... zurück. Und mit dem erforderlichen Rating für zweimotorige Flugzeuge ausgestattet, war die Zielrichtung für ein eigenes Flugzeug klar gesetzt. Klassisch sollte es sein, mit zwei Motoren und, so Harlander, »man sollte ein paar Leute reinkriegen, um Ausflüge mit der Familie machen zu können.« Letzten Endes fiel ihm die Cessna 310 ins Auge. Mit rechteckigem Seitenleitwerk und den stromlinienförmigen Tanks an den Tragflächen-Enden entsprach sie ziemlich genau seiner Vorstellung eines klassischen Designs. »Die Cessna 310 hat es mir optisch wirklich angetan und ich habe Nachforschungen angestellt. Wo kommt sie her? Welche Geschichte hat die Maschine? Und dabei bin ich über die Fernsehserie gestolpert«, erklärt Harlander seine anfängliche Recherche.
Trio mit vier Fäusten
Denn ähnlich wie beim Trio mit vier Fäusten und ihrer als »Screaming Mimi« umlackierten Sikorsky S-58T gab es bei Sky King ebenfalls einen fliegenden Hauptdarsteller: eine Cessna 310. Auf dem noch schwarz-weißen Bild- schirm in den 1950er-Jahren ging Kirby Grant mit ihr als fliegender Cowboy auf Verbrecherjagd. Immer mehr fasziniert von der Cessna und der Fernsehserie, stellte Harlander dann allerdings fest, dass Grant ursprünglich gar nicht mit einer Cessna 310 flog. In der ersten Staffel war nämlich eine Bobcat die Heldin der Lüfte.
Diese zweimotorige Cessna war aber auch für ihn unbekanntes Terrain: »Davon hatte ich noch nie gehört und da ging es mir wohl nicht anders als denen, die zum ersten Mal vor einer stehen«. So war sein Interesse schnell geweckt. Die Cessna 310 verschwand von seiner Wunschliste, von der Bobcat kam er aber nicht mehr los. Die Maschine zu fliegen, war erst einmal nebensächlich für ihn, denn, so Harlander, »es war mal wieder ein Flugzeug, dass ich nicht gekauft habe, weil ich es irgendwo mal fliegen durfte und mich in seine Flugcharakteristik verliebt habe.« Die Wahl erwies sich als richtig, denn für ihn fliegt die Bobcat »wunderschön, harmonisch, eben wie eine Cessna. Es ist ein angenehm zu fliegendes Flugzeug.«
Kein Warbird, aber olivgrün
Aufgrund dieser Flugeigenschaften und trotz der hauptsächlichen Verwendung beim Militär qualifiziert sich die Bobcat nicht als Warbird, ist Harlander überzeugt. Die Bobcat war beim Militär ein Schulflugzeug und ursprünglich konzipiert als kleiner Airliner, um Leute von A nach B zu bringen. Das Militär hat sich die Einfachheit des Flugzeugs zunutze gemacht, um einen einfachen Trainer zu haben, auf dem man Einziehfahrwerk, zwei Motoren, verstellbare Propeller und so weiter schulen konnte. Und daher ist sie ein Schulflugzeug, wenn auch ein militärisches Schulflugzeug – letztendlich ebenso wie die Piper J3, nur in der fortgeschrittenen Variante.
Ungeachtet dessen steht die Bobcat jetzt aber in Olivgrün und Grau in Landshut – Harlander hat zugegriffen, denn: »Es war eine in einem traumhaften Zustand ausgeschriben.« Der Besitzer verkaufte sie aber nur unter der Bedingung, dass sie auch in diesem Zustand gehalten wird. Als Holzflugzeug war sie für den Vorbesitzer nicht geeignet, aber es war wiederum die Welt seines Großvaters. Daher war die Bobcat somit quasi Teil der Familie. Der mühselige Aufbau hatte die ganze Familie um die sieben Jahre gekostet. Jeder hatte mitgeholfen, damit der Flieger in den Zustand kommt, in dem er jetzt ist.
In einem Stück – nicht im Container
Über den Verkauf wurde man sich schnell einig und als neue Eigentümer wussten Konz und Harlander bereits, was ihnen demnächst bevorstehen würde: der Überführungsflug nach Deutschland. Ein Verschiffen im Container, wie für viele andere ältere Flugzeuge üblich, war bei der Bobcat nicht möglich, denn die Besonderheit der Bobcat ist der einteilige Flügel. Dabei sind beide Flügelholme von einem zum anderen Flügel-Ende durchgehend. Der vordere der beiden führt sogar prominent durch die Kabine hinter den beiden Pilotensitzen. Ansonsten besteht die Bobcat aber aus einer Gemischtbauweise. Die Flügel sind komplett aus Holz, allerdings hängen die beiden Motorgondeln an geschweißten Motorträgern aus Stahl, die auf den Holm gesetzt sind. Im Gegensatz dazu ist der Rumpf eine Stahlrohr-Konstruktion, die bespannt ist. Das Höhenleitwerk wiederum ist komplett aus Holz, die Seitenflosse ebenfalls. Gleiches gilt für die gesamte äußere Verkleidun – alles, was der Formgebung dient, ist aus Holz. Blech wurde nur an den Cowlings und den Motorgondeln verbaut.
"Alles, was der Form dient, ist aus Holz. Blech gibt’s nur an den Motorgondeln und Cowlings."
Nordost-Kanada, Grönland, Island, Schottland und schließlich noch der kleine Sprung über den Ärmelkanal – die ungefähre Route für die Überführung war gesetzt. Ebenso stand mit Blick auf Wetter und Tageslicht als Zeitraum der Hochsommer fest. Der organisatorische Aufwand, dieses Vorhaben mit einem Flugzeug aus den 1930er-Jahren durchzuführen, war dabei nicht unerheblich. Geeignete Flugplätze, auf denen auch Avgas getankt werden konnte, wurden ausgekundschaftet. Das galt ebenso für die Logistik bei der Beschaffung zusätzlicher Ausrüstung wie Überlebensanzüge, eine Rettungsinsel und ein Zusatztank.
Niagarafälle inklusive
Bereits die ersten Flugetappen in den USA waren alles andere als Routine, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten aber problemlos abzufliegen. Das hat in Harlander das Vertrauen für die gesamte weitere Strecke gestärkt. Zusammen mit Stephan Konz ging es auf dem Weg von Iowa zu den Niagarafällen in Kanada an Chicago vorbei, inklusive eines Rundflugs entlang der Millionenmetropole – für Harlander und Konz der erste präsente Eindruck dieser Tour. So wurde ihnen hier bewusst, dass sie vor dieser Skyline vor 30 Jahren noch daheim am Flugsimulator saßen, nun jedoch selbst in einem 80 Jahre alten echten Flugzeug mit zwei Sternenmotoren. Und auch der Rest des Überführungsflugs hat ihn nachhaltig beeindruckt. In Kanada übernahm im Cockpit der Bobcat Klaus Plasa den Platz neben Harlander. Mit seiner großen Erfahrung auf dieser Art von Flugzeugen und der bevorstehenden Flugroute war er der ideale Überführungspilot und Partner für dieses Vorhaben. Mit weiteren Stops, unter anderem an der Frobisher-Bucht nahe der Labradorsee, sollte es nach Grönland gehen, über die Weiten des Atlantiks und das ewige Eis.
Allerdings verhinderte das angekündigte Wetter die Überquerung zum ursprünglich geplanten Zeitpunkt. Die Wartezeit wurde aber gut genutzt. Etwa 25 Stunden Flugzeit waren seit dem Abflug in Iowa vergangen, es war somit ein guter Zeitpunkt für die Wartung der beiden Sternmotoren. Zündkerzen wurden geputzt, das Zündgeschirr überprüft und Verschleißteile ausgetauscht. Entsprechend vorbereitet ging es anschließend auf den wohl eindrücklichsten Teil der Reise.
Radarstation des Kalten Kriegs
Denn bei stahlblauem Himmel flog die Bobcat über das Eis von Grönland, unter anderem an der alten Radarstation DYE-2 vorbei. Die Station war Teil der Distance Early Warning Line (DEW Line) während des Kalten Kriegs, um Anflüge aus der Sowjetunion in Richtung Nordamerikas über den Pol rechtzeitig entdecken zu können. Inzwischen wurde sie aufgegeben und wird allmählich zugeschneit, bildet aber immer noch eine geografische Referenz in der weißen Weite Grönlands. Schon aus mehreren Kilometern Entfernung sieht man diese Kugel auf dieser schneeweißen Fläche. Und, so der Pilot: »Dann hat man plötzlich wieder einen Bezug zum Boden, das ist schon phänomenal.« Denn während der langen Stunden über Wasser oder dem Eis war die Geschwindigkeit nur vom Instrumentenbrett oder dem mitgeführten GPS-Gerät abzulesen. 130 bis 135 Meilen pro Stunde über Grund ist die normale Reisegeschwindkeit, aber zum Teil flog die Bobcat auch 180 Knoten bei Rückenwind, wie zum Beispiel auf der Teilroute von Island nach Schottland Ohnehin waren die Windverhältnisse im hohen Norden nicht so, wie er sie vom kontinentalen Wetter in Mitteleuropa her kannte. Harlander: »Die Landungen können dort deutlich sportlicher sein. Kulusuk auf Grönland zum Beispiel liegt hinter einem Hügel und hat bei Ostwind in beiden Landerichtungen Rückenwind.« In diesen Situationen war er sehr froh, mit Plasa einen Piloten mit ausgiebiger Erfahrung zu haben.
Dennoch ging es hauptsächlich mit den Eindrücken von farbenprächtigen Gletscherseen und dem Packeis, das in den Buchten treibt, weiter über Island bis Schottland. Und von Wick an der nordöstlichen Küste der britischen Insel schließlich auf die letzte Tagesetappe nach Landshut.
Die Dimensionen hatten sich da für die Besatzung schon ziemlich verschoben, so Harlander: »Heute mal eben so nach Holland oder England über den Ärmelkanal zu fliegen, das müsste jetzt nicht sein. Im Juli war es für uns aber tatsächlich die kürzeste Etappe der ganzen Strecke.«
Durstiges Unikat
Inzwischen steht die Maschine in Landshut im Flieger-Stadl und wird regelmäßig geflogen. 50 oder sogar 100 Stunden, wie sie für einen durchschnittlichen Oldtimer üblich sind, werden es aber nicht sein, denn die zweimotorige Bobcat ist recht durstig. Standschäden will man aber keinesfalls riskieren, außerdem müssen die Piloten in Übung bleiben. Und als Unikat wird sie das Interesse für die eine oder andere Veranstaltung wecken. Harlander und die anderen Piloten des Vereins wollen die Maschine gerne vorzeigen. Sie alle vertreten klar den Standpunkt, dass die Flugzeuge nicht irgendwo hinter Schloss und Riegel oder in ein Museum gehören, wo man sie sich irgendwo an der Decke hängend angucken kann, sondern dass man sie schon lieber erleben soll.
Nach diesem aufregenden Jahr ist allerdings erst einmal die Winterpause angesagt, der »Bamboo Bomber« wird im Landshuter Hangar 69 gründlich gewartet. Und auch hier zeigt sich der extrem pragmatische und simple Aufbau der Bobcat von Vorteil. »Und das ist das Schöne an dieser Bobcat«, findet Halrander«, denn »sie hat zwar zwei Motoren, ein Einziehfahrwerk und ist etwas größer, aber ansonsten ist es nicht viel mehr Technik als beispielsweise bei einer Bücker Jungmeister. Aber sie ist halt die einzige fliegende Bobcat in Europa.«
Cessna T-50 Bobcat »Bamboo Bomber«
Ihren Ursprung hat die Cessna T-50 Ende der 1930er-Jahre, von Cessna ausgelegt als fünfsitziges leichtes Transportflugzeug. Der Prototyp T-50 hatte am 26. März 1939 seinen Erstflug, die anschließende Markteinführung fiel jedoch mit Beginn des 2. Weltkriegs zusammen. Wie viele andere Flugzeuge dieser Zeit wurde das Flugzeug daher in den Folgejahren hauptsächlich militärisch eingesetzt.
Bereits 1940 gingen 33 T-50 als AT-8 an das U.S. Army Air Corps, das deren Tauglichkeit als Schulungsflugzeug untersuchen wollte. Der Tiefdecker versprach, ausgestattet mit einem einziehbaren Hauptfahrwerk und den an den Flügel-Hinterkanten elektrisch betätigten Klappen, gut geeignet für die Ausbildung zukünftiger Piloten zu sein. Die AT-8 bestand die Bewährungsprobe auch problemlos, jedoch nicht ohne Anpassungen, die nachfolgend in die AT-17 einflossen. Inklusive vieler Untervarianten war es die meistgebaute Version der Bobcat. Der Trainer für das U.S. Army Air Corps war mit Jacobs-R-755-9-Motoren mit jeweils 245 PS (183 kW) ausgestattet.
Die allermeisten der für den Transporter C-47, aber auch für mehrmotorige Bomber wie die B-17 Flying Fortress oder die B-24 Liberator eingeplanten Piloten hatten in den Folgejahren im »Bamboo Bomber« (eine Anspielung auf die hauptsächliche Verwendung von Holz) ihre ersten Berührungspunkte mit einem zweimotorigen Flugzeug mit Sternmotoren. Im Jahr 1942 bestellte die U.S. Army Air Force (der Nachfolger des Air Corps ab Juni 1941) die »Bobcat« zudem als leichten Personentransporter UC-78. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs produzierte Cessna mehr als 4600 UC-78 Bobcats für die USAAF, 67 davon gingen an die US-Marine als JRC-1.
Darüber hinaus produzierte Cessna unter anderem auch weitere 822 »Bobcats« für die Royal Canadian Air Force als Cran-1. Letztendlich wurden über 5000 Flugzeuge gebaut, einige Hundert fanden nach Ende des Kriegs ihren Weg in zivile Hände. Sie wurden von kleinen Fluggesellschaften, Charter- und »Busch-Betreibern« sowie Privatpiloten genutzt. Einige stattete man sogar mit Schwimmern aus und betreib sie als Wasserflugzeuge.