... einen typischen Familientag.
Bummeln beim Aufstehen
Im Idealfall beginnt das Guten-Morgen-Programm schon am Vorabend. Indem man mit dem Kind die Sachen zum Anziehen für den nächsten Tag herauslegt. Und den Wecker so früh stellt, dass man sich selbst anziehen kann, ehe man das Kind weckt. Wer auch dies nicht auf den letzten Drücker tut, hat schon viel Zeit gewonnen. Ist das Kind dann aufgestanden, wirken Absprachen Wunder. Zum Beispiel: Erst anziehen, dann frühstücken. Dabei sollten Eltern ihr Kind Zeitgefühl, die Verantwortung für ihre Pünktlichkeit selbst zu übernehmen. Wer ein paarmal zu spät zur Schule kommt und sich deshalb mit dem Lehrer auseinandersetzen muss, wird frühmorgens weniger bummeln.
Anders ist es, wenn die Eltern Feuerwehr spielen und es irgendwie immer schaffen, ihr Schulkind mit dem letzten Klingeln ins Klassenzimmer zu schieben: Warum sollte es dann versuchen, selbst auf die Zeit zu achten?
Bummeln auf dem Heimweg
Daran erinnere ich mich gut: Da kommt man nach einem kleinen Spielplatz-Bummel gut gelaunt von der Schule nach gelegentlich an die Zeit erinnern. Erst ab Hause geschlendert und sieht schon von etwa acht Jahren haben Kinder genug Weitem eine sehr besorgte Mutter Aus schau halten. Dass das Mittagessen kalt wird, war noch ihre geringste Sorge, wie ich inzwischen weiß. Was tun? „Vor allem von Kindern nicht erwarten, dass sie schnurstracks von der Schule nach Hause gehen“, meint Beatrix Palt. „Kinder sind verspielt und brauchen nach dem Schultag eine Pause. Besser: Zeitfenster vereinbaren! Und erklären, dass man sich Sorgen macht, wenn der Nachwuchs z. B. eine Stunde nach Schulschluss noch nicht auf der Matte steht.“
Bummeln bei Besorgungen
Einkaufen, Arzt, Friseur: Für meine Freundin Anja ist alles eine große Aktion, wenn Söhnchen David (3) sie begleitet. Deshalb „parkt“ sie den Kleinen oft bei uns oder einer Nachbarsfamilie und macht sich allein auf den Weg. Erziehungswissenschaftlerin Beatrix Palt pflichtet ihr darin bei: „Findet die Unter nehmung in Hetze statt, dann hat keiner etwas davon. Wenn man Kinder mitnimmt, sollte man es sich zeitlich leisten können und den Rhythmus des Kindes akzeptieren.“ Das heißt zum Beispiel:
Das Kind darf sich alleine anziehen, obwohl es länger dauert. Es darf die Münzen selbst in den Fahrschein-Automaten werfen, ohne gehetzt zu werden.
„Erwachsene, die Kindern Aufgaben aus der Hand nehmen, weil sie dann schneller erledigt werden, stehlen ihnen Entwicklungschancen“, bekräftigt der Hamburger Psychologe Michael Thiel.
„Kinder entwickeln sich durch Versuch und Irrtum. Diese Zeit muss man ihnen lassen. So oft wie möglich.“
Bummeln bei Verabredungen
Manche Kinder kommen dauernd zu spät. So wie Marie (8), die Tochter meiner Freun din Ute: Selten schafft sie es pünklich zum Geigenkurs oder zum Sport. „Meist ist die Langsamkeit ein Zeichen von Überforderung“, erklärt Beatrix Palt. „Wenn Kinder einen zu vollen Terminkalender haben oder Hobbys, die nicht gut zu ihnen passen.“ Das kann man tun: Alle wöchentlichen Termine notieren, gemeinsam mit dem Kind nach Wichtigkeit sortieren und die Punkte, die unten auf der Liste stehen, gnadenlos streichen. Mehr als zwei bis drei feste Nachmittagstermine sollten sich Kinder nicht aufbürden – sie brauchen Zeit zum Spielen, Träumen und Basteln.
Last-Minute-Tipps
Was können Eltern tun, wenn ihnen die Zeit davonläuft und die Kleinen gar nicht daran denken, mal ein bisschen schneller zu machen?
Wettspiele: Herausforderung macht Kindern Beine! Es gibt kaum eine Situation, bei der sie nicht wirkt – vorausgesetzt, man wendet sie nicht allzu oft an. „Wer von uns beiden ist schneller bei der Bushaltestelle?“
„Wetten, du schaffst es nicht, dir den Schlafanzug anzuziehen, während ich langsam bis 20 zähle?“ „Ich bin ja mal gespannt, ob du schon ganz alleine deinen Turnbeutel packen kannst!“
Uhr-Training: Einen Wecker mit großen Zeigern ins Kinderzimmer stellen. Zum Ansporn – und um Zeitgefühl zu vermitteln: „Wenn der große Zeiger auf der 2 ist, gibt es Mittagessen. Das ist in 10 Minuten!“ „Wenn der Zeiger hier oben ist, dann klingelt der Wecker und wir gehen los. Du musst dir jetzt die Schuhe anziehen, damit du es schaffst!“
Lob: „Weißt du noch, wie schnell du gestern angezogen warst?
Das fand ich toll!“ „Tante Sabine wird gleich staunen, wie sorgfältig du schon den Tisch decken kannst.“
Selbstbelohnung: Sich selbst motivieren, sich bewusst für seinen Fleiß etwas Gutes tun, das kann man nicht früh genug lernen. „Überleg dir, womit du dich belohnen kannst, wenn du die Hausaufgaben fertig hast. Wäre es nicht toll, mal wieder die Rennbahn aufzubauen?“
Positive Konsequenzen ankündigen – möglichst ganz konkret: „Wenn du bis drei Uhr mit dem Aufräumen fertig bist, schaffen wir es noch, einen Schokoladenkuchen zu backen.“
Wichtig: Die einfachste Möglichkeit ist immer, das Kind mit materiellen Belohnungen zu locken, ihm also z. B. Eis oder Schokolade zu versprechen. Leider ist es zugleich auch die schlechteste Möglichkeit. Denn Kinder merken sich das – und erwarten dann für jede Selbstverständlichkeit Handfestes.
Bummeln bei Hausarbeit und Hausaufgaben, beim Abwaschen und Vokabelnlernen – nicht gerade Lieblingsbeschäftigungen der Kinder. Aber vielleicht erledigt sich die Arbeit ja irgendwie von selbst …? „Das ist das Vermeidungsprinzip, das auch Erwachsene kennen“, erklärt Beatrix Palt. „Oft reicht es, den Kindern klarzumachen, dass sie eher zum Spielen kommen, wenn sie sich beeilen.“ Wichtig bei Hausarbeit und Hausaufgaben: Die Eltern dürfen dem Kind die Arbeit nicht abnehmen, sondern ihm allenfalls mit Tipps zur Seite stehen. Allerdings: Bummelei bei Mathe & Co. kann auch ein Zeichen dafür sein, dass Kinder die Aufgabe nicht verstanden haben. Also besser doppelt schauen, woran es liegt, wenn Kinder endlos am Bleistift kauen.
Bummeln beim Zubettgehen
Lynn (2) ist so müde, dass sie fast gegen die Wand rennt. Doch statt sich schnell in die Kissen zu kuscheln, zieht sie alle nötigen Dinge fast endlos in die Länge. „Kleine Kinder finden es schade, wenn der schöne Tag zu Ende ist“, weiß Beatrix Palt. „Sie sind zwar müde, möchten aber lieber noch kuscheln und in den Arm genommen werden als alleine einzuschlafen.“ Doch genau das müssen sie lernen. Geduld und feste Regeln helfen dabei. Und nur im Notfall der Hinweis, dass die Geschichte kürzer ausfallen muss als sonst, wenn das Kind noch lange durch die Wohnung tobt.
So, und ich streiche gleich mal im Familienkalender ein bisschen herum. Denn alle Experten geben dem Dschungelbuch-Bären Balou Recht, wenn er sagt:
„Probier’s mal mit Gemütlichkeit!“ In dieser Beziehung können wir von den Kindern ganz schön was lernen …