... Unzählige Sachen gehen mir durch den Kopf: Bin ich der Erste am See und kann ich mir den Angelplatz aussuchen? Wo stehen die Fische, habe ich alles eingepackt und nichts vergessen …?
IM SCHEIN DER STIRNLAMPE IST KEIN EIS ERKENNBAR. NOCH …
Ich setze den Blinker und biege auf den Parkplatz ab. Uuuuuuund...? Zweiter! Das ist okay, denn das Auto vor mir kenne ich. Mein Kumpel Kilian war heute ein wenig eher dran als ich. Ein bisschen müssen wir uns allerdings noch gedulden, bis um 5 Uhr 30 das Gelände öffnet. Morgens vor dem Tor oder auf dem Parkplatz zu warten und ein bisschen mit anderen Anglern zu plaudern, das gehört zum Forellenseeangeln dazu. Ich mag das Gesellige, selbst bei so kalten Temperaturen wie heute. Nach und nach werden es immer mehr Autos, und wenig später bewegt sich die Angler-Karawane Richtung Teich. Im Schein der Kopflampe ist kein Eis auf dem Gewässer zu erkennen. Das macht es einfach. Die Platzwahl fällt mir nicht schwer. Jeden Quadratmeter des Teiches habe ich über Jahre beackert und weiß daher genau, dass die Fische zu dieser Jahreszeit und bei den vorherrschenden Temperaturen im tieferen Wasser stehen. Der Übergang zum flacheren Teil dürfte heute sehr interessant sein, hier gibt es am Grund gute Strukturen, und die Forellen ziehen gerne an den Kanten entlang.
ES RÜHRT SICH REIN GAR NICHTS AN DIESEM MORGEN
Im Dunkeln passiert bei mir erst einmal nichts. Kein Anfasser, kein Schnurschwimmer, keine Forelle weit und breit. Ein Angler auf der gegenüberliegenden Seite fängt zumindest bis zum Hellwerden ein paar Fische. Alle auf Grund, mit auftreibendem Bait. So angle ich auch – manchmal gehört eben auch ein wenig Anglerglück dazu, was ich bislang offensichtlich nicht habe.
So werden auch Sie zum Rohrverleger:
Langsam wird es hell. Still und starr ruht der See. Keine Oberflächenaktivität, zum Glück ist in meinem Bereich noch immer keine Eisbildung zu erkennen. Auf der Straßenseite des Teiches, wo das Wasser deutlich flacher ist, sind bereits die ersten Eisschollen zu sehen. Der See friert langsam aber sicher zu. Das Thermometer zeigt jetzt sogar minus fünf Grad Celsius. Immer wieder kämpfe ich mit einfrierenden Rutenringen ...
ABSOLUT KLAR IST, WO JETZT DIE FISCHE STEHEN!
Die Fische stehen definitiv grundnah, da gibt es bei dem Wetter nichts dran zu rütteln! Der See ist hier circa 2,5 Meter tief und ganz unten herrschen für die Forellen noch angenehme vier Grad Wassertemperatur. Daher habe ich meine Montage auch dementsprechend ausgelegt. Ich angle mit der Posenmontage auf Grund. Klingt zunächst ungewöhnlich, hat aber einen enormen Vorteil: Ich kann genau den Bissverlauf verfolgen, wenn der Fisch meinen Köder aufgenommen hat. Schwimmt die Forelle nach links, rechts oder kommt sie auf mich zu? Das alles kann ich mit Hilfe der Pose erkennen.
DIE MONTAGE IST EINFACH. EINFACH GUT!
Der Aufbau meiner Montage ist simpel. Ich stelle den Abstand zwischen Pose und meinem Wurfgewicht größer ein, als es an der Angelstelle tief ist. Dadurch liegt mein Gewicht am Gewässergrund und die Pose liegt flach auf dem Wasser.
Auf meinem circa einen Meter langen Vorfach befestige ich einen T-Sinker. Das sind spezielle Wolframgewichte, die mit zwei Silikonschläuchen auf ein Fluorocarbon-Vorfach geklemmt werden. Durch Verstellen des T-Sinkers kann ich blitzschnell regulieren, wie hoch mein Köder vom Grund auftreiben soll.
Ich vermute, dass die Fische tief stehen, darum biete ich den Köder nur 20 bis 30 Zentimeter von unten an.
SCHON GLEITET DIE FORELLE ÜBER DEN KESCHERRAND
Dass dies die richtige Entscheidung war, zeigt sich schon nach kurzer Zeit. Bereits nach wenigen Minuten zieht die Pose weg, Anschlag – sitzt! Wenige Au-genblicke später gleitet eine herrliche Regenbogenforelle über den Kescherrand. Dieser Fisch hat definitiv eine tolle Pfannengröße. Im kalten, glasklaren Wasser des Wintersees sind die Fische in der besten Kondition. Sehr schön! Der Anfang ist gemacht!
Gebissen hat die Forelle auf einen kleinen Marshmallow, den ich zusätzlich mit einer leckeren Bienenmade garniert habe. Zusätzlich habe ich diesen Kombiköder noch mit einem speziellen Flavour-Spray besprüht, in diesem Fall in der Geschmacksrichtung Knoblauch.
Weitere auftreibende Köder, die bei mir im Winter nie im Gepäck fehlen dürfen, sind verschiedene Teigsorten und natürlich die ganz klassischen Bienenmaden, die ich gerne mit Styropor zum Auftreiben bringe.
DER EIMER FÜLLT SICH, DOCH DAS EIS KOMMT NÄHER
Jetzt habe ich den Dreh raus – und zudem die Fische gefunden. Immer wieder beißt es auf Grund. Langsam füllt sich mein Eimer und ich genieße ein wenig das herrliche Winterpanorama, allerdings nimmt das Eis bei mir am Angelplatz immer mehr zu. Nur in kleinen Lücken ist ein Durchkommen überhaupt noch möglich.
Ich senke meine Rutenspitze ins Wasser, damit zumindest der Spitzenring, der ja den geringsten Durchmesser hat, nicht ständig zufriert. Auch das Keschernetz habe ich vorsichtshalber ins Wasser gelegt. Hier ist es vor Frost sicher, denn mit einem steifgefrorenen Netz lässt es sich schlecht keschern.
Die Fische beißen eigentlich ganz gut, immer wieder gehen meine Posen auf Tauchstation. Ich entscheide mich trotzdem, einen Platzwechsel vorzunehmen. Am Einlauf des Sees ist das Wasser noch offen, hier zieht es mich und einige Angelfreunde hin. Der angrenzende Bach bringt konstant frisches Wasser in den Teich und hält durch die Strömung diesen Teil des Sees eisfrei. Derzeit die einzige Möglichkeit, überhaupt noch ohne Eis zu fischen!
DIE GOLDFORELLEN ZIEHEN AN DER EISKANTE ENTLANG
Als ich am Platz ankomme, sehe ich im flachen, klaren Wasser einige Goldforellen schwimmen. Sie patrouillieren genau an der Eiskante entlang. Ich entscheide mich, die Strömung für mich zu nutzen und meine Pose genau gegen die Kante treiben zu lassen. Dafür entferne ich den T-Sinker und schiebe einfach die Silikonschläuche über den Haken von meinem Vorfach herunter. So muss ich nicht erneut knoten. Bienenmaden sollen es jetzt richten. Die Pose treibt langsam mit der Strömung Richtung Eiskante, bis sie direkt am dünnen Eis zum Stillstand kommt. Langsam, ganz langsam geht die Pose unter, bleibt stehen, zieht ein wenig nach rechts und wandert dann unter die Eisfläche. Der Anhieb sitzt! Am anderen Ende wehrt sich ein toller Fisch, aber schnell ist klar, das ist keine Goldforelle. Eine wunderschöne Lachsforelle von knapp einem Kilo hat sich meinen Köder geschnappt. Häufig stehen die normalen Regenbogenforellen zusammen mit den Goldis im Schwarm. Allerdings sind sie für uns Angler nicht so leicht auszumachen wie ihre auffälligen Verwandten.
ROGEN FÄNGT ENTWEDER RICHTIG GUT – ODER GAR NICHT
Wenig später, als die Bisse nachlassen, probiere ich einen weiteren, klassischen Winterköder: Forellenrogen! Fische haben einen Wandertrieb und begeben sich im Winter zum Laichgeschäft. Dabei wandern sie im Fluss stromaufwärts – in einer kommerziellen Teichanlage zieht es sie häufig zu den Einläufen.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Rogen entweder richtig gut funktioniert oder gar nicht. Deshalb habe ich große Hoffnung, nachdem ich den Köder montiert habe und bereits nach kurzer Zeit einen herrlich gezeichneten Forellen-Milcher fange, darauf folgt eine Goldforelle.
Doch dann ist erst einmal lange Pause. Es scheint, als wären die Fische weg, vermutlich sind sie weit unters Eis gezogen. Alle Angler haben ganz ordentlich hier am Einlauf gefangen, die Fische sind wahrscheinlich durch den hohen Angeldruck verschreckt und befinden sich irgendwo unter der geschlossen Eisdecke. Jetzt muss ich suchen, wo sie sich gerade aufhalten ...
ANGELN UNTERM EIS – DAS KABELROHR MACHT’S MÖGLICH!
Zum Glück habe ich Kabelrohre im Auto. Hierbei handelt sich um klassische Aufputz-Leerrohre, die es in nahezu jedem Baumarkt für wenig Geld zu kaufen gibt.
Der Trick: Die Rohre werden nach Belieben zusammengesetzt und mit Panzer-Klebeband im Steckbereich zusätzlich gesichert. Im vorderen Bereich befindet sich ein Weinkorken, der luftdicht in das Rohr eingeklebt wird. Außer-dem ist eine selbstgebastelte V-Form an dem Korken am Ende des Rohrs angebracht. Mit dieser „Gabel“ kann die Montage unter das Eis und an die richtige Stelle geschoben werden!
Wie das geht? Ganz einfach. Bei einer dünnen Eisschicht reicht es aus, mit dem Kescherstiel ein kleines Loch ins Eis zu stechen. Anschließend entferne ich die Eissplitter mit dem Kescher. Dann lege ich die Schnur oberhalb der Montage in die Gabel und schiebe das Rohr ruhig, gleichmäßig und mit gespannter Schnur unters Eis. Die Kabelrohre, daher ist das Abdichten mit dem Korken wichtig, treiben auf und man kann bei klarem Eis leicht erkennen, wo man sich gerade befindet. Habe ich die richtige Stelle erreicht, ziehe ich das Rohr vorsichtig wieder zurück.
DAS VORFACH FÜR DAS FISCHEN UNTER DEM EIS
Die Waffen unter Eis sind also scharf. Mit den kurzen Eisruten habe ich einen guten Winkel zwischen Köder und dem ufernahen Loch, durch das die Schnur läuft. Eisruten haben übrigens extragroße Ringe, diese verhindern ein schnelles Einfrieren. Die Ruten lege ich auf ein kleines Tripod mit Buzzerbar-Auflage und elektronischem Bissanzeiger. So verpasse ich garantiert keinen Biss.
UND DANN BEGINNT DIE PIEP- SHOW AM ANGELTEICH
„Piep, Piep“ - es dauert nicht lange und der erste Fisch hängt! Im Laufe des Tages kommen noch weitere Fische hinzu.
Am späten Nachmittag beschließe ich, Feierabend zu machen. Ein anspruchsvolles, vielseitiges Angeln, bei dem man immer flexibel sein musste, liegt hinter mir. Happy und mit einem gut gefüllten Eimer Winterforellen fahre ich nach Hause. Als ich mich auf der Rückfahrt befinde, läuft die Heizung meines Autos auf vollen Touren. Die Finger werden langsam wieder warm, die Wangen sind krebsrot. Heute Nacht werde ich bestimmt gut schlafen können.