... Einwohner. „Hier fühle ich mich gut aufgehoben“, sagt sie. „Eigentlich gefällt es mir zu Hause, ich mag meinen Garten, die Umgebung, meine Freunde.“ Aber sesshaft werden möchte sie trotzdem nicht: „Emotional verwurzelt sein ist gut, angebunden sein ist schlecht für mich.“ Sie behauptet, sie habe das Reise-Gen in sich. Schon als Kind spürte sie den Drang nach Freiheit, das Unbekannte zieht sie magisch an – bis heute. „Reisen bereichert mich“, sagt sie.
Grenzenlose Freiheit
Für Aufsehen sorgte Flügel-Anhalt bereits 2018, als sie per Motorrad durch 18 Länder nach Zentralasien fuhr. Dabei hatte sie nicht mal den Motorradführerschein. Der Film und das Buch „Über Grenzen“ lösten einen großen Medienrummel aus.
Schon bei der Rückkehr spürt sie die Sehnsucht, wieder aufzubrechen. Ein Gewürz namens „Farben von Jaipur“ macht sie neugierig: Wie sehen diese Farben aus?
Sie will es mit eigenen Augen sehen – und hat ein neues Ziel. Also setzt sie sich in den 24 Jahre alten Benz, der auf ihrem Hof steht und mehr als 300.000 Kilometer auf dem Tacho hat. Warum es nicht damit versuchen? Bei der Abfahrt in Thurnhosbach im Oktober 2019 ist ein Filmteam dabei. Anfangs begleiten sie noch ihr Sohn und die Schwiegertochter. In der Türkei verabschieden sich die beiden am Flughafen, Margot Flügel-Anhalt fährt allein weiter. Stets dabei: die Kamera, die ihr das Filmteam mitgegeben hat.
Magische Momente
Ich mache keinen Urlaub. Ich reise, um das Leben zu spüren. Und ich treffe überall gute Menschen.“
Margot Flügel-Anhalt, Rentnerin
Sie erlebt magische Momente: etwa am Fuß des mächtigen Vulkans Ararat in der Türkei, in der einsamen Dascht-e Lut, der größten Wüste im Iran, oder am wunderschönen Kuang-Si-Wasserfall in Laos. Aber sie durchleidet auch bange Augenblicke. Ohne Visum und Pass kommt sie anfangs in der Türkei nicht weiter. Zwischendurch streikt das alte Auto, der Motor kocht, die Bremsen versagen. Mehrfach ist die Deutsche auf die Hilfe Einheimischer angewiesen – und die helfen immer, egal wo. „Die Menschen sind überall gut“, sagt sie.
Als sie in Iran unterwegs ist, sterben dort bei Unruhen 106 Menschen. Da das Internet gesperrt ist, wird sie von der Außenwelt abgeschnitten. In Pakistan darf sie nur mit bewaffnetem Begleitschutz durch eine Hochburg der Taliban fahren. Immer wieder kommt es zu Selbstmordattentaten. „Ich hatte kein Gefühl mehr für die wirkliche Gefahr“, berichtet sie rückblickend.
All diese heiklen Momente, die sie glücklich überstanden hat, schrecken sie nicht ab: „Ich möchte keine Sekunde missen“, sagt sie. „Ich mache keinen Urlaub, sondern reise. Das ist manchmal anstrengend. Aber ich fühle mich dabei frei und lebendig, bin ganz im Hier und Jetzt.“ Schon träumt sie von weiteren Touren. Im nächsten Jahr will sie auf dem Karakorum Highway, vorbei an einigen 8000er-Gipfeln, knapp 1300 Kilometer durch China und Pakistan fahren. Und warum nicht mal den 5000 Meter hohen Ararat besteigen? „Am liebsten wäre ich immer unterwegs. Ich möchte leben und Menschen begegnen.“
THOMAS KUNZE