... Kunden gewünschte Produktverbesserung lässt sich mit dem verfügbaren Personal noch realisieren. Für strategische, zukunftsgerichtete Innovationen bleibt aber häufig keine Zeit – das ist der Hemmschuh der digitalen Transformation im Mittelstand. Die Folge: Die Digitalisierung von Prozessen stockt, die Potenziale digitaler Geschäftsmodelle werden kaum genutzt, die IT-Organisationseinheit ist noch zuständig für den Betrieb der Infrastruktur und beteiligt sich nicht an der Wertschöpfung.
Wie lässt sich nun bei dieser Ausgangslage die Blockade lösen? Das neue bayerische Cluster für Innovation und digitale Transformation (CIDT e.V.) hat darauf eine pragmatische Antwort entwickelt: durch einen Prozess, der Schritt für Schritt in die Unternehmen integriert wird, der die Innovationsstrategie ins Zentrum der Innovationsaktivitäten stellt und der den Aufbau einer digitalen Kultur fördert. Und sie nimmt Unternehmen beim Aufbau der dazu erforderlichen Strukturen an die Hand.
MIT ACHT SCHRITTEN INNOVATIONSLEISTUNG UND DIGITALISIERUNGSGRAD STEIGERN
Die digitale Kultur eines Unternehmens lässt sich beschreiben durch das Digital-First Mindset und die Zahl datengetriebener Entscheidungen. Weitere vielleicht auf den ersten Blick nicht so offensichtliche Kriterien sind Kundenzentriertheit, Kollaboration, Offenheit und Agilität.
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Diese sechs Faktoren sind vom CIDT e.V. identifizierte Ansatzpunkte für die digitale Transformation von Unternehmen. Sie wurden in ein neu entwickeltes Managementsystem mit dem Namen Praxismodell für Innovation und digitale Transformation (PIDT) integriert. PIDT verbindet die Elemente des klassischen Innovations- und Ideenmanagements mit den genannten Elementen einer digitalen Kultur.
PIDT ist gegliedert in acht vom Unternehmen wiederholt zu durchlaufende Schritte. Das Modell formuliert Aufgaben, die zu bearbeiten sind, bevor ein Schritt abgeschlossen werden kann. Im Ergebnis werden mit PIDT die Voraussetzungen dafür geschaffen, die Innovationsleistung kontinuierlich zu steigern und die digitale Transformation zu meistern.
STRATEGISCHE SUCHFELDER BESCHREIBEN
Am Anfang des PIDT-Prozesses steht die Bestandsaufnahme. Dabei werden Innovations- und Digitalisierungspotenziale, Trends und neue Wettbewerber identifiziert. Konkret wird beispielsweise empfohlen, die Rolle der IT-Abteilung im Unternehmen im Blick auf ihren Wertschöpfungsbeitrag zu analysieren und Workshops zur Identifikation neuer digitaler Geschäftsmodelle durchzuführen. Sind diese Grundlagen geschaffen, kann mit der Formulierung der Innovationsund Digitalisierungsstrategie begonnen werden.
In der Regel findet man in mittelständisch geprägten Unternehmen keine Innovations- und Digitalisierungsstrategie, die diesen Namen verdient. Dieses Fehlen führt zu nicht abgestimmten Projekten und vor allem zu Innovationsleistungen, die sich ausschließlich am kurzfristigen Kundenbedürfnis orientieren. Auf der Strecke bleiben dabei häufig Marktinnovationen, disruptive Innovationen und interne Prozessinnovationen.
In der Innovations- und Digitalisierungsstrategie sollen daher strategische Suchfelder beschrieben werden. Sie bilden den Ausgangspunkt für die spätere Ideensuche. Ein Suchfeld wird definiert durch Innovationsart, Innovationsgrad, Zeithorizont und Zielgruppe. Suchfelder können Digitalisierungsmaßnahmen, neue Produkte oder neue Märkte beschreiben. Sie sind das Steuerinstrument für die gesamte Innovationstätigkeit und damit auch für die digitale Transformation.
MENSCHEN INS ZENTRUM RÜCKEN
Ist die Strategie formuliert, gilt es, die Mitarbeiter mitzunehmen. Wichtig ist, dass man ihnen die Strategie im Kontext ihres jeweiligen Tätigkeitsfeldes möglichst konkret vermittelt und dabei Stimmungen und Persönlichkeiten berücksichtigt. Die Strategie sollte dabei auch visualisiert vermittelt werden.
Sind die Suchfelder definiert und die Mitarbeiter informiert, werden den Suchfeldern Teams und Budgets zugewiesen. Zudem muss ein Budget für Innovationsexperimente festgelegt werden. Dieses steht für die Weiterentwicklung von Innovationsideen grundsätzlich allen Mitarbeitern zur Verfügung.
Bevor die Ideengenerierung zu den Suchfeldern startet, ist es wichtig, in der Organisation die Voraussetzungen für agiles Arbeiten zu schaffen. Dazu werden Regeln für die Bildung von selbstorganisierten Teams formuliert, die bei der Ideenbewertung und -umsetzung eine wichtige Rolle spielen.
KOOPERATION MUSS AN BEDEUTUNG GEWINNEN
Weitere organisatorische Grundlagen für die Arbeit in der digitalen Welt sind die Einführung von Kooperationspartnermanagement und Schutzrechtemanagement vor dem Hintergrund einer verstärkten Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen sowie die Beteiligung von Mitarbeitern bei der Ideenfindung.
Nach der Vorarbeit beginnt das Ideensammeln zu den Suchfeldern. Damit dieses zu möglichst vielen Innovationen führen kann, sollten kreativitätsfördernde Methoden angewendet sowie möglichst Ideengeber von außerhalb des Unternehmens gewonnen werden und zügig Ideenbewertungen durch Kunden über Prototypen erfolgen. Dabei kann der Kunde auch ein Kollege sein, etwa, wenn es um interne Prozessinnovationen geht.
Agiles Arbeiten wird sowohl bei der Ideenbewertung wie auch bei der Durchführung von Entwicklungsprojekten genutzt. Während des gesamten Entwicklungsprozesses dürfen der Kundennutzen und die Innovations- und Digitalisierungsstrategie nicht aus dem Blickfeld geraten. Werden die genannten Schritte wiederholt durchlaufen und Suchfelder zur Erhöhung des Digitalisierungsgrads von Produkten und Prozessen definiert, steigt die Digitalkultur im Unternehmen kontinuierlich an. Zuletzt wird der Umsetzungsgrad von PIDT im Unternehmen gemessen. Er soll dazu motivieren, kontinuierlich weiter an der Verbesserung zu arbeiten.
DIE AUTOREN: PROF. DR. MARTIN HOBELSBERGER
ist Professor für eingebettete Software Systeme an der Hochschule München und Vorstand des CIDT e.V. Selbst Entrepreneur und Mit-Gründer eines erfolgreichen Start-Ups - berät und begleitet er Unternehmen bei den Herausforderungen der digitalen Transformation, zu digitalen Geschäftsmodellen und Technologien vor allem rund um das Thema IoT.
DR. HERBERT VOGLER
ist der geschäftsführende Vorstand des CIDT e.V. Seit 20 Jahren beschäftigt er sich in unterschiedlichen Positionen mit dem Thema Digitalisierung, zuletzt 12 Jahre als Geschäftsführer eines digitalen Gründerzentrums und 5 Jahre als für Digitalisierung zuständiger Bereichsleiter der IHK für München und Oberbayern. Aktuell ist er als Lehrbeauftragter für Digitalpolitik und Digitalethik an der Hochschule München tätig.