Nun stehen die Zeichen auf Anfang, der Stellantis-Konzern (Peugeot, Citroën, DS, Opel, Fiat, Alfa Romeo, Chrysler, Jeep, RAM, Maserati) gibt Geld.
Zwischen Tacho (bis 240!) und Drehzahlmesser (bis 9000 !) hat der Integrale Anzeigen für den Ladedruck des Turbo, die Wassertemperatur des Kühlkreislaufs, über dem Radio (Blaupunkt Freiburg mit Keycard) Öldruck und -temperatur. Alles bereit, wir lassen es krachen. Unter 3000 Touren ist der Delta ein ganz normales Auto, ab 4000 wird er zum kurvengierigen Donnerkeil. Wie er zackig einlenkt, wie er geschmeidig ums Eck wedelt, wie dieser Zwerg (1300 Kilo, verteilt auf 3,90 Meter) in der Spur bleibt, als wären seine 205/45-16er-Gummis von Pattex und nicht von Pirelli. So ging also früher Freude.
„Das mit ’nem neuen Delta kann nur was werden, wenn das Urmodell Pate steht. Kante und Sportlichkeit sind Pflicht.“
Werner Blättel, Lancia-Fan
Irgendwann stehen wir vor der Garage von Werner Blättel (58), davor parken ein weißer „Martini 5“ und der blaue Delta von Sohn Luca (26). Die Blättels sind eigentlich Familie Lancia, Papa hat 2005 ein Buch geschrieben über den Integrale, quasi das Standardwerk, wer es liest, weiß alles.
Und Luca war von Anfang an dabei. 1995 hatte Papa seinen „Martini 5“ mit 13 000 Kilometern für umgerechnet 20 000 Euro gekauft, 1997, als Luca mit Schnulli im Mund hinten in seiner Babyschale hockte, da fuhren sie zu den „Delta Days“ ins Aostatal (Italien). Als eine Frau vom Streckenpostenpersonal ins Auto guckte, sagte sie: „Un Bambino come un angelo“ – ein Baby wie ein Engel. Das muss Luca tief beeindruckt haben.
Wie Papa und Mama ist er Architekt, wie die beiden wollte er unbedingt Delta Integrale fahren. 1994, also mit 18 Jahren, hatte der Filius 30000 D-Mark gespart. Lancia-Spezialist Ralph Sauer aus Gold-bach (Bayern), den die Familie seit Beginn ihrer Lancia-Leidenschaft kennt, bot einen 92er Evo statt für 58 000 für nur 50 000 Mark an. „Meine Frau und ich guckten uns tief in die Augen“, erzählt Papa Blättel, „dann gaben wir den Rest dazu.“
Wenn sich Blättel und seine Frau Simone heute in die Augen gucken, können sie über die Preisentwicklung beim Delta Integrale nur noch lächeln. Der Wert des Martini, den sie mit 45 000 Kilometern nur noch selten rausholen, hat sich verzehnfacht, der Blaue mit dem rauchigen Auspuffsound würde heute 70 000 Euro kosten. Und was sagt das „Lancia-Lexikon“ zum Comeback als Stromer? „Na, ja“, Werner Blättel muss lachen, „ dem Thema Elektro müssen wir uns halt ergeben.“ Aber die Wiedergeburt könne nur klappen, wenn das Ur-Modell im Designstudio Pate stehe, wenn der neue Delta wieder die Ecken und Kanten bekomme, die ihm der Meister damals ins Blech geschlagen hat.
Giorgetto Giugiaro schuf in den 70ern ebenso Delta (1979) wie VW Scirocco (1974), beide hatten zwei Nachfolger, beiden hätte es besser gestanden, wenn sie wieder den Meister rangelassen hätten.
Dann müssen wir noch ein bisschen Landstraße fahren, der Rote, der Weiße, der Blaue; die Blättels wohnen zwischen Limburg und dem Westerwald, wo ein Delta so gerne um die Kurve knallt.
Zwischen 1987 und 1992 hat Lancia mit dem Delta HF sechs Mal in Folge die Rallye-Weltmeisterschaft gewonnen, die anderen Teilnehmer kamen sich in all den Jahren vor wie Pik sieben, wenn Karo Trumpf ist. Dem Delta Integrale merkst du sein Talent immer noch an, nach 28 Jahren.
Es gibt Youngtimer, die solltest du in guter Erinnerung behalten und nicht mehr fahren, sonst trübt die Begeisterung. Beim Delta Integrale ist das anders. Wenn du ihn auf Drehzahl bringst, wenn du ihn also bei Laune und seinen Turbo am Pfeifen hältst, dann wedelst du über den Asphalt, als wär’s der Prolog zur Rallye San Remo und nicht die L 315 zwischen Wallmerod und Meudt.
Bang! Boom! Bang!
„Der Preis für so einen Lancia Delta Integrale Evo 2: etwa 100 000 Euro. Die Reaktion der Menschen: unbezahlbar.“
Andreas May, Chefreporter
Eine Frage wäre da noch, lieber Lancia-Lover: Was hätte ich für so ein Fahrzeug zu investieren? Blättel, der im September im Montafon (Österreich) zum dritten Mal die „Lancia Legends“ organisiert, kennt Stückzahlen und Preise und Autos. Er sagt: „Der Markt ist sehr statisch. Es gibt 300 Integrale, was Neues ist selten, was länger steht, meist Murks.“ Den Wert unseres Evo 2 schätzt er auf 100 000 Euro: „Nur 60 000 Kilometer, top Wartungszustand, top Gesamtbild.“
An dieser Stelle müssen wir sagen, dass zu den 60 000 noch 451 Kilometer von uns draufgekommen sind. Und als wir an der Tanke stehen, 46,5 Liter Super 102 für 101 Euro und 37 Cent einfüllen, da kommt ein Mittvierziger auf uns zu, ist ganz aufgeregt: „Ich hab am Wochenende viele Autos gesehen, aber das ist das schönste.“
Ein Auskenner. So wie Fahrlehrer Matze und Nachbar Ede.