... Füße berührten, die farbenprächtigen Mosaike, die die Wände schmückten, die 18 Meter hohe filigrane Dachkuppel aus Zedernholz, die sich über ihren Häuptern erhob.
Die Effekte dieser Prachtarchitektur wirken auch Jahrhunderte später noch: „Dem Zauber dieses Wunderwerks kann sich kein Besucher entziehen“, meint Prof. Georg Bossong, Sprachwissenschaftler und Buchautor („Das Maurische Spanien“, C. H. Beck, 128 Seiten, 8,95 Euro). „Die Alhambra ist das bekannteste Bauwerk Spaniens und eines der berühmtesten Monumente der Welt.“ Die Doku „Wilde Schlösser: Alhambra“ (siehe TV-Tipp Seite 29) widmet sich vor allem den Naturschätzen der Anlage.
Übersetzt aus dem Arabischen heißt „ Alhambra“ schlicht „die Rote“. Ein Name, der auf die Farbe der Lehmmauern anspielt und das islamische Erbe im heutigen Spanien veranschaulicht. Schließlich währte die muslimische Herrschaft in Granada von 710 bis 1492, fast 800 Jahre. Während dieser Zeit wurde die Region zu einem Schmelztiegel der Kulturen. „Die historische Einmaligkeit liegt genau darin begründet, dass hier Angehörige der drei Religionen Islam, Christentum und Judentum zwar nicht konfliktfrei, aber doch über lange Zeiträume hinweg kooperativ zusammenlebten“, erklärt Prof. Bossong.
PARADIESISCH Wasserspiele und viel Grün: Der Zypressenhof im Palast des Generalife bot Monarchen Erholung und Entspannung
KUNSTVOLL 124 Marmorsäulen umgeben den Löwenhof mit den Wasser speienden Raubkatzen in der Mitte des Platzes
Die Alhambra im Überblick
Gärten, Höfe, Paläste
Die Anlage lässt sich grob einteilen in die Zitadelle Alcazaba, die Paläste der Nasriden und die Medina sowie den Sommerpalast Generalife, der sich außerhalb der Festungsmauern befindet
Gärten – so schön wie imParadies
Andalusien, Mitte des 13. Jahrhunderts: Mohammed I. Ibn al-Ahmar begründete die Dynastie der Nasriden, rief das Emirat von Granada aus – und richtete seinen Herrschaftssitz auf der Alhambra ein. Die Ursprünge der ältesten Teile der Anlage, der Alcazaba, reichen ins 9. Jahrhundert zurück. Mohammed I. ließ die Festung erneuern, kräftig ausbauen und schob den Bau der eigentlichen Palastanlage samt Wasserversorgung, Höfen und Gärten an. Seine Nachfolger verwandelten den Komplex in eine gigantische Märchenwelt aus Tausendundeiner Nacht. Für die Blütezeit der Alhambra sorgte im 14. Jahrhundert Mohammed V., der bedeutendste der Nasriden-Herrscher. „Er brachte dem Land jahrzehntelangen Frieden und konnte sich ganz dem endgültigen Ausbau der Alhambra widmen“, beschreibt Bossong. So gab er den Löwenpalast in Auftrag, in dem die Privatgemächer der königlichen Familie untergebracht waren. Die Zimmer liegen am Löwenhof, der von 124 Marmorsäulen umgeben ist und heute zu den wichtigsten Wahrzeichen der Alhambra zählt. In der Hofmitte tragen zwölf Wasser speiende Löwen einen großen Marmorbrunnen.
Die Baukunst der Nasriden setzte neue Maßstäbe: Fast alle Wände, Säulen und Bögen sind mit Keramiken und feinen Stuckarbeiten überzogen, die Decken aus geschnitztem Holz. Die Gärten wiederum spiegeln die muslimische Vorstellung vom Paradies wider. „Der Zusammenklang von Architektur, Wasserspielen, Poesie und Kalligrafie zeugt von dem äußersten Grad an Verfeinerung, den diese Kultur in ihrer letzten Blütezeit erreicht hatte“, fasst Bossong zusammen. Im 15. Jahrhundert jedoch begann der Einfluss der Nasriden zu bröckeln. Das kleine Reich konnte ohnehin nur überleben, weil es die Oberherrschaft der Christen anerkannte und hohe Tribute zahlte. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts aber setzte das katholische Königspaar Isabella I. und Ferdinand II. alles daran, Spanien unter seiner Herrschaft zu vereinen.
Christliche Könige alsDenkmalschützer
Nach und nach eroberten sie Stadt um Stadt, bis sie nach Granada vorstießen. Von der Übermacht belagert, sah der letzte Nasridenherrscher keinen anderen Ausweg als die Kapitulation. „Er ritt zu den Belagerern hinaus und übergab ihnen am 2. Januar 1492 die Schlüssel der Stadt“, so Bossong. „Die katholischen Könige zogen triumphal in Granada ein und errichteten Kreuze im Thronsaal der Alhambra.“ Es war das Ende der Nasriden – und langfristig der Muslime in Andalusien, die 1609 zu Hunderttausenden ausgewiesen wurden. Die Alhambra aber blieb ihr Erbe: Die katholischen Könige erklärten sie kurzerhand zu ihrer Residenz. „Die spanischen Monarchen betätigten sich als Denkmalschützer“, erklärt Bossong. „Kaiser Karl V. setzte einen monumentalen Renaissancepalast mitten hinein, was nicht für seinen Kunstverstand spricht, aber ansonsten schützten und pflegten alle Könige dieses Monument, so gut sie konnten.“ So versetzt die Alhambra Besucher noch heute in Erstaunen – und zurück in die islamische Blütezeit Andalusiens.
Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Palastanlage
ALCAZABA
Bereits im 9. Jh. soll auf der Anhöhe eine Burg gestanden haben. Die Überreste der heutigen Zitadelle gehen auf das 13. Jh. zurück
1 Alcazaba
2 Waffenplatz
3 Waffenturm
4 Wachturm
5 Gärten an der Festungsmauer
NASRIDENPALÄSTE
Mohammed I., der Begründer der Nasridendynastie, zog im 13. Jh. auf die Alhambra. Seine Nachfolger bauten die Paläste immer weiter aus
7 Mexuar (Verwaltungstrakt)
8 Goldenes Zimmer
9 Comares-Palast und -Turm mit Botschaftersaal
10 Löwenpalast
11 Abencerrajes-Saal
12 Königssaal
13 Saal der Zwei Schwestern
14 Gemächer Karls V.
15 Partal-Gärten
MEDINA UND PALAST KARLS V.
Nach der katholischen Rückeroberung Granadas ließ Karl V. ab 1527 einen Palast mitten in das Areal bauen
6 Palast Karls V.
16 Medina (Palaststadt) mit Gärten und der Kirche Santa María de la Alhambra
GENERALIFE
Idyllischer Rückzugsort vom Trubel in der Alhambra
17 Garten des Generalife
18 Palast des Generalife
13 Hektar
umfasst die ganze Anlage. Das entspricht etwa 18 Fußballfeldern
VIELFÄLTIGE NATUR
Ob Orangenbäume, Zypressen, Rosenstöcke oder Myrtensträucher: In den Gärten der Alhambra sprießen zahlreiche Baum- und Pflanzenarten
REICH VERZIERT
Aufwendige Kalligrafien mit Sprüchen und Gedichten schmücken Mauern und Wände
NATURIDYLL
Wasser für die Alhambra: Vom Hof des Bewässerungskanals im Palast des Generalife aus wird der ganze Komplex versorgt
FOTOS: S. 26-27: AZUMENDI/GETTY IMAGES (GR.), GRÄFENHAIN/HUBER IMAGES (2); S. 28-29: VDOVIN/PEREYRA/AWL IMAGES (2), GRÄFENHAIN/HUBER IMAGES; INFOGRAFIK: HÖRZU; ILLUSTRATION: AZNAR CENAMOR/BRIDGEMAN IMAGES