... Sales-Projektmanager Sebastian Quink empfangen in angenehm unprätentiöser Atmosphäre. »Wir sind jetzt in einer Phase, in der die ersten Kunden zertifizierte Flugzeuge mit unserem Motor verkaufen wollen«, sagt Schwarz. Der Schwabe war bei AMG im Motorsport groß geworden, beim Komponenten-Zulieferer Mahle gehörte der US-Flugmotorenbauer Continental zu seinen Kunden, bevor er selbst zu Conti ging, Entwicklungsleiter des Konzern wurde und für dessen deutsche Standorte verantwortlich war. Anfang des Jahres wechselte Schwarz zu RED. Es reizte ihn, die Kundenstruktur in einem Unternehmen aufzubauen, das sich in einer sehr dynamischen Phase befindet. Für den 50-Jährigen steht die Zukunft des A03 außer Frage.
Was ist das für ein Motor?
Zum ersten Mal tauchte der Zwölfzylinder vor größerem Publikum auf der AERO 2010 auf. RED-Gründer Vladimir Raikhlin zeigte eine Yak-52 mit seinem V12. Ein Russe, der in Deutschland einen Flugmotor entwickelt? Auf der Messe sah man ungläubiges Staunen.
Diesel statt Turbine–der Verbrauch spricht für den Selbstzünder
Doch noch im gleichen Jahr flog die Yak-52 mit der roten Schnauze. Luft- und Raumfahrtingenieur Raikhlin, der zeitweise in Köln für das Formel-1-Team von Toyota tätig war, hatte für sein Flugmotorvorhaben Norbert Kreyer gewinnen können, einen Motorenkonstrukteur, den er aus gemeinsamen Motorsportjahren bei Toyota kannte. Mit Kreyers ersten Skizzen des RED A03 nahm das Projekt Form an. Heraus kam ein flüssigkeitsgekühlter Vollaluminium-V12 mit Untersetzungsgetriebe, Turbolader, Einspritzung und FADEC-Motorsteuerung (siehe Kasten »Technische Daten«, Seite 33).
EASA- und FAA-zugelassen
Wie andere Motoren mit volldigitaler Regelung braucht der A03 nur einen Bedienhebel; Mixtureund Propellerhebel entfallen. Eine Vielzahl von Parametern, weit über die Cockpitanzeigen hinaus, werden permanent im Steuergerät abgespeichert. Tritt ein Problem auf, lesen RED-Techniker die Daten aus und benutzen sie zur Fehleranalyse. Selbst wenn der Pilot noch keine Unregelmäßigkeit feststellt, lässt sich anhand dieser Daten der Gesundheitszustand des Motors beurteilen. Sind beispielsweise irgendwelche Temperaturen zu hoch, kann man rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergreifen und Schäden vermeiden.
Vermarktungstechnisch hat RED entscheidende Hürden genommen. 2013 erhielt das Unternehmen die EASA-Zulassung als Entwicklungsbetrieb, ein Jahr später wurde der Motor in Europa zertifiziert, 2016 in den USA, 2021 in Russland. Ende des Jahres rechnet man in Adenau mit der EASA-Anerkennung als Herstellungsbetrieb. Erst dann kann das Unternehmen seine Triebwerke mit allen erforderlichen Dokumenten an Hersteller von luftfahrtzertifizierten Flugzeugen ausliefern.
Heute bieten die Rheinland-Pfälzer vier Varianten des A03 an: den Basismotor A03 003; den Kunstflugmotor A03 100, der +9/–7 g verträgt und rückenflugtauglich ist; den leistungsgesteigerten A03 200, der dank zweistufigem Turbolader seine Startleistung bis in eine Höhe von 25 000 Fuß entfaltet und bis 50 000 Fuß betrieben werden kann, sowie den ebenfalls leistungsgesteigerten A03 300, der kein Getriebe hat und einen Generator antreiben kann.
Kein Getriebe? Generator?
RED hat zwei Konzepte für den hybridelektrischen Antrieb. Bei der seriellen Konfiguration ist der Grundmotor ohne Getriebe mit einem Generator gekoppelt, der Batterien lädt. Deren Energie versorgt einen oder mehrere Elektromotoren, die mit Propellern versehen sind. Bei der parallelen Konfiguration wird der Motor mit Reduktionsgetriebe verwendet. Zwischen dem Verbrenner und dem Prop kann eine Motor/Generator-Einheit verbaut werden. Bei hoher Leistungsanforderung (Start, Steigflug) gibt sie zusätzliche Power an die Propellerwelle ab. Wird weniger Leistung benötigt, kann die Motor/- Generator-Einheit die Batterien laden. Der RED- Selbstzünder, sagt Jürgen Schwarz, biete sich für solche Lösungen an, da sein spezifischer Verbrauch niedrig sei und in der Ladephase mit optimalem Verbrauch betrieben werden könne. Doch wie groß muss ein Flugzeug sein, wenn allein sein Generator 300 Kilo wiegt?
Mit Blick auf eV TOL Fluggeräte liegen bereits Konzepte für hybridelektrischen Antrieb vor
Geringer Verbrauch – ganz klar, gegenüber Turbinen ist das ein Trumpf. Bei leichten Geschäftsreiseund Zubringerflugzeugen, Springerabsetzmaschinen und anderen Arbeitspferden haben sich Turboprop-Antriebe durchgesetzt. Hier tritt der RED-Diesel gegen Turbinen wie die kleinste Version der PT6 von Pratt & Whitney an. In großen Höhen, ab zirka 18 000 Fuß, sind Turbinen unschlagbar, weil sie in dünner Luft weniger Leistung verlieren als Kolbenmotoren. In geringer Höhe jedoch kann der V12 aus Adenau mithalten, dabei verbraucht er nach Firmenangabe nicht mal halb so viel wie die PT6 mit vergleichbarer Leistung. Auch viele Aufwärm- und Abkühlphasen in kurzer Zeit, Gift für Turbinen, schaden dem flüssigkeitsgekühlten Kolbenmotor nicht.
An zwei STCs wird gearbeitet
Die ersten Flugzeuge, bei denen der A03 außerhalb der Erprobung zum Einsatz kommt, sind denn auch »low and slow« unterwegs: der Air Tractor AT-301 und die DHC-2 Beaver. Sowohl das Agarflugzeug als auch der Transporter haben serienmäßig traditionelle Sternmotoren. Zurzeit erbeitet RED gemeinsam mit Partnern an erweiterten Musterzulassungen für diese Flugzeugtypen. Die Betreiber versprechen sich von der Umrüstung langfristig geringe Betriebskosten.
Der futuristische Pusher Celera 500L von Otto Aviation und der russische Trainer Yak-152 wurden von vornherein um den RED A03 herum gebaut. Die Celera ist seit 2018 in der Flugerprobung, die Yak schon zwei Jahre länger. Auch bei diesen Typen war der geringe Verbrauch sowie der Betrieb mit Jet A-1 entscheidend für die Triebwerkswahl. Flughöhen bis FL 500 dürften ebenfalls für den »stärksten Kolbenmotor auf dem Markt« (RED) gesprochen haben.
Ein russischer Trainer, ein kanadischer Oldie, in den USA ein Sprühflugzeug und ein Exot, außerdem das viermotorige britische Hybrid-Luftschiff Airlander 10 sowie eVTOL-Ambitionen – reicht das, um REDs Zukunft zu sichern? Oder werden es Drohnen sein, bei denen die Leistung weniger zählt als der Kraftstoffverbrauch, wenn sie 30 Stunden und länger in der Luft bleiben sollen? Jürgen Schwarz weiß um die Vorteile von Kolbenmotoren bei Drohnen, wird aber nicht genauer, was den RED-Diesel betrifft. Bis Ende 2021 werde man in der Eifel 25 Triebwerke bauen, sagt der leidenschaftliche Ingenieur, kommendes Jahr voraussichtlich 40 bis 50. Zurzeit beschäftigt RED 36 Mitarbeiter.
Beim Rundgang durchs Werk erklärt Verkaufsmanager Sebastian Quink: »Wenn wir mehr Triebwerke produzieren, werden die beiden End-of-the-line-Prüfstände nicht mehr ausreichen.« Alle Motoren, die an Kunden gehen, müssen zuvor auf diese Prüfstände. Zusätzlich gibt es einen großen Test- und Entwicklungsprüfstand, auf dem gerade die leistungsgesteigerte 550-PS-Version 150 Stunden lang an der Wirbelstrombremse hängt. Fünf Minuten Volllast, fünf Minuten best economy mit zweierlei Drehzahlen, unterschiedliche Lasten, und nach zwölf Stunden ist Ruhe – nachts läuft der Motor nicht.
In der Montagehalle kann man die Vierventil-Technik bestaunen: Die Einlasskanäle sind unterschiedlich, es gibt einen geraden »Tumble«-Kanal für untertourige Leistung und einen verwirbelten »Swirl«-Kanal für obertourige. Das macht sich beim Drehmoment bemerkbar. Die Auslasskanäle sind identisch.
Eine Tür weiter, in der Endmontage, weist Sebastian Quink darauf hin, dass hier der komplette Antrieb für den Air Tractor firewall forward aufgebaut worden sei, samt Kühlern, Motorträger und Cowling. Anschließend habe man alles wieder auseinandergenommen und zum Kunden in die USA geschickt.
Verwaltung, Konstruktion, Fertigung, Qualitätsmanagement … Auch wenn die einzelnen Abteilungen kleiner sind als bei etablierten Motorenbauern, braucht sich RED nicht zu verstecken. Die Auslastung passt, und die Stimmung ist gut. Mit steigenden Stückzahlen wird der Maschinenpark wachsen müssen, irgendwann auch das Unternehmen.
Auf dem Rückweg empfiehlt das Navi eine andere Route, nicht am Nürburgring vorbei, sondern durchs Ahrtal, wo die Hochwasserkatastrophe noch brutal gegenwärtig ist. In der Eifel kommt beides zusammen: triumphale Erfolge des Verbrennungsmotors und seine dunkle Seite. Sind Triebwerke wie der RED A03 Teil des Problems oder der Lösung?