... sind mit Silberbeschlägen und Halbedelsteinen geschmückt.
Beute aus Silber, kostbares Pergament und verblüffte Piraten
Noch merkwürdiger erscheinen den Räubern die zwei Gestalten in schwarzen Wollkutten. Die haben keine Schwerter gegen die Angreifer gezückt, sondern diesen die Kreuze entgegengehalten, die sie um den Hals tragen. Statt Kampfgebrüll haben sie beschwörende Worte gemurmelt. Das ist alles recht unheimlich, und so lassen die Piraten die beiden Männer an die nahe Küste entkommen.
»Viele wurden durch ihr Vorbild und ihre Lehre bekehrt«
Ansgar-Biograf Rimbert über die erste Reise der Missionare
Den zwei Benediktinermönchen Ansgar und Witmar bleibt nun nichts anderes übrig, als sich auf den mühseligen Landweg nach Birka zu machen, einem bedeutenden Handelszentrum Skandinaviens und Residenz König Björns. Doch wie würden die beiden Glaubensboten – und kaiserlichen Botschafter – dort aufgenommen werden? Ohne die Bibeln und Messbücher, die Ansgar den erhofften neuen Christengemeinden zur Verfügung stellen wollte, und ohne die Geschenke für König Björn? Die Wikingerfürsten haben rasch begriffen, dass ein Weg, sich die Unterstützung des Frankenreichs zu sichern, die Annahme des christlichen Glaubens war. Sie sind aber noch Beutejäger genug, um für diesen Schritt auch reiche Geschenke zu erwarten. Dennoch bleibt Ansgar entschlossen »nicht umzukehren, bevor er nicht durch ein Zeichen Gottes wisse, ob in diesem Land eine Möglichkeit zur Verkündigung bestehe« – so der Chronist Rimbert in seiner Lebensbeschreibung Ansgars. Die beiden Benediktiner haben harte Missionsarbeit vor sich ...
Ansgar von Bremen
► um 801 Geburt in der Picardie
► 827 – 829 1. Missionsreise nach Dänemark
► 831 Erhebung zum Bischof mit Sitz in Hamburg
► 845 Plünderung und Zerstörung Hamburgs durch Wikinger
► 849 Erster Bischof der zusammengelegten Bistümer Bremen und Hamburg
► 865 Tod in Bremen
Ansgar ist vermutlich 801 als Sohn einfacher Leute in der Picardie geboren worden und in jungen Jahren in das Kloster von Corbie eingetreten. Er muss großes pädagogisches Geschick gezeigt haben, denn als die Mönche von Corbie an der Weser ein Tochterkloster »Neu-Corbie« (Corvey) gründeten, wurde Ansgar der Aufbau der dortigen Klosterschule anvertraut.
Karriere im Kloster und eine gefahrvolle Reise in den Norden
Corvey war ein wichtiger Vorposten des christlichen Glaubens wie der fränkischen Herrschaft im Sachsenland, das erst vor Kurzem unterworfen und missioniert worden war. Mit der zumindest formellen Eingliederung der Sachsen ins christliche Abendland war der Blick von Missionaren wie Politikern weiter gewandert, zu den Wikinger-Reichen in Skandinavien. Die loteten ihrerseits das politische und kulturelle Potenzial der neuen Nachbarn aus.
Als der dänische Regionalkönig Harald Klaks von Rivalen vertrieben wurde, wandte er sich hilfesuchend an Kaiser Ludwig, der 826 in der Pfalz zu Ingelheim Hof hielt. Harald wusste, wie er sich die Unterstützung des frommen Karolingers sichern konnte: Er bot an, sich und sein Gefolge taufen zu lassen und sein Reich christlichen Missionaren zu öffnen. In deren Reihen hatten die Dänen und andere Nordländer freilich den Ruf ebenso hartnäckiger wie gewalttätiger Heiden – wer würde so ein Himmelfahrtskommando übernehmen? Da brachte der Abt in Corvey Ansgar ins Spiel, der den heiligen Bonifatius, den »Apostel der Deutschen«, als sein großes Vorbild ansah – bis hin zum Märtyrertod. Tatsächlich nahm Ansgar den Auftrag an und trat im Gefolge Harald Klaks die Reise nach Dänemark an. Dessen Griff zur Krone scheiterte jedoch, und Ansgar konnte während zweier Jahre nur eher bescheidene Bekehrungen im Umfeld des Königshofs erreichen, den optimistischen Worten seines Chronisten Rimbert zum Trotz.
Inzwischen hatte den Kaiserhof ein weiteres Angebot aus dem Wikingerland erreicht, Glaubensboten willkommen zu heißen – diesmal von König Björn von Svealand. Auch diese Missionsfahrt schien unter einem Unstern zu stehen. Die Mönche wurden aber trotz der geraubten Geschenke von Björn freundlich aufge-nommen und erlebten in Birka Aufgeschlossenheit für die Verkündung des Evangeliums. Nicht zuletzt, weil es in Birka schon einige Christen gab, die bei Raubzügen der Wikinger versklavt worden waren. Ansgar konnte mit vielversprechenden Nachrichten zu Kaiser und Kirchenführern zurückkehren.
Diese erkannten die Notwendigkeit, das neue Missionsgebiet in die Kirchenorganisation einzubinden; für die Aufgabe eines »Bischofs des Nordens« bot sich niemand besser an als Ansgar, der 831 in dieses Amt berufen und geweiht wurde. Seinen Amtssitz bezog er in der befestigten Handelsstadt Hammaburg an der Elbe; die Kirchenhistoriker streiten bis heute, ob damals bereits ein eigenes (Erz-)Bistum Hamburg begründet wurde.
Beutezug an die Elbe und Kampf gegen die Kirche in Schweden
Der folgende Aufschwung Hamburgs lockte 845 prompt dänische und norwegische Wikinger an: »Die Heiden griffen an; schon war die Burg umringt. Da sah er (Ansgar) sich zur Verteidigung außerstande, und er sann nur auf die Rettung der ihm anvertrauten Reliquien. Ansgars Geistliche zerstreuten sich nach allen Seiten. Auch die Bevölkerung irrte flüchtend umher. Einige wurden gefangen, viele erschlagen.« Motiv des Angriffs auf Hamburg war schlichte Beutegier. Im selben Jahr kam es aber auch in Birka zu einem Aufstand, der sich ganz offen gegen den christlichen Glauben richtete und von Anhängern der nordischen Kulte gesteuert wurde. Ansgar stand vor den Trümmern seines Lebenswerks.
Doch er gab nicht auf, nicht zuletzt dank der Unterstützung der Reichskirche. Hamburg wurde mit dem bestehenden Erzbistum Bremen zusammengelegt und Ansgar auf dessen Bischofsstuhl berufen. Von Bremen aus organisierte und koordinierte er nun neue missionarische Vorstöße ins Wikingerland, unternahm aber auch selbst weitere Reisen nach Schweden und Dänemark. Dort erreichte er von dessen König Horich II. die Wiedereröffnung der Kirchen, die auf Drängen einer christenfeindlichen Adelspartei geschlossen worden waren. Solchen Erfolgen standen jedoch Rückschläge entgegen; so wurde 858 auch Bremen von den Nordmännern geplündert.
Die Christianisierung Skandinaviens war noch ein sehr fragiles Projekt, als Ansgar 865 in Bremen starb – nicht als Blutzeuge, wie er es sich gewünscht hatte, sondern an einer Krankheit. Der getreue Rimbert, der Ansgars Bischofsstab übernehmen würde, versicherte seinem Mentor auf dem Sterbebett, dass die Mühen, die er auf sich genommen habe, einem Martyrium durchaus gleichwertig seien. Die Verehrung des »Patrons des Nordens« als Heiliger setzte denn auch unmittelbar nach seinem Tod ein.
LESETIPP
David Fraesdorff: »Ansgar. Apostel des Nordens«. Topos 2009, € 9,95