... kam wieder ein neuer Faktor in die Quere. Aber was soll das Gejammer. Wir kennen das alle. Nur hatte ich die Nase voll von Physio, Ibuprofen, Tapes und was es sonst noch gibt, um Symptome zu bekämpfen. Die Ursachen galt es zu eliminieren. Und das habe ich 2022 ordentlich hinbekommen. Schmerzfrei! »Mind follows behaviour« bemerkte anfang des Jahres Dr. Scott Barry Kaufman im Podcast von Rich Roll. Wow! Welch simple Aussage mich doch triggern kann. Und so stellte ich diverse Stellschrauben neu ein. Regeneration im Vordergrund. Moderat gesteigerte Umfänge beim Training brachten entsprechende Erfolge – Stretching, Muskelaufbautraining und Ernährungsumstellung weitere. Die Schlafqualität steigerte sich immens und meine Herzfrequenz pendelte sich für meine bisherigen Verhältnisse sogar in einem nie dagewesenen Bereich weit unten ein.
Als unser Chef im Mai eine Runde Golf mit dem gesamten Team vorschlug, hörte ich eine innere Stimme sagen: Ich will auch! Jahre war ich aus verschiedenen Gründen nicht mehr auf dem Platz. 2021 fiel ich wegen einer Miniuskusverletzung aus – konnte aber auf dem Platz zumindest hinter der Kamera mit von der Partie sein. Aber jetzt, da ich wieder fit und voll motiviert auf dem Damm bin, wollte ich wieder die Schläger schwingen. Klar, nach so langer Abstinenz war realistisch betrachtet mit keiner Höchstleistung in Sachen Score und Schwungvermögen zu rechnen. Das war mir egal! Die Erwartungshaltung so gut wie nicht vorhanden. Woher auch? Ich war entspannt.
HERZFREQUENZ-TRAINING
Seit über dreißig Jahren betreibe ich jetzt schon Ausdauersport. Langstreckenlaufen und Mountainbiken waren und sind meine Leidenschaft. Die meiste Zeit davon waren Pulsmesser meine ständigen Begleiter. Nicht dass ich während des Sports ständig panisch auf das Display und meinen Puls starre. Ich war nie ein Freund dieser zahlengesteuerten Nerdigkeit, die mich mehr stresst, als sie mir gesundheitlichen Vorteil oder Lebensfreude verschaffen würde. Viel spannender waren für mich immer die Erkenntnis der Werte nach dem Training in Kombination mit meinem subjektiven Körpergefühl. Und als ich mit dem Golfsport anfing, war das auch nicht viel anders. Naja, das Spiel mit der Jagd auf das Handicap habe ich schon mitgemacht. Was allzu oft mehr Stress als Spaß gemacht hat. Aber das ist eine andere Geschichte.
EINE RUNDE IN 144 AKTEN: Die durchschnittliche Herzfrequenz (HF) auf dieser Runde betrug 106 bpm (beats per minute), wurde in 144 Teilabschnitten vom Messsystem mit Brustgurt aufgezeichnet und entspricht in etwa einer entspannten Wanderung. Signifikante Ausreißer unter 90 bpm traten lediglich bei den Wartephasen an Abschlägen auf (z.B. Punkt 6). Die sieben Stressoren-Punkte erklären sich in der Analyse der Runde wie folgt. An Trackpoint 1 kam ein kurzer Moment »Ärger über sich selbst« auf, der aber schnell in den Griff zu bekommen war. Punkt 2 ist ein kurzer Anstieg von Grün C3 zu Abschlag C4. Auch die Markierungen 3 und 4 sind anständigen Steigpassagen geschuldet. Die Bahn C5 spielt sich für mich »Shorty« relativ lang, sodass ich hier etwas mehr Power in das lange Eisen investieren wollte. Der Schlag war dennoch wie üblich zu kurz. Auf dem B-Kurs fühlte ich mich physisch wie psychisch völlig im Lot und hatte nur am Hang der B4 einen kleinen Peak nach oben. Der Ausschlag an der B9 (Punkt 8) lässt sich subjektiv wie objektiv nicht nachvollziehen. Insgesamt wird aber deutlich, dass Golf bei Betrachtung der Herzfrequenz aufgrund der Stop-and-Go-Belastung bei mir einen recht abwechslungsreichen Verlauf der HF-Kurve an den Tag legt.
DER PULS – INDIVIDUELLER GEHT’S KAUM
Bevor ich im Nachfolgenden auf meinen Selbstversuch in Sachen Golf und Puls eingehe, noch ein paar Worte zur Herzfrequenz: Diese ist bei jedem Menschen eine individuelle Zahl und kann ausschließlich auf eine Einzelperson bezogen werden. Eine Ableitung ist in meinen Augen nicht ratsam und macht relativ wenig Sinn. Zu viele Faktoren eines Individuums spielen hier mit rein. Stress, Erholung, Trainingszustand, Belastungsfähigkeit oder Schlaf, um nur ein paar zu nennen. Auch das Geschlecht trägt eine wichtige Rolle. Frauen haben zum Beispiel mitunter eine um zehn Schläge höhere Herzfrequenz als Männer. Nach dem Essen kann selbige sich ebenfalls um diese Anzahl erhöhen. Auch bei Profisportlern gibt es erstaunliche Besonderheiten. Während bei der Apnoe-Tauchlegende Jacques Mayol eine Ruhepuls von unter 40 kaum für Überraschungen sorgte, war bei der deutschen Lauf-Ikone Dieter Baumann die Schlagzahl von 60 ein deutlicher Ausreißer nach oben. Wer also Lust auf ein HF-Monitoring bei alltäglichen und sportlichen Aktivitäten hat, sollte sich entweder ärztlichen Rat holen oder in Ruhe mit dem Thema ausgiebig beschäftigen.
SPORT-VERGLEICH: Die drei Sportarten Laufen, Golf und Bike zeigen im HF-Vergleich verschiedenste Belastungsspitzen. Während sich im linken Bild eine moderate Kurve basierend auf der Topographie der Strecke darstellt, zeigt sich bei der Mountainbike-Tour rechts aufgrund von starken Anstiegen, Downhill-Fahrten und homogenen Streckenabschnitten mehr Varianz. Beide Trainingseinheiten fanden in der Grundlagenausdauerstufe GA 2 (3 von 5) statt. Beim Golfen war die Belastung überwiegend im regenerativen Bereich (1 von 5) – der Rest dann in der Stufe GA 1. Aufgrund der Dauer der Golfrunde in Relation zur Wechsellast zwischen Gehen und Stehen (Wartezeit und Golfschläge) erklärt sich der zackige Verlauf der Amplituden in der Kurve.
AUF DIE TEE-BOX, FERTIG, LOS!
Aber jetzt mal ab auf die Runde. Es ist Montag, es ist ruhig und der Wetterbericht sagt ordentlich Hitze an. Schon auf der Range werde ich sowohl golferisch wie auch pulstechnisch in die Schranken gewießen. Ersteres wegen der langen Spielpause – zweiteres, weil mich das nicht abrufbare Können stresst. Ersteres erwartungsgemäß – zweiteres absolut unerwünscht. Bis zu 130 Schläge pro Minute leistet die Pumpe auf der Range. Mal sehen, wie das auf dem Platz wird. Auf dem Puttinggrün wiederum pendeln sich Herz und Hirn wieder ein und es macht sich Gelassenheit breit. Es geht um nichts und ich bin hier, um Spaß mit den Kollegen und in der Natur zu haben.
Eigentlich witzig, dass ich fast noch nie mit meinen Kollegen in all den Jahren gespielt habe. Die ersten neun Löcher spielen wir auf dem C-Kurs. Zusammen mit Dagmar Kaske und Philip Artopé darf ich auf die Runde. Ich drücke bei meiner Suunto-Uhr auf die Starttaste, beachte sie 18 Löcher nicht weiter und los geht’s. Mal abgesehen von einer nicht ganz unbeachtlichen Anzahl an Hackern, Toppern und ähnlichen Fehlschlägen läuft die Nummer aber entspannt ab. Ich freue mich über jeden guten Schlag und schenke den schlechten keine weitere Beachtung. Viel mehr freue ich mich über das Jetzt. Dagmars Tiefenentspanntheit scheint sich ebenso auf mich zu übertragen, wie Philips Gelassenheit. Der Wind, die Sonne und die uns umgebende Landschaft und Tierwelt tragen ihres bei. Meine wiedererlangte Fitness macht auch die inzwischen sportlich etwas ungewohnten Bewegungsabläufe enorm leicht. Und Gott sei Dank habe ich mich für einen Trolley entschieden. Muskulatur und Gelenke bedanken sich ebenfalls. Läuft!
Die zweite Hälfte findet auf dem B-Kurs mit Carina Rey und Ingo Grünpeter statt. Zwar ist diese Schleife für mich subjektiv etwas schwieriger zu spielen, aber auch hier fühle ich mich pudelwohl und völlig bei mir. Es gibt ein paar Löcher, die ich partout nicht mag, aber die perlen heute an mir ab, wie Wasser auf dem Pfeilgiftfrosch. Gefühlt werden die Schläge immer besser und ich treffe den Ball auch wieder solider. Auf den letzten sechs Löchern tritt ein Zustand ein, den ich auf dem Platz so gut wie noch nie erlebt habe. Stille macht sich breit. Im Kopf, im Körper und überhaupt um mich herum. Ich fühle einen Flow. Was für ein wundervoller Sport. Ich liebe diese Gelassenheit des Seins.
FAZIT
Der Körper hält – die Pumpe auch. Und bis auf ein paar Stressoren während der Runde erklärt mir am Ende des Tages die Auswertung der Pulsuhr, dass hier alles im grünen Bereich ist. Physisch wie emotional. Abgesehen von etwas Gewichtsverlust ist auf den Fitnesszustand Verlass. Gut, etwas Muskelkater die Tage danach. Aber das ist hinsichtlich eines großartigen Erlebnisses vernachlässigbar.