... der Wickelfront“, in dem er 2009 seine Erfahrung als später Vater beschrieb – und zum ersten Mal das Thema Schlafentzug aufgriff.
Seit Jahren macht dem heute 65-jährigen Hamburger mangelnde Nachtruhe zu schaffen. Oft wälzt er sich in den Kissen hin und her. „Nach vier Stunden werde ich wach. Oft mit einem klitschnassen T-Shirt.“ Damit soll endlich Schluss sein. „Mit den Waffen eines Journalisten“ will er Licht in das dunkle Kapitel nächtlicher Unruhe bringen. Dafür hat Bednarz führende Experten, Ärzte und Forscher aus dem Fachgebiet Schlaf aufgesucht, um Antworten auf die brennendsten Fragen zu erhalten: Was versteht man unter gesundem Schlaf? Was bedeutet Schlaf hygiene? Und vor allem: Wie findet man wieder zu einer erholsamen Nachtruhe? Für Bednarz wurde es eine Expedition ins mysteriöse Reich des Schlummers. Seine Erkenntnisse hat er im Buch „Augen zu und Schlaf!“ niedergeschrieben (siehe Buchtipp Seite 8).
Bednarz’ erste Station ist die Charité in Berlin. Genauer gesagt: der Leiter des dortigen Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums Prof.
Schlaf ist viel mehr als nur eine Pause für Skelett und Muskeln
Schlafexperten empfehlen 7, 5 Stunden Schlaf pro Nacht
WIE GUT SCHLAFEN SIE?
Normale Schlafdauer pro Nacht in Stunden in Deutschland
Ingo Fietze. Hier erhofft sich der „Bettf lüchtige“ (wie Bednarz sich selbst nennt), mehr über das Phänomen Schlaf zu erfahren. „Leider nehmen wir den Schlaf nicht ernst, als Einzelne nicht und auch nicht als Gesellschaft“, klagt Prof. Fietze. „Wir sind ein Volk, bei dem der Schlaf zu kurz kommt.“ Neben Abgeschlagenheit, Unkonzentriertheit und schlechter Laune kann das durchaus gesundheitliche Folgen haben – manchmal sogar schwere. „Wer fünf Jahre wirklich schlecht schläft, dessen Gesundheitsrisiko steigt deutlich: vom Bluthochdruck bis zum Vorhoff limmern, vom Schlaganfall bis zum Herz infarkt“, warnt der Mediziner.
BUCHTIPP
Dieter Bednarz Augen zu und Schlaf! Berlin Verlag 320 S., 20 €
Auszeit von den Reizen des Tages
Schlaf ist eben nicht nur eine Regenerationspause für Skelett und Muskeln. Über Nacht erneuern sich auch die Hautzellen. Zudem laufen wichtige Wundheilungsprozesse ab, das Immunsystem stabilisiert sich. „‚Schlaf dich gesund‘ hat schon meine Oma gesagt“, erinnert sich Bednarz. Am wichtigsten ist der Tiefschlaf aber für unser Gehirn: Es benötigt die Erholungsphase, diese Auszeit von allen Reizen des Tages, dringend. Doch in diese Phase muss man erst mal finden. Bei vielen fängt das Problem bereits mit dem Einschlafen an. Obwohl sie müde sind, rollen sie sich mitunter stundenlang von einer Seite auf die andere – und finden dennoch keine Ruhe. Das Gedankenkarussell dreht und dreht sich. „Um das Loslassen zu üben, habe ich seit einiger Zeit ein kleines Glas auf meinem Nachttisch stehen. Es ist mein Gedankenglas. Da lege ich alle Sorgen und Nöte, alle Pläne und Hoffnungen hinein, wenn ich zu Bett gehe“, verrät der Buchautor Dieter Bednarz. Menschen, die sofort einschlummern, nachdem sie sich ins Bett gelegt haben, sind übrigens eher die Seltenheit. Völlig normal sei es, bis zu 30 Minuten zu benötigen, um in einen tiefen, gesunden Schlaf zu finden. Und wie sieht dieser überhaupt aus? Als Hauptkriterium wird gern die Dauer herangezogen. Bei Menschen mittleren Alters gelten siebeneinhalb bis acht Stunden als ideal. Dagegen sehen jene vier Stunden, die Bednarz meist ruht, ziemlich bescheiden aus. Prof. Fietze warnt jedoch davor, sich zu sehr auf diese Vorgabe zu fixieren: „Schlaflänge heißt nicht automatisch Schlafqualität.“ Wichtigstes Kriterium sei immer noch das eigene Gefühl. „Sie sollten erfrischt aufwachen, sich fit fühlen für die nächsten 15 bis 16 Stunden. Darum geht’s!“
Genau damit tun sich allerdings viele schwer. Warum? Nach Meinung des Schlafmediziners stehen sich die meisten selbst im Weg. „Alkohol, Nikotin, Kaffee, abends spät noch eine Pizza grande, danach mit Handy oder Tablet ins Bett – alles wichtiger“, moniert Experte Prof. Ingo Fietze. Das leuchtet auch Dieter Bednarz ein. Obwohl: Alkohol? Gilt ein Glas Wein oder Bier am Abend nicht seit jeher als gutes Schlafmittel? Es stimmt zwar, dass Alkohol das Abschalten erleichtert. Vorausgesetzt, es bleibt bei einem Glas. Bereits ein viertel Liter Wein schadet der Nachtruhe mehr, als er nützt. Denn: Alkohol verändert den Tiefschlaf.
Prof. Fietze hat einen weiteren Tipp parat, der auf den ersten Blick ungewöhnlich scheint: getrennte Schlafzimmer. Fietze findet es wichtig, „dass Paare aus ihren unterschiedlichen Schlafgewohnheiten die für den Einzelnen jeweils gesunden Konsequenzen ziehen“. Getrennte Schlafzimmer seien kein Zeichen einer schlechter Ehe oder gar fehlender Liebe. Im Gegenteil: Sie sind Zeichen von Achtsamkeit und Fürsorge.
Ohne Tiefschlaf keine Erinnerungen
Seine Recherche führt Dieter Bednarz auch nach Bayern: In der Nähe von München liegt der Bauernhof des Chronobiologen Prof. Till Roenneberg. Er ist Experte für jene innere Uhr, die in jedem von uns tickt. Hier erfährt Bednarz, dass er eher ein früher Chronotyp sei, eine „moderate Lerche“. Das würde erklären, warum er immer so früh wach wird. Die nachtaktiven Eulen hingegen gelten als Langschläfer. Das Problem vieler Lerchen – und so auch das von Dieter Bednarz: Ihr innerer Wecker klingelt sie pünktlich morgens gegen fünf Uhr aus den Federn. Dagegen lässt sich kaum etwas machen. Um ausreichend Schlaf zu finden, hilft dann nur eines: früher zu Bett zu gehen! Das aber tun viele Lerchen nicht. Aus zwei Gründen: Zum einen gibt es soziale Zwänge, beispielsweise wenn in der Familie Eulen die Oberhand haben. Zum anderen fehlt der inneren Uhr vieler Menschen durch Lichtmangel am Tag später in der Nacht das starke Signal: Jetzt ist es dunkel, also schlafe!
Eulen haben ein ganz anderes Problem: Sie würden zwar gern länger schlafen, das Gebimmel des echten Weckers mahnt sie jedoch frühmorgens, für die Arbeit aufzustehen. Prof. Till Roenneberg hat dafür einen treffenden Vergleich: Es ist, als ob man das Waschprogramm, das eigentlich eineinhalb Stunden lang dauern würde, schon nach einer Stunde beendet.
Noch einmal zum Thema Tiefschlaf. Wer glaubt, das Gehirn schalte in dieser Phase komplett in den Ruhemodus, irrt gewaltig. Das erfährt Dieter Bednarz bei Prof. Jan Born vom Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie in Tübingen. Für die Gedächtnisbildung ist nämlich der Tiefschlaf entscheidend – und zwar vor allem dessen Intensität, weniger dessen Dauer. „Je f lacher der Schlaf, desto weniger bleibt hängen“, gibt Prof. Born zu bedenken. Nur in dieser tiefen Phase der Bewusstlosigkeit kann sich das Langzeitgedächtnis auf bauen. Denn: „Die aktuellen Reize wahrzunehmen und sie gleichzeitig zu konsolidieren, zu verschieben sowie zu transformieren in eine Kerninformation, das würde unser Gehirn im Wachzustand restlos überfordern.“
Für Dieter Bednarz hat Jan Born noch eine ernüchternde Mitteilung: „In Ihrem Alter wandert aber nur noch wenig ins Langzeitgedächtnis. Abgespeichert wird vor allem, was zu dem passt, was im Archiv bereits vorhanden ist. Emotionale Erlebnisse werden Sie aber weiterhin erinnern.“ Na, immerhin ein Lichtblick!
TOP-10-TIPPS FÜR DIE SCHLAFHYGIENE
1 Rituale helfen Routinen wie regelmäßige Bettgehzeiten, Zähneputzen oder abendliche Entspannungsübungen signalisieren dem Körper: Jetzt ist Schlafenszeit!
2 Kein Sport zu später Stunde Körperliche Anstrengungen sollte man nach 18 Uhr vermeiden.
3 Frische Luft tanken Ein kleiner Spaziergang, etwa mittags, kann helfen, abends schneller zu entspannen.
4 Rechtzeitig zu Bett Wer den richtigen Zeitpunkt verpasst und auf dem Sofa einnickt, tut sich später schwer, wieder einzuschlafen.
5 Angenehmes Schlafklima Die ideale Raumtemperatur für das Schlaf zimmer beträgt etwa 18 Grad.
6 Ruhe, bitte! Die Nachbarn sind laut? Störender Verkehrslärm? Dann: Fenster zu und zur Not auch Ohrenstöpsel verwenden.
7 Dämmerlicht Wer nachts aus dem Bett muss, sollte kein helles Licht einschalten. Das stört die weitere Nachtruhe.
8 Keine Genussmittel Abends besser auf Alkohol, koffeinhaltige Getränke und schwere Kost verzichten.
9 Kurzer Mittagsschlaf Der kleine Powernap zur Mittagszeit sollte nicht länger als 10 bis 20 Minuten dauern.
10 Handy abschalten! Der hohe Blaulichtanteil in den Displays von Smartphones und Tablets hemmt die Produktion des Schlafhormons Melatonin. Zur Not auf Nachtmodus schalten.
Eine lehrreiche Nacht im Schlaflabor
Natürlich darf für Bednarz ein Besuch im Schlaflabor nicht fehlen. Der 65-Jährige will hier auch den eigenen Schlafstörungen auf den Grund kommen. Während er ruht, werden Körperfunktionen wie Hirnströme, Atmung, Bewegungen und Herztätigkeit aufgezeichnet. Die Diagnose für den Journalisten lautet schließlich: Er leidet unter anderem an einer leichten Apnoe, einem unbewussten Aussetzen der Atmung während der Nachtruhe. Zudem ist sein Schlaf in sieben Wachphasen zerstückelt. Das senkt die Qualität des Schlafs und der Erholung.
So weit also die Erklärung für Bednarz’ Probleme. Was aber ist ihre Ursache? Und wie könnte eine Lösung aussehen? Manchmal sind diese Fragen nicht so leicht zu beantworten. Eine wichtige Regel lautet sicher: Auf „Schlafhygiene“ achten! Gemeint sind mit dem klinischen Begriff schlafförderndes Verhalten sowie ein angenehmes Klima im Schlafraum (siehe Kasten oben).
Eine weitere wichtige Lektion hat Dieter Bednarz auf seiner Reise gelernt: Letztendlich ist der Schlaf ein Spiegel unserer Seele. Und er will ebenso pf leglich behandelt werden – alles andere kann sich irgendwann rächen. „Vielleicht gehöre auch ich zu den vielen, vielen Schlechtschläfern, die sich, ohne es zu ahnen, von ihren verborgenen Ängsten und Nöten um den Schlaf bringen lassen“, sagt Bednarz. Jedenfalls hat ihm die bewusste Auseinandersetzung mit Schlaf sehr geholfen. Inzwischen sind seine Nächte erholsamer – auch wenn es mit dem Durchschlafen noch immer nicht so richtig klappen will.
ALEXANDER WEIS
Der Schlaf ist ein Spiegel unserer Seele