... Flächen unter den Bäumen ganzjährig entsprechend bewirtschaftet werden“, berichtet Frank Winterhalter von den Anfängen der „Obstivisten“. Er ist einer der größeren Imker am Bodensee und Geschäftsführer der „Heimatliebe Bodensee“.
Seit einiger Zeit stehen seine Bienenkästen auf den Streuobstwiesen des Rösslerhofs von Gereon Güldenberg in Schlier im Kreis Ravensburg. Auf dem vielseitigen Bioland-Betrieb mit Milchkühen, Äckern und Wiesen wachsen rund 400 Streuobstbäume mit zehn verschiedenen, meist älteren Sorten. „Mir liegt viel am Streuobst und am Erhalt der Streuobstwiesen, denn die Vielfalt ist hier enorm. Sich für die Biodiversität zu engagieren, gehört für mich einfach zum Betrieb dazu“, meint der Landwirt, der seinen Betrieb nach Bioland-Kriterien bewirtschaftet. Streuobst hatte auf dem Hof, der einst von der Benediktinerabtei in Weingarten gegründet wurde, schon immer einen hohen Stellenwert.
Wenn Bäume aber nicht mehr gepflegt oder alte nicht mehr durch neue ersetzt würden, sei auch die bisherige Unternutzung als Streuobstwiese bedroht.
HÖHERE WERTSCHÖPFUNG NÖTIG
„Wir sind ins Gespräch gekommen und waren uns einig, dass Streuobstwiesen einzigartige Lebensräume sind, die es zu erhalten gilt“, berichtet Imker Frank Winterhalter von der Suche nach Lösungen zum Erhalt der alten Baumbestände, die so charakteristisch für die Schönheit der Landschaft sind. Der Grundstein für die „Obstivisten“ war gelegt.
Damit sich der Aufwand für die Pflege und Ernte der Streuobstwiesen lohnt, braucht es abseits der Apfelproduktion und der Saftherstellung Alternativen, um eine höhere Wertschöpfung zu generieren und so letztlich die Arbeit der Bewirtschafter zu honorieren. Laut Winterhalter können solche Produkte Honig und Gelees sein, aber auch Streuobst-Weidefleisch ist denkbar.
Gereon Güldenberg hat die höhere Wertschöpfung durch die Zusammenarbeit mit der Adrian-Manufaktur erreicht. Seit über acht Jahren liefert er sein Streuobst an das in Waldburg ansässige Unternehmen, das daraus unter anderem hochwertige Obst- und Balsamessige in Bioqualität herstellt. Statt des üblichen Mostobstpreises werden 25 €/dt als Mindestbetrag gezahlt, wie Ronny Rühlemann von der Adrian-Manufaktur versichert. Dort hat man erkannt, dass es mit den üblichen Mostobstpreisen für die Bauern kaum lukrativ ist, das Streuobst zu erhalten. „Wir wollen die Bewirtschaftung der Streuobstwiesen unterstützen, zumal hier ein wertvoller Rohstoff für unsere Produkte wächst, auf die wir als Essighersteller angewiesen sind“, begründet Rühlemann das Engagement. Das sichert eine gute Lieferantenbeziehung und den Austausch auf kurzen Wegen.
»Streuobstwiesen sind einzigartige Lebensräume.«
FRANK WINTERHALTER
UNTERSTÜTZUNG FÜR OBSTWIESENBESITZER
Der oftmals kleinteilige Besitz von Streuobstbeständen macht aber die notwendige Bio-Zertifizierung teuer – Kosten, die durch die Apfelablieferung nicht gedeckt sind. Auch hier will das Unternehmen unterstützen und bietet Interessierten Hilfe bei einer Gruppenzertifizierung an. Ansprechpartner dafür ist Tobias Haußmann (Kontakt siehe Kasten rechts).
Bei der Vermarktung der Produkte soll ein eigens dafür geschaffenes Siegel (siehe Kasten unten) helfen. Produzenten, die dieses Zeichen nutzen, verpflichten sich, die damit erzielte höhere Wertschöpfung durch eine faire Entlohnung an die Bewirtschafter von Streuobstwiesen weiterzugeben. In der Öffentlichkeitsarbeit wird das Kernteam um den Bio-Imker, den Bio-Produzenten und den Bio-Verarbeiter durch Katharina Eckel von der Bio-Musterregion Ravensburg unterstützt. Zu Werbezwecken stehen verschiedene Materialen bereit, die Druckkosten trägt der jeweilige Zeichennutzer.
ERHALT DER BIODIVERSITÄT DER WIESEN
Der Einsatz der „Obstivisten“ beschränkt sich aber nicht nur auf Produkte, die der Baumbestand liefert. Um die Biodiversität der Wiese zu erhalten oder auszubauen, gibt es auch gewisse Mindestkriterien für die Nutzung des Aufwuchses. „Eigentlich ist die Wiese noch artenreicher als der Streuobstbestand. Wenn dieser aufgegeben wird, wird auch die Wiese oft nicht mehr ausreichend genutzt, sondern nur noch gemulcht“, erklärt Moritz Ott. Der Biodiversitätsmanager im Landkreis Ravensburg hat daher mit den „Obstivisten“ bestimmte Mindestkriterien für die Unternutzung erarbeitet. So soll mindestens eine zweimalige Mahd mit Abfuhr des Aufwuchses erfolgen, ein einmaliges Mulchen zum Jahresende ist gestattet. Tabu sind der Einsatz von Mähaufbereitern, die Anwendung chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel sowie die Nachsaat. Stärker gefördert werden soll künftig aber die Weidenutzung der Fläche.
Über den Einsatz der „Obstivisten“ hofft er, den Rückgang beim Streuobst zu stoppen. In Baden-Württemberg gibt es derzeit noch rund 7 Millionen Streuobstbäume. Es waren schon einmal geschätzte 40 Millionen. Jährlich verschwinden rund 100.000 Bäume. Konzepte wie das der „Obstivisten“ könnten dazu beitragen, den Rückgang zu stoppen, hofft Rosi Geyer-Fäßler. Die aus der Nähe von Karsee stammende Bäuerin eines Bio-Milchviehbetriebs mit Streuobstwiesen sieht als Vizepräsidentin des Landesbauernverbandes in dem Konzept der „Obstivisten“ auch eine Chance, Landwirtschaft und Biodiversität zu stärken und hofft auf weitere Mitglieder (siehe Kasten links).