... wir.
Als Jäger in der Abend- oder Morgendämmerung ist es eher von Vorteil, wenn die Augen lichtempfindlicher sind,und viele Grautöne unterscheiden können. Farben spielen im Hundeleben eher eine untergeordnete Rolle. Sie haben eine Rot-Grün-Schwäche. Das heißt, diese beiden Farben sind für sie nicht zu unterscheiden und wirken eher wie schmutziges Gelb. Viel besser können sie dagegen die Farbe Blau erkennen. Wenn Sie also mit Ihrem Hund mit einem roten Frisbee auf einer grünen Wiese spielen, dann wird er sich schwerer tun, die Scheibe überhaupt zu sehen, als wenn Sie dafür ein blaues Frisbee verwenden. Auch wenn Sie visuelle Marker benutzen, um Ihrem Hund zum Beispiel beizubringen, an welche Position er laufen soll, dann können Sie ihn mit blauen Markierungen besser unterstützen als mit roten oder grünen.
Die Bewegung macht das Sehen scharf
Vielleicht kennen Sie die Situation:
Ein Reh erstarrt am Waldrand in der Bewegung, als es Sie und Ihren Hund bemerkt. Sie haben den braunen Punkt in der Ferne schon erspäht, Ihr Hund dagegen schaut zwar in die Richtung, scheint das Reh aber nicht zu sehen.
Und das kann er auch nicht, denn Hunde sind kurzsichtig. Ein Bild wird für einen Hund nach sechs Metern Entfernung schon leicht verschwommen, während wir Menschen im Allgemeinen noch auf 23 Meter Entfernung scharf sehen. Ganz anders sieht es dagegen aus, wenn sich das entfernte Objekt bewegt.
Dann sehen Hunde doppelt so scharf wie wir. Sie können bewegliche Objekte noch in einer Entfernung von 800 bis 900 Metern erkennen, wie der ungarische Verhaltensbiologe Adam Miklosi 2008 herausfand. Deswegen kann es gar nicht schaden, wenn sich Ihr Hund weit von Ihnen entfernt hat und Sie das Gefühl haben, dass er Sie aus den Augen verloren hat, beim Rückruf zum Beispiel mit den Armen zu wedeln oder sich anderweitig zu bewegen.
Farbspektrum Mensch und Hund im Vergleich
Menschen besitzen drei Farbrezeptoren im Auge, Hunde nur zwei. Deswegen wirken Rot und Grün für sie ähnlich. Ein Hund kann also zum Beispiel eine rote Frisbee-Scheibe und den grünen Rasen kaum voneinander unterscheiden.
Bewegungsschärfe
Bewegliche Objekte verfolgen
Der optokinetische Reflex ist bei Hunden viel stärker ausgeprägt als bei Menschen. Sie können bewegliche Objekte in einer Entfernung von 800 bis 900 Metern erkennen, die sie unbewegt 500 Meter entfernt nicht wahrnehmen
Schädelform
Dolichocephal
Hunde mit längerem Schädel lassen sich durch das größere Gesichtsfeld stärker ablenken
Schädelform Brachycephal
Kurznasige Rassen können die Aufmerksamkeit besser nach vorne richten und können zum Beispiel Zeigegesten besser erkennen
Weniger Überblick trotz größeren Gesichtsfelds
Während wir Menschen ein Gesichtsfeld von 180 Grad haben, verfügen Hunde über eine viel größere Rundumsicht, nämlich etwa 240 Grad. Das liegt daran, dass ihre Augen seitlicher am Kopf liegen als unsere. Der Vorteil:
Sie können auch Bewegungen wahrnehmen, die hinter ihnen passieren.
Der Nachteil: Es ist für sie schwieriger, Objekte zu fokussieren. Das liegt auch an ihrer Kopfform. Hunde mit langgestrecktem Kopf haben statt der Seegrube, dem Punkt schärfsten Sehens (Fovea), einen waagerechten Streifen, auf dem sie scharf sehen. Wenn sie also den Kopf neigen, wenn sie etwas anschauen, versuchen sie, es besser zu fokussieren.
Manche kurznasigen Rassen verfügen dagegen über so etwas Ähnliches wie eine Fovea und können sich, weil ihre Augen näher beieinanderliegen, auch besser nach vorne orientieren. Was bedeutet das für unseren Alltag mit Hund?
Ein Boxer zum Beispiel wird Gesten, die vor ihm ausgeführt werden, besser deuten können als ein Windhund, der zudem auch noch durch die größere Rundum-Sicht viel leichter abgelenkt ist. Bei einem Galgo müssen Sie also unter Umständen mehr Geduld aufbringen, wenn es um das Erlernen von Signalen geht, als bei einem Chihuahua.
Gesichtsfeld
Die Augenposition bestimmt das Blickfeld
Wir Menschen haben dadurch, dass unsere Augen vorne am Kopf sitzen, ein Gesichtsfeld von 180 Grad, Hunde können je nach Augenposition etwa 240 Grad wahrnehmen
Die Welt mit der Nase sehen
Wenn es um das Riechen geht, sind wir Menschen aber komplett raus aus dem Vergleich. Nicht nur weil Hunde bis zu 300 Millionen olfaktorische Rezeptoren haben und wir nur 60 Millionen: Während unsere Nase sich an einen Geruch gewöhnt und ihn dann nicht mehr wahrnimmt, können Hunde mehrere Gerüche gleichzeitig verfolgen.
Wie das funktioniert? Beim Schnüffeln weiten sich die Nasenlöcher und öffnen oberhalb der Flügelfalte einen direkten Zugang zum Nasengang. Hier wird ein Teil der Luft in einen olfaktorischen Gang geleitet, wo sie in einer Vertiefung festgehalten und analysiert wird. Der Rest der Luft wird durch einen respiratorischen Gang wieder ausgeatmet. Hunde haben auch eine genaue Vorstellung davon, was sie da erschnüffeln. Deswegen ist für sie ein Verlust der Sehfähigkeit nicht so tragisch, sie haben andere sensorische Möglichkeiten, um sich ein Bild von der Welt zu machen. Vor allem die Nase und natürlich ihr Gehör.
Hören Schlappohren schlechter?
Bekanntlich hören Hunde hohe Töne viel besser als wir Menschen. Kein Wunder, denn ihre Beutetiere, wie kleine Nager zum Beispiel, piepsen im Ultraschallbereich. Die Hundeohren funktionieren dabei wie Antennen und richten sich nach dem Geräusch aus.
Trotzdem können Hunde schlechter als wir unterscheiden, aus welcher Richtung ein Geräusch kommt. Das kann vor allem im Straßenverkehr fatal für unsere Vierbeiner sein. Woran das liegt, wurde bisher noch nicht ausreichend erforscht. Auch gibt es bisher keine aussagekräftigen Studien darüber, ob schlappohrige Hunde etwas schlechter hören als Hunde mit Stehohren.
Haben Hunde ein Ich-Bewusstsein?
Lange Zeit stand die Erfahrung der Hundehalter, dass Hunde ganz klar wissen, wer sie sind, im Gegensatz zur Forschung der Wissenschaftler.
Riechen
➊ Nasenmuschel, ➋ Geruchsepithel, ➌ Nasennebenhöhlen, ➍ Gehirn, ➎ Riechkolben, ➏ Nasen-Gaumen-Kanal, ➐ Jacobsonsches Organ, ➑ Geruchsnerven
Instrument dieser Forschung ist normalerweise der Spiegel-Test, bei dem bewertet wird, ob sich Tiere im Spiegel selbst erkennen. Das tun Hunde nicht. Doch wenn man weiß, dass das Sehen in ihrer Erlebniswelt eine eher untergeordnete Rolle spielt, dann liegt es nahe, dass ihr Selbstbewusstsein möglicherweise an anderen Wahrnehmungen hängt. Wie am Eigengeruch. Und den können Hunde sehr wohl unterscheiden. Sie riechen zum Beispiel viel kürzer an ihren eigenen Duftmarkierungen, als an denen von anderen Lebewesen. Der amerikanische Evolutionsbiologe Marc Bekoff sieht darin einen klaren Hinweis auf ein ausgeprägtes Ich-Bewusstsein.
Die Sprache der Hunde
Hunde kommunizieren über viele Kanäle, vor allem natürlich über körpersprachliche Signale. Die Feinheiten dieser Signale füllen ganze Bücher. Wir wollen uns hier aber auf die hörbare Sprache der Hunde beschränken, das Bellen. Ihre Vorfahren, die Wölfe, bellen übrigens kaum. Dass Hunde öfter bellen und das auch aus den verschiedensten Gründen, scheint mit ihrer evolutionären Anpassung an das Leben mit uns Menschen zu tun zu haben. Ihnen steht eine erstaunliche Bandbreite an Tonfrequenzen zur Verfügung. Sie haben sehr flexible Stimmbänder, sodass Zeitpunkt, Tonhöhe und Lautstärke des Bellens stark variieren können.
Sie bellen nicht nur, wenn Menschen oder andere Hunde in Hörweite sind, sondern auch, wenn sie ganz alleine sind. Das legt den Rückschluss nahe, dass das Bellen in Verbindung mit den hündischen Emotionen steht und ein wichtiges Mittel der Kommunkation ist.
Bellen erfolgt oft in drei Stufen: einem „Vorbellen“, dann das volle Bellen und schließlich ein Nachbellen.
Wussten Sie, dass Hunde sogar ihre Stimme verstellen können? Das tun sie allerdings nur in Spielsituationen.
Da bellen sie tiefer und voller und imitieren so einen großen, bedrohlichen Hund. Versuche haben gezeigt, dass Hunde allerdings sehr wohl unterscheiden können, ob das Bellen oder Knurren, das sie hören, spielerisch „tiefergelegt“ ist oder ob es ernsthaft bedrohlich gemeint ist.
Hören
Verschiedene Hörbereiche
Niedrige Frequenzen bis 40 Hz hören Hunde und Menschen gleich gut, bei hochfrequenten Tönen sind Hundeohren dem menschlichen Gehör, das Töne bis maximal 20.000 Hz wahrnimmt, weit überlegen
Kleines Lexikon des Bellens
▷ Ressourcen bewachen Lang anhaltendes Knurren, (1-4 kHz), oft auch grimmig, gefolgt von einem kurzen, prägnanten Bellen
▷ Ein fremder Mensch kommt Kräftiges, wiederholtes und scharfes Bellen unter Einsatz des vollen Stimmbereichs, bei gefühlter Bedrohung gefolgt von Knurren
▷ Alleine bleiben Bei jungen Hunden kurzes Kläffen und lang anhaltendes „Fiepsen“ in hoher Tonlage (über 12 kHz)
▷ Freude Scharfes Kläffen in mittlerer Tonhöhe (mit Sprüngen und Schwanzwedeln), das dazu auffordert, sich mitzufreuen
Wie Hunde denken
In der Wissenschaft bezieht sich der Begriff Denken vereinfacht ausgedrückt auf komplexe Prozesse, die analysiert, organisiert oder kombiniert werden, um ein Ziel zu erreichen oder ein Problem zu lösen. Die kognitiven Fähigkeiten eines Hundes werden von der Umwelt geformt, in der er überleben muss. Sein Denken dreht sich vor allen Dingen um den Erhalt von Ressourcen. Die wichtigsten sind Futter und andere Beute, das Revier und die Sexualpartner. Darauf sind seine Wahrnehmung und seine Aufmerksamkeit gerichtet. Die Jagd erfordert es zum Beispiel, dass er seine Beute auch weiter verfolgen kann, wenn sie zeitweilig außer Sicht ist. Er muss sich an sie erinnern können. Das tut er, indem er Verknüpfungen herstellt, zum Beispiel zwischen dem Objekt und dem Ort, an dem es verschwunden ist.
So funktioniert grundsätzlich auch das Gedächtnis und damit das Lernen unserer Vierbeiner: Sie verknüpfen die Dinge, die eine Bedeutung für sie haben, mit zeitlichen oder räumlichen Bezügen. Deswegen kann sich ein Hund auch noch daran erinnern, wo er letzten Sommer einen Knochen vergraben hat, aber nicht daran, dass er vor zwei Minuten im Wohnzimmer eine Pfütze hinterlassen hat. Der Knochen hat eine Bedeutung für ihn, die Pfütze nicht.
Wenn wir also möchten, dass er sich an gewisse Dinge erinnert, dann sollten wir diesen eine Bedeutung verleihen, die er nachvollziehen kann. Am einfachsten geht das natürlich durch die Verknüpfung mit Futter und anderen positiven
Verstärkern wie Spiel, Lob oder Zuneigung. Negative Verknüpfungen wie Strafen funktionieren nach demselben Prinzip, sollten aber, wenn überhaupt, nur in Notfällen eingesetzt werden.
Die Beziehung zum Menschen
Soziale Reize spielen bei Hunden eine größere Rolle als bei anderen Säugern.
Und neben den Artgenossen ist der Mensch der wichtigste Sozialpartner. So haben Hunde im Laufe ihrer Evolution die Fähigkeit entwickelt, Informationen von Gesichtern zu unterscheiden, egal ob es die von bekannten oder fremden Menschen sind. Forscher der Lincoln-Universität in Großbritannien fanden heraus, dass Hunde eher die rechte Seite des menschlichen Gesichtes betrachten. Dort spiegelt sich die linke Gehirnhälfte, die sich mit emotionalen Informationen beschäftigt. Bisher konnte aber nicht klar erforscht werden, welche Schlüsse sie daraus ziehen.
Schon als Welpen entwickeln Hunde eine Präferenz für Augenkontakt mit dem Menschen. Das ist erstaunlich, da normalerweise ein anhaltender Augenkontakt mit Artgenossen eher als Bedrohung angesehen wird. In potenziell gefährlichen Situationen suchen sie aktiv den Blickkontakt zu ihrem Halter, um dessen emotionale Reaktion auf die vermeintliche Bedrohung zu entschlüsseln.
Bleibt er gelassen, gibt das dem Hund Sicherheit. Die Vorliebe für Blickkontakt lässt sich natürlich auch in der Hundeerziehung prima einsetzen. Man hat festgestellt, dass Hunde zum Beispiel einer Zeigegeste viel besser folgen können, wenn sie vorher Blickkontakt mit dem Halter aufgenommen haben.
Die Merkmale der Bindung
Grundsätzlich ist die menschliche Bezugsperson für den Hund etwas ganz Besonderes und kann auch nicht einfach durch eine andere ersetzt werden. Wird ein Hund von seinem Besitzer in einem Raum alleine gelassen, durchleidet er einen Trennungsschmerz, und die Anwesenheit eines anderen Menschen tröstet ihn keineswegs. In ihrem Bindungsverhalten erinnern Hunde an Kleinkinder.
Auch sie kann nichts trösten, wenn sie die Mutter vermissen. Sie gehen mit dem Menschen eine Bindung ein, die über eine reine Anhängigkeit, bei der die Grundbedürfnisse wie Schutz oder Nahrung befriedigt werden, hinausgeht.
Der Grad der Bindung ist dabei nicht abhängig von der Zeit, die Mensch mit seinem Hund verbringt.
Doch woran kann man erkennen, dass der Hund eine besondere Bindung aufgebaut hat? Der Verhaltensbiologe Ádám Miklósi hat dafür vier Hauptmerkmale definiert:
➊ Die sichere Basis, wenn der Hund bei der Erkundung eines unbekannten Terrains immer wieder den Kontakt aufnimmt.
➋ Der sichere Hafen, das heißt, bei Gefahr sucht der Hund beim Halter Schutz.
➌ Trennungsverhalten: Wird er in einer unbekannten Umgebung alleine gelassen, sucht er nach seinem Halter und zeigt „Trennungsangst“.
➍ Besonderes Verhalten gegenüber der Bezugsperson:
Er zeigt ein besonderes Begrüßungsverhalten und entspannt sich, wenn er mit seinem Menschen zusammen ist.Woher kommt diese Bereitschaft zur engen Bindung an den
Menschen? So ganz ist sich die Wissenschaft da nicht einig. Wahrscheinlich hat die Domestikation zur Entstehung dieser sozialen Fertigkeit beigetragen.
Denn selbst bei Wölfen mit intensiver Erfahrung mit Menschen ist eine solche starke Bindung nicht möglich.
Multifunktionale psychologische Beziehungen gibt es ausschließlich nur zwischen Mensch und Hund.
Seien wir dankbar dafür, dass unsere Hunde im Laufe der Evolution so viele Fähigkeiten entwickelt haben, um uns Menschen besser zu verstehen. Jetzt ist es an uns, es ihnen gleichzutun und zu versuchen, die Welt ein bisschen mehr mit Hundeaugen zu sehen.
HEIKE REINHARDT