... Deutschland heute blickt, wie viel Jüdinnen und Juden zur Gesellschaft beigetragen haben. Erfinder, Denker, Künstler – und ganz normale Durchschnittsmenschen, die nicht in den Geschichtsbüchern erwähnt werden. Gleichzeitig zeigt die Doku auch ausführlich das moderne jüdische Leben in Deutschland.
„Für mich war das eine aufregende Reise durch die deutsch-jüdische Geschichte und zu meinen eigenen Wurzeln“, sagt Susan Sideropoulos im Gespräch mit unserer Redaktion. Die 41-Jährige wuchs in Hamburg als Tochter einer jüdischen deutschen Mutter und eines griechischen Vaters auf. „Jüdische Werte und Traditionen wurden mir von klein auf vermittelt“, erzählt sie. „Wir haben alle wichtigen Feiertage mit der Familie gefeiert und sind dann auch in die Synagoge gegangen. Als Teenager war ich zweimal pro Jahr in einem jüdischen Feriencamp und habe dort meinen heutigen Mann kennengelernt. Wir führen die jüdische Tradition fort, geben sie an unsere Kinder weiter. Aber wir sind nicht religiös und machen am Schabbat alles, was strenggläubige Juden nicht machen dürften. Zum Beispiel arbeiten, Auto fahren und fernsehen.“ In der Doku wird deutlich, dass es keine einheitliche jüdische Identität und Lebensweise gibt, sondern eine fast schon verwirrende Vielfalt.
Blütezeit, Verfolg ung und Fröhlichkeit
In Deutschland waren Juden anfangs akzeptiert, dann folgten Phasen der Ausgrenzung und Verfolgung. Eine erste Blütezeit erlebte das Judentum ab dem 10. Jahrhundert. Jüdische Kauf leute wanderten aus Italien und Frankreich ein und ließen sich am Rhein nieder. Worms, Mainz, Speyer entwickelten sich zu bedeutenden jüdischen Zentren. Viele Gemeinden hatten Schutzbriefe, durch die ihnen, oft gegen Bezahlung, gewisse Rechte zugestanden wurden. Doch 1096 kam es zu Pogromen, bei denen christliche Kreuzfahrer ganze Gemeinden auslöschten. Um 1350 eskalierte der Hass erneut, als Juden für die Pest verantwortlich gemacht wurden. Mehr als 80 Prozent der 100.000 Juden wurden ermordet. Dennoch konnte jüdisches Leben in Deutschland fortbestehen. Als Hochphasen gelten das Kaiserreich ab 1871 und die Goldenen Zwanziger in Berlin, als Juden großen Anteil am Aufstieg des Landes zu einer Industrienation hatten und gleichberechtigte Bürger waren. Die Nationalsozialisten setzten dem 1933 ein Ende. Sechs Millionen europäische Juden fielen dem antisemitischen Wahn zum Opfer. Es grenzt an ein Wunder, dass es wieder jüdisches Leben in Deutschland gibt. Gewachsen sind die Gemeinden dank russischer Einwanderer Anfang der 1990er, etwa 200.000 Juden leben heute hier.
„Wenn man mich fragt, was ich vor allem mit dem Jüdischsein verbinde, denke ich nicht zuerst an den Holocaust“, sagt Susan Sideropoulos. „Sondern eher an den jüdischen Humor. Und an die Fröhlichkeit, die bei uns immer dazugehört. Ereignisse wie eine Bar Mitzwa werden überbordend gefeiert, das ist jedes Mal ein großes Miteinander. Bei solchen Anlässen entsteht ein Gemeinschaftsgefühl, das für mich ein wichtiger Teil meines Jüdischseins ist.“
Doch Ablehnung und Hass sind leider auch heute ein Thema für die jüdische Gemeinde. „Ich glaube, dass der Antisemitismus nie weg war“, sagt Sideropoulos. „Doch er zeigt sich immer wieder in einer anderen Form, und er ist allgegenwärtig. Dass die Schule meiner Kinder Polizeischutz benötigt, ist traurig. Dennoch sind meine Familie und ich glücklich in Deutschland. Wir fühlen uns hier sicher und sitzen nicht auf gepackten Koffern.“
SVEN SAKOWITZ