... vereinen. Neben einem selbstbestimmteren Arbeiten ging es mir auch um einen positiven gesellschaftlichen Einf luss. Wie groß dieser werden würde, habe ich allerdings nicht kommen sehen: Durch Ooia bekommen wir so viele Bühnen geboten, an meiner alten Uni doziere ich z. B. jetzt vor jungen Studierenden darüber, wie sich Gewinn und Werte verbinden lassen und Unternehmertum die Welt verändern kann.
Die größte Hürde: Ich hätte nie gedacht, dass es so schwer sein würde, Investorinnen und Investoren zu finden. Menstruation ist ein Tabuthema, es war beinahe unmöglich, darüber sachliche Businessgespräche zu führen. Letztendlich haben wir eine Crowdfunding-Kampagne gestartet – in sieben Stunden sammelten wir die ersten 10 000 Euro ein.
Mein Tipp für Gründerinnen: Man muss sich überlegen, was einem bei der Unternehmensgründung besonders wichtig ist. Ein hohes Einkommen, Flexibilität, mehr Freizeit? Im nächsten Schritt sollte es darum gehen, welcher Job diese Kriterien erfüllen kann. Mir und meiner Geschäftspartnerin war es wichtig, mehr Zeit für die Familie zu haben. Wir schauen daher nicht nur auf den Gewinn, sondern auch, ob die Work-Life-Balance stimmt. Und sobald wir merken, dass wir gestresst sind, verändern wir was.
DIE IDEE: INDOOR-GEWÄCHSHÄUSER
Die Kräuter und Gemüsesorten von Osnat Michaeli, 45, findet man in Supermärkten und Restaurants
„Es kann beim Gründen ein Vorteil sein, wenn man branchenfremd ist“
Die Idee: Als ich meinen Freund kennenlernte, war er seit mehreren Jahren Selbstversorger. Das Gemüse, das er in seinem winzigen Apartment anbaute, schmeckte viel besser als alles, was ich davor gegessen hatte. Ich erkannte sofort das Potenzial dahinter. Heute verkaufen wir mit unserem Start-up Infarm ökologisch angebaute Kräuter und Gemüsesorten in eigens dafür entwickelten Gewächshäusern. Unser Ziel: eine Welt, in der Lebensmittel lokal und direkt vor der Tür angebaut werden, ohne Transportwege.
In meinem ersten Leben: Ich habe Chinesische Medizin und Shiatsu, Philosophie und Kulturwissenschaften studiert und eine Ausbildung an einer Filmschule absolviert. Es kann beim Gründen ein großer Vorteil sein, wenn man branchenfremd ist und eine breite Ausbildung hat. Ich bin neugierig und offen, das hilft mir, ungewöhnliche Verbindungen zu knüpfen und kreativ zu sein. Solange man Leidenschaft für etwas hat, kann man sich alles aneignen.
Mein Tipp an Gründerinnen: Es ist wichtig, seine Stärken und Schwächen zu kennen – und Mitarbeiterinnen einzustellen, die besser sind als man selbst. Man lernt von ihnen, kann an sie delegieren und sich auf das konzentrieren, was einem selbst am meisten liegt. Man sollte sich dabei nie von Lebensläufen beeindrucken lassen, die sagen wenig darüber aus, ob die Person tatsächlich ins Unternehmen passt.
DIE IDEE: EINE MÜTTER-COMMUNITY
Sara Urbainczyk, 40, aus Hamburg startete in ihrer Elternzeit mit zwei Kolleginnen die Plattform „Echte Mamas“
Die Idee: Wir wollten eine digitale Plattform bauen, die kein perfektes Mutterbild vorgaukelt, sondern das echte Leben zeigt. „Echte Mamas“ ist ein Ort, an dem sich Mütter vernetzen, unterstützen und Informationen finden können. Es geht um Erziehungsfragen, aber auch um Tabuthemen wie Fehlgeburt, unerfüllter Kinderwunsch oder Überforderung. Mittlerweile sind wir die größte digitale Community für Mütter im deutschsprachigen Raum.
Das hat mich motiviert: Ich habe jahrelang in verschiedenen Verlagen gearbeitet und dort große Websites betreut. Damals dachte ich oft: Was ich für meinen Arbeitgeber mache, kann ich eigentlich genauso gut für mich machen. Ich wollte schon immer gründen, doch Idee und Name sind erst langsam gereift.
Würde ich immer wieder so machen: Wir haben uns kleine Ziele gesetzt und sind mit einer Facebook-Seite gestartet. Als Nächstes folgte die Website, später der Instagram-Account. Diese „Proof of Concept“-Phase hat uns als Erstgründerinnen sehr geholfen. Wir hatten die Chance, Fehler zu korrigieren, und es machte auch finanziell Sinn. Alle Einnahmen aus Kooperationen, Werbung oder Inf luencer-Verträgen haben wir in das Unternehmen gesteckt, so sind wir zwar langsamer, aber nachhaltiger gewachsen. Wir konnten unsere persönlichen Traumjobs entwickeln.
„Wir haben erst zu viel selbst gemacht“
Würde ich heute anders machen: Rückblickend haben wir immer zu viel selbst gemacht. In einigen Bereichen, wie z. B. Buchhaltung oder IT, hätten wir uns früher Unterstützung holen sollen.
DIE IDEE: CATERING FÜR DIGITAL-EVENTS
Hochschwanger gründete Eileen Liebig, 35, innerhalb von drei Tagen ihr Unternehmen Online Event Box
So kam ich drauf: Vor der Pandemie habe ich Firmenveranstaltungen organisiert. Als plötzlich alle Events digital stattfanden, habe ich nach einer Cateringlösung für die Teilnehmer gesucht – und fand keine. Was für eine Marktlücke! Die Idee hat mich so überzeugt, dass ich gar nicht anders konnte, als sie umzusetzen. Seit April 2020 versenden wir individuelle Pakete aus Snacks, Drinks und Geschenken an Firmenkunden. In der vergangenen Weihnachtszeit haben wir 14 000 Boxen verschickt. Die Krise war meine Chance: Ich habe aus der Not heraus gegründet und meinen Traumjob gefunden. Im Frühjahr 2020 hatte ich die Wahl: von meinen Rücklagen leben – oder mit meinem Ersparten etwas Neues aufzubauen. In nur drei Tagen plante und gründete ich mein Unternehmen, von der Idee bis zur Homepage.
Würde ich immer wieder so machen: Mir war anfangs überhaupt nicht wichtig, alles perfekt zu machen, ich wollte aber unbedingt die Erste sein. Zeit zum Optimieren hat man später noch, dachte ich. Anfangs kaufte ich alle Produkte selbst ein, lagerte sie zu Hause und verpackte sie auf dem Wohnzimmertisch. Nach und nach mietete ich Räume an und stellte zehn Mitarbeiter ein.
Mein Tipp an alle Gründerinnen: Mir hat es sehr geholfen, mir nicht nur von Freunden Feedback einzuholen, sondern auch von Leuten, die meine Idee kritisch sahen. Verunsichert mich das, oder fühle ich mich bestärkt? Meine Reaktion war immer: jetzt erst recht. ❚