... seit 2003 Leiter der Konzertreihe „Orgelpunkt“ an der Kirche Unser Lieben Frauen in Bremen, seit 2006 Lehrbeauftragter an der Hochschule für Künste Bremen, seit 2007 Organist an St. Pankratius Hamburg-Neuenfelde, Mitbegründer der Arp-Schnitger-Gesellschaft Neuenfelde, CD-Produktionen, zuletzt mit Orgelwerken von Matthias Weckmann und Heinrich Scheidemann (beide MDG), Preisträger mehrerer internationaler Orgelwettbewerbe, Konzerte im In- und Ausland.
Die Antwort auf die so simple wie berechtigte Frage –„Was ist das Besondere an einer Schnitger-Orgel?“ – fällt schwer. Schnell kann man bei der Hand sein mit Begriffen wie „Hamburger Prospekt“ und „Werkaufbau“. Die Orgelbewegung hat Schnitgers Schaffen in problematischer Weise auf diese Schlaglichter eingeengt. Dabei baute Schnitger auch anderes: große Orgeln ohne Hamburger Prospekt wie in St. Johannis zu Magdeburg und im Bremer Dom (beide nicht erhalten und deshalb aus dem Blickfeld geraten) und kleine Orgeln, bei denen zwei Manuale auf ein gemeinsames Werk zugreifen. Das entsprach freilich nicht den Ansätzen der Orgelbewegung, und nur eine dieser kleinen Orgeln ist in Dedesdorf erhalten geblieben. Schnitger ging sehr auf die Wünsche seiner Auftraggeber ein. So unterscheiden sich Orgeln für reformierte Gemeinden in den Niederlanden in wesentlichen Punkten von denen für die lutherischen norddeutschen Kirchen. Man muss also weit ausholen, um ein einigermaßen vollständiges und zutreffendes Bild von Arp Schnitgers Orgelbaukunst zu vermitteln, und ungern möchte man es bei einer simplen Aussage wie „das besondere ist die Qualität“ belassen.
Schnitgers Arbeitsumfang und Werkstattorganisation sind einzigartig für einen Orgelbauer seiner Epoche. Er schuf über 100 Orgeln neu, daneben führte er zahlreiche Umbauten und Reparaturen durch. Er organisierte seine Arbeit wie ein moderner mittelständischer Unternehmer und ließ seine Gesellen in weit voneinander entfernten Orten in großer Eigenverantwortung arbeiten. Mit seiner beinahe unüberschaubaren Anzahl von Mitarbeitern arbeitete er im gesamten norddeutschen und niederländischen Raum vom Groningen bis Stettin, einzelne Lieferungen gingen nach Spanien, Portugal, Russland und England. Für die damalige Zeit war er ein „Global Player“ (Harald Vogel). In dieser Form hatte vor ihm noch kein anderer Orgelbauer gearbeitet, und sein Geschäftsmodell blieb auch lange danach ohne Nachfolge.
Arp Schnitgers Wahlheimat war das Dorf Neuenfelde, heute zu Hamburg gehörend. Seine erste Ehefrau Gertrud Otte stammte von dort, und hier verbrachte er auf dem „Orgelbauerhof“ den größten Teil seiner letzten 14 letzten Lebensjahre. In der St. Pankratius- Kirche befindet sich seine größte zweimanualige Orgel und direkt gegenüber der Orgel sein üppig verzierter Kirchenstuhl. In dieser Kirche wurde er am 28. Juli 1719 begraben. Die Neuenfelder Orgel stand von Beginn an im Mittelpunkt der Schnitger-Renaissance des frühen 20. Jahrhunderts, angeregt durch Hans Henny Jahnn und weiter gefördert durch den aus Neuenfelde stammenden Schnitger-Forscher Gustav Fock. Nach romantisierenden Umbauten des 19. Jahrhunderts wurde ab 1926 schrittweise die Originaldisposition wiederhergestellt, einer der ersten Restaurierungsversuche an einer norddeutschen Barockorgel. Danach folgten weitere Reparaturen und Anpassungen im Sinne der Orgelbewegung mit wenig überzeugenden klanglichen Resultaten. Erst die umfassende Restaurierung durch Kristian Wegscheider in den Jahren 2015 bis 2017 konnte der Orgel wieder ihren ursprünglichen Klang zurückgeben. Mit zahlreichen Konzerten und Veröffentlichungen in Buchform und auf CDs wird sie im Jubiläumsjahr 2019 einen Schwerpunkt im Gedenken an den berühmten norddeutschen Orgelbauer bilden.
Die Schnitger-Orgel St. Pankratius Neuenfelde
Alexander Voss
Die persönlichen Lebensumstände Arp Schnitgers sind bisher nur ansatzweise erforscht. Grundlage der Schnitger-Forschung sind die Aufzeichnungen des Groninger Organisten Siwert Meijer, der Mitte des 19. Jahrhunderts Dokumente aus dem Nachlass Schnitgers zusammenfasste und ins Niederländische übersetzte. Weitere Informationen liefern Akten aus den Kirchenarchiven und einige wenige Briefe Arp Schnitgers. Exemplarisch für die Jahre 1697/98 hat Konrad Küster aus diesen Quellen die Arbeitsabläufe nachgezeichnet und in Buchform veröffentlicht.
Ergänzend zum musikwissenschaftlichen Ansatz wurde anlässlich des Jubiläumsjahres auch nach neuen Vermittlungsformen gesucht. Um historische Personen auf bisher ungesehene Weise vorzustellen, entwickelte die Stader Malerin Anja Seelke das Konzept „Lesungen vor Porträts“. Vom barocken Orgelmacher ist die Staderin schon lange fasziniert: „Arp Schnitger war eine rundherum originelle Persönlichkeit, von Musik besessen und beseelt zugleich, sinnlich und intelligent, ein klangaffiner Künstler und ein kluger Handwerker – wenn er eine Kirche betrat, um eine Orgel auszumessen, wurde er erst mal ganz still.“ Durch ein speziell installiertes Bildnis bringt die Malerin die Verbundenheit des Orgelmachers mit seinem Instrument zum Ausdruck. In Lebensgröße erscheint Arp Schnitger an der Orgel, die er erbaut hat. In der sorgfältig recherchierten Lesung spielt seine Orgel eine zentrale Rolle, nicht nur inhaltlich, sondern auch klanglich. Barocker Orgelbau wird hörspielartig erlebbar gemacht. Lesung und Porträt vermitteln einen Zugang zu Arp Schnitger in seiner Zeit.
1 Konrad Küster,Arp Schnitger: Orgelbauer – Klangarchitekt – Vordenker , Kiel 2019.
2 Die Premiere von „,extra ordinaris goedt‘ – Orgelmacher Arp Schnitger“ findet am 13. Oktober 2019 in der St. Pankratiuskirche Neuenfelde statt. Das Festkonzert unter Mitwirkung des Ensembles „Vox luminis“ (Leitung: Lionel Meunier) und Hilger Kespohl (Orgel) wird am 28. Juli 2019 um 21:05 in der Sendung „Konzertdokument der Woche“ im Deutschlandfunk übertragen.