... Langlaufskiern umrundet Carmen täglich den gefrorenen Thukada Lake
Jeden Morgen muss der See für Wasser aufgehackt werden
Bei Minusgraden schmilzt der Holzvorrat rasend schnell dahin (links)
D avon habe ich immer geträumt. Allein mit mir, mit dem Eis und dem Schnee. Fernab von jeder Zivilisation in Kanada.“ Carmen Rohrbach hat diesen Traum gelebt: Von Februar bis Mai zog die Münchnerin in eine einfache Blockhütte nach British Columbia, an den Fuß der kanadischen Rocky Mountains zum zugefrorenen Thukada Lake.
Die 71-Jährige ist einsamkeitserprobt – allein hat sie monatelang schon fast die ganze Welt bereist und viele Bücher über ihr Erfahrungen geschrieben. Dieses Mal ist es Kanada, das zweigrößte Land der Erde. „Schon als Jugendliche habe ich Bücher über die Wildnis verschlungen“, erzählt sie und lacht, „und jetzt war der richtige Zeitpunkt für diese wunderschöne Gegend gekommen.“
Carmen Rohrbach hat schon sehr früh gelernt, ohne Menschen zurechtzukommen: Nach einem gescheiterten Fluchtversuch als 27-Jährige aus der DDR saß sie zwei Jahre im Frauengefängnis Hoheneck, ein halbes Jahr davon in der Isolierhaft: „Ohne Bücher, ohne Beschäftigung, ohne die geringste Ablenkung. Da habe ich gelernt, ganz allein mit mir zurechtzukommen. Meine Fantasie hat mir die allerschönsten und spannendsten Geschichten erzählt“, erinnert sich die promovierte Biologin. Dieses Wissen kommt ihr in der Einsamkeit in der Blockhütte zugute. Auch hier gab es keine Ablenkung. Allerdings musste sie sich alle drei Tage per Satellitentelefon bei dem Guide melden, der die Hütte vermietet hat – damit er wusste, dass es ihr gut ging.
„Hier gibt es keine Menschen, nur unberührte Natur“
Noch im März und April herrschten eisige Temperaturen. „Morgens waren es mitunter minus zehn Grad in der Hütte“, erzählt Carmen Rohrbach. Ihr Tagesablauf: um 6 Uhr aufstehen, Feuer im Ofen machen, das Loch im See aufhacken für frisches Wasser. Frühstück für sie selbst, die Streifenhörnchen und die Meisenhäher zubereiten. Dann raus mit den Langlaufskiern, um den See herum, für mehrere Stunden, anschließend Essen kochen, abwaschen, Tagebuch schreiben, den Ausblick genießen. „Das war Glück pur für mich“, erzählt die Weltreisende, „ich habe viele unglaubliche Momente in diesem großartigen Land erlebt. Den Wölfen bei ihrem Lied zugehört, dem Weißkopfseeadler und Otter beim Fischen zugesehen, den Elchen in nächster Nähe in die Augen geschaut. Die Bären halten zum Glück Winterruhe, bis der Schnee schmilzt. Aber dann kommen sie extrem ausgehungert aus ihren Höhlen und können einem Menschen gefährlich werden.“
Ende Mai wurde der Schnee weich, der Flieger für die Rückkehr war bestellt. Am letzten Tag begegnete der Abenteuerin noch ein Kojote: „Dieses Bild nehme ich in meinem Herzen aus Kanada mit. Es hält die tiefe Sehnsucht nach der Wildnis in mir wach.“
UNSER BUCH-TIPP:
Nichts als Schnee und Eis: ein Winterglück in der unberührten Natur von British Columbia in Kanada. „Mein Blockhaus in Kanada“, Carmen Rohrbach. 22 Euro. Malik Verlag
Fotos: Carmen Rohrbach