... der FAKT-Maßnahmen geschieht. Fest steht: Weidehaltung ist artgerecht, wirtschaftlich und die Nachfrage nach Milch von zufriedenen Weidekühen steigt.
Für die Weidehaltung gibt es keinen Goldstandard. Allerdings ist es auch nicht so, dass man beim Planen des Weidegangs für die Herde jedes Mal völlig neu beginnen muss. Eine Handvoll etablierte Systeme gibt es bereits. „Man muss die passende Weide für sich finden. Für manche passt auch eine Mischung von Systemen“, sagt Dr. Jonas Weber vom LAZBW Aulendorf. Mit verschiedensten Zielen von der Landschaftspflege bis zur Versorgung der Tiere mit Gras im idealen Zustand stehen Weidesysteme bereit. „Das Ziel ist, eine Harmonie zwischen Futterbedarf der Tiere und Futterangebot der Fläche herzustellen“, erklärt Weber. Diese Harmonie steuern die Weidemanager:innen. Die Kondition der Weide ist immer vom Standort abhängig, vor allem das Klima und die Nähe der Flächen zum Hof spielen eine Rolle. Der optimale Weidegrünlandbestand ist ertragreich, trittfest, schmackhaft und frei von Giftpflanzen.
Passendes Weidemanagement
Auf der intensiven Weide versucht man, die bestmögliche Futterversorgung für die Tiere zu erreichen, um die Grundfutterleistung zu optimieren.
Das reduziert den Kraftfutterbedarf bei zugleich guter Milchleistung. Hier kommt es auf eine geregelte Weideführung mit Pflegemaßnahmen und Düngung sowie Ruhepausen für den Pflanzenbestand an. „Die Aufwuchsmasse muss genau auf den Futterbedarf angepasst sein“, erklärt Weber. Sonst riskiere man eine Mangelernährung der Weidekühe. Die extensive Weide kommt bei standörtlich ungünstigen Futterflächen zum Einsatz. Der Einsatz mit geringer Intensität erhält eine hohe Biodiversität auf der Fläche und hält trotzdem die Landschaft offen. Viehbesatz und Leistung sind hier geringer.
Gut geeignet sind solche extensiven Systeme beispielsweise für Mutterkühe, Nachzucht und Trockensteher.
Weidesysteme im Vergleich
An Weidesystemen kommt beispielsweise die Umtriebsweide bevorzugt dann infrage, wenn die Weideflächen nicht homogen sind, wenig Weidelgras oder Wiesenrispe da ist und die Fläche nicht zusammenhängt. Auch ist die Umtriebsweide stark bei Sommertrockenheit, weil sich die Schläge nach dem Beweiden stets erholen können.
Wenn es keine Sommertrockenheit gibt, Weidelgras und Wiesenrispe da und die Flächen homogen sind, kommt die Kurzrasenweide infrage.
Sie beginnt mit dem Beweiden schon beim Ergrünen im Frühjahr. Bei Portionsweide oder intensiver Umtriebsweide wird meist erst bei einer Wuchshöhe ab 8 cm aufgetrieben. „Mit der Kurzrasenweide ist die Flächenproduktivität am höchsten, bei extensiver Umtriebsweide und Standweide ist die Flächenproduktivität in der Regel etwas geringer“, so Weber.
Je extensiver das Weidesystem, desto diverser der Pflanzenbestand. Bei der Kurzrasenweide wird ständig dieselbe Fläche beweidet, bei der Umtriebsweide sind die Tiere einige Tage pro Woche auf einer Koppel. Es kann auch Mischformen geben, wie eine sehr kurz geführte Koppelweide, die früh beweidet wird.
Die Futtermenge abschätzen
Die Portionsweide ist die intensivste Weide mit kaum Weiderest. Täglich wird Zugang zu einem neuen Streifen gewährt. Die Futterqualität ist optimal, der Arbeitsaufwand zum Weiterstecken des Zaunes aber hoch. Bei schlechtem Wetter kann es zu heftigen Trittschäden kommen, die Konkurrenz unter den Tieren kann beim Fressen erheblich sein. Man muss das Weiterstecken der Koppel zudem exakt planen, um das Gras im idealen Stadium zu erwischen.
Der Futterzuwachs ist im April und Mai am größten. 1 cm Aufwuchshöhe entspricht 1 dt TM/ha. Dabei muss die Stoppelhöhe abgezogen werden, da die holzige Stoppel nicht gefressen wird. Es lohnt sich, die Aufwuchshöhe beim Auftrieb zu messen und die Futtermenge zu berechnen – so wird klar, wie lange man die Tiere auf der Weide lassen kann. Der Bedarf einer Mutterkuh liegt bei 14 kg TM/Tag und der einer Milchkuh bei rund 21 kg TM/Tag. „Bewährt hat sich, den Deckel eines Farbeimers locker aufs Gras zu legen und dann mit einem Meterstab die Höhe des auf dem Gras liegenden Plastikdeckels zu messen“, so Weber. Auch ein Probeschnitt mit der Schere in einer definierten Fläche kann sich lohnen, um ein besonders exaktes Ergebnis zu erhalten.
Bei der Umtriebsweide müssen die Koppelgrößen optimal auf die Tiere abgestimmt sein, bei der Kurzrasenweide ebenso. Bei der Umtriebsweide kann der Arbeitsaufwand sehr gering ausfallen, da sich Koppeln aus der Rotation nehmen und mähen lassen. Auf der Kurzrasenweide sollte man eine Fläche vorhalten, die im Vegetationsverlauf zugegeben werden kann, wenn der Aufwuchs saisonbedingt nachlässt. Im Hauptwachstum verkraftet die Kurzrasenweide 2 bis 4 Großvieheinheiten (GVE) je ha, beim Wachstumsrückgang 1 bis 2 GVE je ha.
Im Frühling geht man bei der Kurzrasenweide in die Vorweide, nachdem der letzte Schnee geschmolzen und die große Fläche ausreichend abgetrocknet ist. Das ist gut für die Grasnarbe und beseitigt junge Unkräuter. Auf der Kurzrasenweide sind die Tiere ruhig und sie erfordert relativ wenig Arbeit, die Grundfutterkosten sind niedrig und die Aufwuchsqualität ist gleichmäßig. Bei Sommertrockenheit oder heterogenem Gelände und Aufwuchs kann sich jedoch eine andere Weideform eher anbieten.
WEIDE AUF ACKERLAND? JA, BITTE! VON JONAS KLEIN
Wo der Hof inmitten einer saftigen Wiesenlandschaft liegt, ist der Weidegang für Kühe ein No-Brainer oder sollte selbstverständlich sein. Aber ergibt das Grassäen auch auf Ackerland Sinn, nur um die Tiere aufs Grün zu lassen? Unbedingt. Natürlich sind Umbruch und Ansaat von Kleegrasmischungen mit Kosten verbunden. Auch müssen immer wieder neue Zäune auf- und alte abgebaut werden. Jedoch ist Kleegras eine wertvolle Ergänzung für jede Ackerfruchtfolge. Und als Verwerterinnen bieten sich die Kühe an.
Auf dem Betrieb meiner Familie wird das Ackerfutter ums Haus seit Jahren von Milchkühen beweidet. Dabei kommt ein Mischsystem aus Umtriebs- und Kurzrasenweide zum Einsatz. Die Kühe kommen so früh wie möglich zur ersten Beweidung raus, oft schon im März. In diesem Stadium ist selbst kleiner Ampfer noch schmackhaft für die Tiere. Da noch nicht viel wächst, gibt es früh im Jahr keine Abtrennungen zwischen den Koppeln – es wird also eine maximal große Fläche am Stück beweidet. Wenn das Wachstum im April mit voller Kraft einsetzt, unterteilt man die Koppel in kleinere Einheiten. Der Vorteil: Die Kühe erhalten jeden Tag eine frische und unberührte Weide, was die Fresslust anhebt. Zudem kann je nach Regenmenge eine Koppel aus der Rotation genommen und gemäht werden, falls den Kühen das Gras davonwächst.
Damit der Weidegang auf Ackerland funktioniert, müssen gut ausgebaute Triebwege ohne zu steinigen Untergrund zu allen Weiden führen. Auch ein Wasseranschluss für die Weiden ist ein Muss. Mit Schläuchen und einer Offentränke ist schon viel geholfen. Wer keinen Schatten bieten kann, sollte die Tiere vor allem nachts auf die Weide lassen. Das ist mit Aufwand verbunden. Trotzdem ist der Weidegang auf Ackerland nicht nur artgerecht, sondern auch wirtschaftlich, wenn die Tiere auf der Weide viel Futter aufnehmen. Auch wenn es für uns Arbeit bedeutet: Die Kühe freuen sich über eine Dauerwiese oder über eingemachtes Ackerfutter gleichermaßen.
Weide im Hochsommer
Wetterextreme nehmen zu, mit großer Varianz von Jahr zu Jahr. Auch Dürrephasen von mehr als zwei Monaten werden keine Seltenheit mehr sein. Dadurch verändert sich die botanische Zusammensetzung der Weideflächen, Kräuter nehmen zu. Es entstehen Lücken im Bestand und der Ertrag sinkt.
Ein artenreiches Grünland ist dabei resilienter als ein weniger vielfältiger Bestand. „Auch tiefwurzelnde Pflanzen haben Trockenstress und liefern weniger Ertrag, sie halten lediglich etwas länger durch“, erklärt Weber. Versuche am Agroscope in der Schweiz haben gezeigt, dass es beim Deutschen Weidelgras trockentolerantere Sorten gibt.
Dafür sollte das Gras aber nicht zu tief abgefressen oder abgemäht werden, damit die Pflanze bei Feuchte schnell wieder austreiben kann. Empfehlenswert sind 5 bis 7 cm statt 3 cm, sonst dauert die Regeneration des Bestandes bei Feuchte sehr lange. Unter sich ändernden Klimabedingungen könnte der Vegetationsstart im Frühjahr rasanter sein, im Juli das Wachstum fast aufhören und im Oktober und November die Weideperiode länger andauern.
Wichtig sind in jedem Fall Wasser und Schatten auf der Weide. Bei Portions- und Umtriebsweide sollte eine Tränke pro 20 bis 25 Tiere für die Tiere ständig erreichbar sein, bei Kurzrasenweide eine Tränke je 3 ha. Offene Wasserflächen sind besser als Zungentränken. Extensive Weiden stellen besondere Herausforderungen, weil die Futterselektion durch die Kühe und entsprechend der Weiderest hier groß sein kann. Bei unbeliebtem Futter wie Borstengras und Flügelginster kann bis zur Hälfte stehen gelassen werden. Auf besseren Weideflächen oder Mähwiesen sind die Reste erheblich geringer.
„Nachts ist die Futteraufnahme auf der Weide größer als tags”
Dr. Bettina Egle
Bei extensiver Weidemast wird die Mastleistung von gewünschten 600 bis 800 g je Tag zwar nicht erreicht, aber nur Wiederkäuer können Gras auf extensiven Standorten in Milch oder Fleisch verwandeln. Landschaftspflege wird dabei auch betrieben, so entsteht aus extensiven Gebieten ein sozioökonomischer Nutzen. Nach der Weide kann man die Tiere gezielt im Stall mit Silagen und Kraftfutter ausmästen.
Verschiedene Systeme im Versuch
Dr. Bettina Egle von der Demeter Beratung e. V. hat das Projekt „Crazy Daisy“ mitbetreut, das drei Jahre lief und 2021 Jahr endete. In dem europaweiten Forschungsprojekt von acht Partnerländern wurde versucht, verbesserte regional angepasste Weidesysteme zu entwickeln. In Süddeutschland wurde dazu auf 27 Betrieben gemessen: Auf Grünlandbetrieben, Mischbetrieben und großen Gemischtbetrieben, mit jeweils viel und wenig Niederschlag. Wo wenig Regen gefallen ist, haben die Kühe rund ein Viertel der täglichen TM aus der Weide gewonnen. Auf Betrieben mit hohem Niederschlag konnten die Tiere selbst 2018 dagegen bis zu fast 60 Prozent der TM aus der Weide erhalten. Fazit: Die Weide hat selbst in Trockenjahren Potenzial, Milch zu produzieren.
Viel Kraftfutter kann zur Verdrängung des Weidefutters führen. „Ich will den Tieren was Gutes tun und gebe Kraftfutter, erziele dann aber über die Verdrängung eine insgesamt geringere Futteraufnahme.“ Die Kunst ist, nur so viel zuzufüttern, wie die Kuh wirklich braucht. Häufig wird die Kraftfutterwirkung überschätzt. Mit Rohfaser und energiereichen Komponenten in der Zufütterung bleibt auch der Harnstoffgehalt in der Milch niedrig und schießt nicht in die Höhe. Rau- wie Kraftfutter sollte man eher anbieten, wenn die Kühe nach ihren Weidestunden wieder den Stall betreten.
Nachts ist effizienter
Die Fütterung wird sehr stark von betriebsindividuellen Faktoren, wie Weidefläche, Futterverfügbarkeit und Grundfutterkomponenten, bestimmt. Nachts ist die Futteraufnahme auf der Weide größer als tagsüber (13 vs. 9 kg TM) in der gleichen Fressdauer, wobei Kühe mit großer TM- Aufnahme und solche mit geringer TM-Aufnahme fast gleich lang fressen.
„Die Nachtweide war effektiver als die Tagweide. Die Tiere haben schätzungsweise pro Biss mehr und nicht etwa schneller gefressen“, erklärt Egle. Junge energiereiche Weide könnte man womöglich eher tags anbieten, wenn langsam gefressen wird.