremmels Müllverbrennung als Lösung an, wie sie in Kassel schon praktiziert werde. Neumann schlug die Verlängerung der Kraft - Wärme-Kopplung vor.
Im Anschluss an die Diskussion resümierte der Vorsitzende des Deutschen Verbands Flüssiggas e. V., Rainer Scharr: „Aus Sicht der Flüssiggas-Branche zeigt die nun vor liegende Version [des GEG] keine Fortschritte im Vergleich zum Arbeits entwurf, der im vergangenen November publik wurde“. Bio-LPG sei bereits seit über einem Jahr auf dem deutschen Markt verfügbar, werde aber im Entwurf nicht berücksichtigt. Auch vermisse man die Anrechenbarkeit über ein Massen bilanzsystem. Seine Forderung an die Politik: „Wir brauchen eine ange messene gesetzliche Verankerung in die angestrebte Neuordnung des Wärmemarktes“.
Andreas Frömmel, Sunfire GmbH:
Umweltfreundlich, wartungsarm und hocheffizient – LPG-betriebene Brennstoffzellen für netzferne Anwendungen
Das Endziel ist klar definiert: Eine Null-Emissions-Gesellschaft. Der erste Schritt dahin – so Andreas Frömmel – müsse sein, vorhandene Treibstoffe hocheffizient zu nutzen. Dampf-Elektrolyseure und Hochtemperatur-Brennstoffzellen könnten in Zukunft den Gesamtenergiebedarf CO2-neutral decken. Damit ließen sich aus Öko-Strom SynFuels und synthetische Gase sowie grüner Wasserstoff für Industrieanwender produzieren. Ab dem nächsten Jahr würden hier die ersten Projekte im Multi-MWMaßstab geplant. Unterschiedliche Brennstoffe auf Kohlenwasserstoffbasis können über die Brennstoffzelle hocheffizient in Strom und Wärme umgesetzt werden. Für die private Wärmeversorgung plane die Sunfire Fuel Cells GmbH 2020 die Markteinführung des Festoxid-Brennstoffzellen-Systems „Sunfire-Home“ in Deutschland [siehe FLÜSSIGGAS 2/2019, S.31]. In Verbindung mit einem Warmwasserspeicher und einem Spitzenlastkessel könne man mit dieser Mikro-KWK-Lösung sauberen Strom und saubere Wärme in EFH produzieren – laut Roland-Berger-Studie bei einer Reduzierung des Gesamt-Primärenergieverbrauchs um 24%. Die keramischen Brennstoffzellen aus SOFC-Hochtemperatur-Stacks seien zwar weniger flexibel als Niedrigtemperaturbrennstoffzellen (PEM), böten allerdings Hochtemperaturwärme für Bestandsheizungen bei Sanierungen. Dank LPG-Betrieb könne man sie netzungebunden einsetzen. In entlegenen Gebieten und unter Extrembedingungen könne das LPG-betriebene „Sunfire-Remote“ CO2–neutral Strom erzeugen [siehe S.33], eine leistungsstarke Hybrid-Lösung aus LPG und PV (mit Batterie für Spitzenlasten) zur autonomen Energieversorgung biete die „Sunfire-Remote“ als Pkw-Anhänger.
Andreas Frömmel, sunfire GmbH.
Eric Johnson, Atlantic Consulting:
Wege zu Bio-LPG
Allen Unkenrufen zum Trotz ist die Dekarbonisierung bereits in vollem Gange, so Eric Johnson. Als Beleg zeigte er eine Grafik über den Wandel des Kohlenstoffgehalts in der Elektrizität von 2008 bis 2017. In den letzten 4 bis 5 Jahren sei die Produktion von Bio-LPG weltweit um 50% gestiegen – allerdings ohne Beteiligung Deutschlands. Das Potenzial für Bioproan aus natürlichen Fetten und Ölen sei gering. Mit Co-Processing, dem neuen Trend, könne man hingegen genügend LPG produzieren. Bei dieser Methode werde in herkömmlichen Raffinerien mit abgeänderten Hydrotreatern aus Bio-Öl und Petroleum Bio-Propan bzw. Biodiesel hergestellt. Großer Vorteil des Drop-in-Fuels: Infrastruktur und Verfahrenstechnik seien bereits vorhanden, was deutlich geringere Kosten bedeute. 80 – 90% Dekarbonisierung könnten damit erreicht werden.
Die größten möglichen Rohstoffquellen für Bio-LPG weltweit sieht Johnson in Cellulose und Siedlungsabfall. Ein durchaus denkbares Szenario: 125 Mio. t daraus produzierter Bio-Treibstoff im Jahr 2050. Vorreiter der Methode seien die skandinavischen Länder; in Japan wandle man Holz in LPG um. Als möglichen Grund, die Produktion von BioLPG voranzutreiben, führte Johnson die allgemeine Beliebtheit von flüssigen Brennoder Treibstoffen an, als einzig vernünftigen Verfahrensweg die Herstellung von SynGas aus Cellulose und die anschließende Weiterverarbeitung zu Treibstoff nach Fischer-Tropsch.
Eric Johnson, Atlantic Consulting.
Prof. Dr. Thomas Heinze, Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes:
Autogas-Technik: Update zur Weiterentwicklung von Umrüstungen
Heinze betonte, Flüssiggas sei aufgrund seines hohen Energiegehalts und seiner hohen Klopffestigkeit „einer der besten Kraftstoffe, die wir aus dem Erdöl gewinnen können“, mit „90 – 99% reduzierter Partikelbildung“. Problematisch sei, dass die gängigen Methoden der Umrüstung für die wachsende Zahl der Kunden mit DirekteinspritzerMotoren nicht geeignet seien. Den gezeigten Schwachpunkten setzte Heinze die Vorteile der „Becker-Methode“ gegenüber, bei der ein hydraulischer, von Benzin betriebener Wandler das Autogas von 5 auf 150 – 350 bar für die Direkteinspritzung komprimiert [siehe FLÜSSIGGAS 1/2019, S. 16f]. Benzin werde hier nicht verbraucht, sondern in den Antriebskreislauf zurückgeführt. Ein weiterer Vorteil: Die Einheit könne unabhängig vom Fahrzeug produziert werden. Bei Kosten von ca. 2700 Euro lohne sich der Einbau bei einer Fahrleistung ab 10000 km/Jahr. Die Langzeit- und Haltbarkeitstests gäben Anlass zur Hoffnung, einige Fahrzeughersteller hätten bereits Interesse signalisiert. Eine kleine Vorserie soll noch in diesem Jahr auf den Markt kommen.
Prof. Dr. Thomas Heinze, Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes.
Foto: © DVFG / Claudia Konerding