... bei denen Gerlinde Kaltenbrunners Liebe zu den Bergen erwachte. Bis heute hält sich die gebürtige Österreicherin an die Regeln des Herrn Pfarrer.
Die heutige Tour – die Gimbach-Kaskaden nahe des Attersees kurz hinter Salzburg, eine eher gemäßigte Route – hat Gerlinde Kaltenbrunner mir zuliebe gewählt. Als Großstädterin blicke ich eher aus der Entfernung und mit großem Respekt auf die schneebedeckten Alpen und deren Steigungen.
Alle Achttausender erklommen
Doch wer kann andere besser für die Bergwelt begeistern als Gerlinde Kaltenbrunner? Sie zählt zu den weltweit bekanntesten Bergsteigerinnen, als erste Frau hat sie alle 14 Achttausender ohne Flaschensauerstoff bestiegen.
Die dreistündige Wanderung im südlichen Höllengebirge ist für sie so etwas wie für mich ein Spaziergang im Stadtpark: Genusswandern. Der Fluss Gimbach rauscht hier zwischen den Bergwänden hinab. Aus hellgrün schimmernden Gumpen ragen unzählige Baumstämme, die von der Schneeschmelze mit ins Tal gerissen wurden. Immer wieder bleibt Gerlinde Kaltenbrunner stehen und zeigt in die Schlucht: „Schau, ist das nicht schön?“ Ja, ist es.
Wandern ist aber nicht nur schön, sondern zählt auch zu den gesündesten Sportarten. Und das nicht nur, weil Herz und Kreislauf, Muskeln und Koordination davon profitieren, sondern auch die Seele, wie ein Forschungsprojekt belegt, an dem die Universität Innsbruck und der Österreichische Alpenverein beteiligt waren. Schon nach einer dreistündigen Wanderung steigen die Stimmung und die Gelassenheit, während Stress und Sorgen abnehmen.
„Jeder Mensch hat seine ganz persönlichen Achttausender
Gerlinde Kaltenbrunner, Bergsteigerin
Die Natur als Sportstudio
Und auch wenn die Anstrengung ähnlich der auf dem Laufband ist, wird sie als geringer empfunden – einfach, weil es in der Natur so viel großartiger ist als im Fitnessstudio.
In den Bergen ist man außerdem herrlich fern von all dem, was im Tal als wichtig gilt: keine Kompromisse, keine Verpflichtungen, keine Weltpolitik. „Beim Bergsteigen werde ich ganz ruhig, zuversichtlich und voller Freude“, erklärt Gerlinde Kaltenbrunner. „Hier kann ich ganz ich selbst sein.“ Geduld und Gelassenheit, Ruhe bewahren in kritischen Situationen und annehmen, was ist: „All das habe ich durch das Bergsteigen gelernt.“
Ihre Familie – Gerlinde Kaltenbrunner ist mit fünf Geschwistern aufgewachsen – konnte diese Faszination für die Berge nie ganz nachvollziehen. Als die Österreicherin mit 16 Jahren zu einem Vortrag des Alpinisten Willi Bauer wollte, schüttelte der Vater verwundert den Kopf, gab der Tochter aber die benötigten 100 Schilling: „Ja, gehst halt.“ Der Vortrag handelte von Bauers Besteigung des K 2, des zweithöchsten Gipfels der Welt: „Einmal den K 2 im Himalaja-Gebirge sehen – das wär’s“, dachte Gerlinde Kaltenbrunner damals. Selbst hinaufsteigen? Auf die Idee kam sie gar nicht.
Richtig ausgerüstet
DER RUCKSACK Er sollte möglichst leicht, aber auch robust sein und aus wasserabweisendem Material bestehen. Wichtig ist, dass Schultergurte und das Rückteil gut gepolstert sind. Bei mehrtägigen Wanderungen ist außerdem ein gepolsterter Hüftgurt hilfreich. Tagesrucksäcke sollten 15 bis 30 Liter Volumen haben, Tourenrucksäcke bis zu 50 Liter.
DIE SCHUHE
Sie sind (wie der Rucksack) leicht und aus wasserabweisendem, aber atmungsaktivem Material. Entscheidend ist ein rutschfestes, griffiges Sohlenprofil. Wer nicht trittsicher ist, sollte knöchelhohe Wanderschuhe anziehen, um sich vor dem Umknicken zu schützen. Generell gilt: Die Schuhe immer unbedingt vor der ersten längeren Tour einlaufen! Gut sitzende Wandersocken schützen vor Blasenbildung (z. B. aus Merinowolle; sollten höher als der Schaftrand sein).
Doch schon wenige Jahre später – nach ihrer Ausbildung zur Krankenschwester – plante sie mit ihrem damaligen Partner den ersten Achttausender: den Broad Peak im Karakorum-Gebirge zwischen Pakistan und China. Sie sparten eisern, trainierten hart und schliefen selbst im Winter bei offenem Fenster, um sich an die Kälte zu gewöhnen. Im Juli 1994 stand Gerlinde Kaltenbrunner dann erstmals auf über 8 000 Metern Höhe. Zurück im Basislager, stand für sie fest: Es muss, es wird ein nächstes Mal geben.
Wie man freiwillig das saftig grüne Oberösterreich gegen das kalte und karge Karakorum-Gebirge eintauschen kann, ist für mich schwer nachvollziehbar, wenn man – wie wir jetzt – auf den sonnenwarmen Steinen am Gimbach sitzt und die nackten Füße ins Wasser hält. Anschließend gibt es das, was ich schon immer für das Allerbeste am Wandern gehalten habe: Jause im Gras unter blauem Himmel. Gerlinde Kaltenbrunner ernährt sich vegan, deshalb liegen weder Wurst noch Käse oder hart gekochte Eier auf dem Brettchen. Aber auch das Körnerbrot, die Gemüsesticks und die Äpfel schmecken inmitten der Natur sensationell gut. Vor allem, wenn die Profi-Bergsteigerin dabei von ihrer letzten Biwak-Nacht vor der Besteigung des K 2, dem schwierigsten aller Achttausender, erzählt: Das Essen war ihrer Gruppe vorzeitig ausgegangen, die letzte Tüte Tomatensuppe wurde mit 500 statt der üblichen 125 Milliliter Wasser angerührt. „Damals“, sagt Kaltenbrunner, „habe ich verstanden: Nahrung ist nur ein Bruchteil von dem, was nährt.“
DIE KLEIDUNG
Funktionsunterwäsche (Synthetik oder Merinowolle) gibt den Schweiß nach außen ab, wärmt aber, wenn es kälter wird. Am besten im Zwiebel-Prinzip anziehen: Mit Langarm-Shirt bzw. Hemd beginnen, darüber eine Weste oder einen leichten Pullover. Flache Nähte (v. a. an der Innenseite von Armen und Beinen) verhindern schmerzhaftes Aufscheuern. Auch wenn das Wetter gut aussieht: Stets eine leichte Regenjacke oder einen -poncho einpacken.
Unterwegs in eisiger Höhe
Geboren wurde Gerlinde Kaltenbrunner am 13. Dezember 1970 im oberösterreichischen Kirchdorf an der Krems. Als Teenager beginnt sie mit dem Fels-Klettern. 1994 steht die Krankenschwester erstmals auf einem Achttausender, dem Broad Peak. Mit dem Erreichen des Gipfels vom K 2 am 23. August 2011 ist Kaltenbrunner die weltweit erste Frau, die alle 14 Achttausender ohne Flaschensauerstoff bestiegen hat. 2007 heiratet sie den Extrem-Bergsteiger Ralf Dujmovits. Heute lebt sie mit ihrem Partner, dem Yoga-Lehrer Manfred Jericha, am Attersee. Wenn Kaltenbrunner nicht als Expeditions-Bergsteigerin unterwegs ist, gibt sie Seminare oder hält Vorträge über ihre beiden Leidenschaften: Berge und Yoga (www.gerlindekaltenbrunner.at).
Brotzeit machen
Vollkornbrot liefert schnell verfügbare Kohlenhydrate
Gemüse & Obst enthalten wichtige Vitamine, Mineralien und Flüssigkeit
Wasser Wer zu wenig trinkt, wird schnell unkonzentriert. Deshalb stets trinken, bevor der Durst kommt. Mineral-Tabletten (v. a. Magnesium, Kalium) gleichen Mineralienverluste durch das Schwitzen und die Anstrengung aus
Sechs Anläufe hatte sie für den K 2 gebraucht. Sechs Mal musste sie vorzeitig aufgeben. Sechs Mal gescheitert? Gerlinde Kaltenbrunner schüttelt den Kopf: „Gescheitert bin ich erst, wenn ich nicht mehr zurückkomme vom Berg.“ Eine Expedition ist für sie selbst dann erfolgreich, wenn sie kurz vor dem Gipfel umdrehen muss. Weil sie ihre Grenzen erkannt und akzeptiert hat. „Aber da hat jeder natürlich seine eigene Definition.“ Männer beispielsweise würden das oft anders sehen, „die sprechen vom Scheitern, wenn sie nicht auf dem Gipfel waren“. Da sei mehr Druck.
Höher, schneller, weiter: Die Tendenz, sich zu überfordern und zu früh zu viel von sich zu erwarten, sieht Gerlinde Kaltenbrunner oft auch bei Hobby-Wanderern. Das kann in der Bergwelt gefährlich werden. Sie rät Einsteigern dazu, gemütlich anzufangen, Kondition langsam aufzubauen und die eigenen Grenzen vorsichtig auszuloten: „Man muss letztendlich nur sich selbst gerecht werden.“
Todesangst auf dem Berg
Im Laufe ihrer Profi-Karriere hat Gerlinde Kaltenbrunner selbst einige lebensgefährliche Situationen gemeistert. Bei ihrer sechsten K-2-Expedition stürzte ein guter Freund, der Schwede Fredrik Ericsson, in den Tod. Zwölf Jahre später ist die Trauer darüber noch hörbar in Kaltenbrunners Stimme. „Es hat eine Zeit gedauert, bis ich das verarbeitet hatte“, sagt sie.
Einen Berg bezwingen – in Gerlinde Kaltenbrunners Augen ist dieser Ausdruck eine Missachtung der realen Kraftverhältnisse. Sie bittet jeden Berg erst um Erlaubnis, aufsteigen zu dürfen. Manche Gipfel signalisieren ihr: Du brauchst es gar nicht erst zu versuchen. Beim K 2 spürte sie irgendwann: Das mit ihr und dem Berg, das war noch nicht zu Ende, „er war immer noch da in meinem Herzen“.
Auch wenn ihre Füße gerade im Gimbach stecken, scheint Gerlinde Kaltenbrunner jetzt in Gedanken weit weg. Sie erzählt Weitere von der erfolgreichen siebten Expedition im Jahr 2011 auf den K 2 und von den letzten Schritten hinauf. „Wie ich nach so vielen Hürden und Herausforderungen auf den Gipfel gekommen bin, da habe ich das Gefühl gehabt, als sei der Berg auf einmal voller Gnade: Jetzt darf ich rauf. Da war nur noch tiefe, tiefe Stille und Dankbarkeit in mir.“ Sie schweigt kurz. „Dass ich da oben stehen durfte – das war das größte Geschenk für mich.“
Trockenfrüchte haben zwar viel Zucker, schenken aber schnell Energie, wenn man müde wird
Hart gekochte Eier stellen Eiweiß zur Verfügung
Nüsse bzw. Studentenfutter bieten gesunde Fette, Proteine und Ballaststoffe
Für die 51-Jährige schloss sich mit der Besteigung des K 2 das vielleicht wichtigste Kapitel ihres Lebens. Sie hat nun auf allen Achttausendern dieser Welt gestanden, hat Alpinisten-Geschichte geschrieben. Trotzdem fühle sie keinen Triumph, sondern nur „Ehrfurcht, Dankbarkeit und Demut“. Alles andere, glaubt sie, wäre völlig fehl am Platz gewesen. „Körperliche Fitness und die bestmögliche Ausrüstung sind nur die Basis des Erfolgs“, sagt sie. Auch auf die Wetter- und Windverhältnisse käme es an, auf das Fernbleiben von Lawinen, Stein- und Eisschlag. „Und dann brauchst du auch das Glück und den Beistand vom Höchsten, wie auch immer man das bezeichnen möchte“, sagt Kaltenbrunner.
Suche nach Erfüllung
Viele Mitstreiter und Bekannte hatten ihr prophezeit, sie würde nach dem letzten Gipfel in ein Loch fallen: Ziel erreicht, was nun? Doch für Gerlinde Kaltenbrunner wurde auf dem K 2 ein Lebenstraum wahr und sie fühlte sich auch so: erfüllt. Diesen inneren Reichtum und den Ruhm münzt sie inzwischen um. Etwa, indem sie Hilfsprojekte in Nepal oder im Naturschutz unterstützt und Vorträge hält. Damit will sie Menschen inspirieren, sich auf die Suche zu machen nach dem, was sie begeistert und bereichert. Vielleicht ist es ja das Wandern. Wenn aber jemand woanders seine Erfüllung findet, hat sie auch dafür großes Verständnis: „Jeder hat seine ganz persönlichen Achttausender.“
„Das Bergsteigen hat mich Geduld und Gelassenheit gelehrt
Gerlinde Kaltenbrunner, Profi-Bergsteigerin
So gesund ist Wandern
Wie Einsteiger sich am besten auf eine Tour vorbereiten und wann man zum Arzt gehen sollte, erklärt Sportmediziner Prof. Scharhag
Warum ist Wandern gut für unsere Gesundheit?
SCHARHAG Es beansprucht sowohl die Muskelgruppen als auch das Herz-Kreislauf-System in einem gesunden Maß. Das bedeutet: Der Herzmuskel wird gestärkt und der Fett- und Kohlenhydrat-Stoffwechsel sowie die Blutzuckerwerte verbessern sich. So können Menschen mit Prädiabetes – der Vorstufe von Typ- 2-Diabetes – durch regelmäßige körperliche Aktivitäten wie Wandern mitunter sogar ganz von ihren Blutzuckermedikamenten wegkommen.
Wie oft muss ich wandern gehen, damit sich diese positiven Effekte einstellen?
SCHARHAG Mindestens drei Mal in der Woche, und das für jeweils 30 bis 45 Minuten.
Was hilft, wenn man beim Wandern schnell aus der Puste kommt?
SCHARHAG Als Faustregel gilt: Laufen, ohne zu schnaufen – man sollte also ausreichend Luft haben, um sich unterhalten zu können. Wenn das nicht der Fall ist, dann lieber Pausen einlegen und langsamer gehen. Anfängern bzw. unsportlichen Menschen rate ich dazu, es auf keinen Fall zu übertreiben und vor größeren Touren eine gewisse Grundkondition aufzubauen, etwa mit regelmäßigem Ausdauersport wie Walken oder Radfahren.
Kann ich denn auch wandern gehen mit Herzproblemen?
SCHARHAG Das hängt vom Ausmaß der Erkrankung und vom aktuellen Gesundheitszustand ab. Personen mit Herzleiden, Bluthochdruck, Asthma oder anderen Lungenproblemen sollten ihr Herz-Kreislauf-System und eventuell die Lunge vor einer größeren Wanderung beim Hausarzt oder Kardiologen auf Belastbarkeit und Funktion hin untersuchen lassen. Das gilt auch für alle Menschen mit einer überstandenen Corona-Infektion.