... Hund – der Umwelt zuliebe – zum Veganer zu machen, kommt wohl nur den engagiertesten Weltverbesserern in den Sinn. Doch wie auch für den Menschen könnten in Zukunft Insekten im Hundefutter als tierische Proteinlieferanten dienen.
Umweltfreundlich
Während die Nutztierhaltung über die Hälfte aller klimaschädlichen Gase verursacht, entsteht in der Aufzucht von Insekten nur ein Bruchteil davon: kein Methan und deutlich weniger Ammoniak. Insekten leben sehr minimalistisch, brauchen wenig Trinkwasser und lieben es möglichst kuschelig: In dem Fall ist Massentierhaltung wirklich artgerecht. Um ein Kilogramm Insektenprotein herzustellen, braucht man nur einen Quadratmeter Fläche und 1,5 Kilogramm Futter. Ein Kilo Rindfleisch benötigt im Vergleich dazu im Durchschnitt 12 Kilo Futter sowie 27 bis 49 Quadratmeter Nutzfläche. Bei der Hermetia Baruth GmbH, die sich auf die Zucht der Fliege Hermetia illucens spezialisiert hat, leben in einem Flugkäfig 50.000 Fliegen. 1,5 Millionen schwirren jährlich durch die Netze. Das ergibt 300 Tonnen Insektenprotein pro Jahr. In einer neu geplanten Anlage will das Brandenburger Unternehmen auf 5.000 Tonnen Protein pro Jahr kommen und in Kürze das Doppelte erreichen.
Insekten sind hervorragende Proteinlieferanten
1,5 Millionen Fliegenlarven liefern jährlich 300 Tonnen Protein
Die Kinderstube der Schwarzen Soldatenfliege
Effektive Produktion
Seine Insektenzucht vergleicht Geschäftsführer Heinrich Katz mit einer „Schnitzelproduktion“. „Wo sonst Ferkel geboren werden, legen unsere Weibchen ihre Eier. Eine Ferkelmast entspricht unserer Larvenaufzucht und ein Schlachthof dem Trocknen der Larven und Trennen von Protein und Fett.“ Schon zwanzig Tage nach dem Schlüpfen enthalten die Larven der Schwarzen Soldatenfliege alle wichtigen Nährstoffe und sind bereit für die Weiterverarbeitung. Die Tötung der Insekten erfolgt durch Erhitzung und dauert etwa drei bis vier Minuten. Künftig setzt Hermetia Baruth dafür Dampf ein und verkürzt den Prozess auf ein Paar Millisekunden. Anders als Säugetiere haben die meisten wirbellosen Tiere kein Schmerzempfinden. Während Krabben, Hummer oder Tintenfische noch die sogenannten Nozizeptoren besitzen, sind Insekten nach den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Schmerzwahrnehmung nicht fähig.
Strom sparend
Nach den Nachteilen der Insektenzucht gefragt, antwortet der Geschäftsführer Heinrich Katz: „Es gibt praktisch keine. Das einzige Problem – die konstant hohe Temperatur von 30 °C – haben wir sehr ressourceneffizient gelöst. Wir sind angedockt an das 200 Meter weit entfernte Pfleiderer Faserplattenwerk und nutzen die Abwärme aus dem Biomassekraftwerk. So halten wir die tropischen Temperaturen konstant, die die Schwarze Soldatenfliege für ein optimales Wachstum braucht, und sparen dabei 400.000 Liter Heizöl im Jahr ein.“ Katz‘ Betrieb beliefert aktuell zwischen 30 und 40 Tierfutterfirmen in Europa. Allein in Deutschland sind in den letzten Jahren einige Futtermarken entstanden, die auf Insektenprotein setzen, wie Eat Small, Tenetrio oder Ofrieda. Mehrere andere haben ihr konventionelles Futtersortiment um insektenbasierte Sorten ergänzt.
Gesünder als Fleisch
Neben klaren tierethischen und ökologischen Gründen war für die beiden Geschäftsführerinnen von Eat Small die beeindruckende Nährkraft der Insekten und die antibiotikafreie Aufzucht entscheidend. Bei gleichem Gewichtsanteil enthalten Larven der Hermetia illucens mehr Eiweiß, mehr Kalzium und mehr Eisen als jedes andere Fleisch und haben genauso viel essentielles Vitamin B12.
Sie sind eine exzellente Quelle von gesättigten Fettsäuren wie Laurinsäure, und enthalten auch einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren. Der hohe Proteingehalt der Krabbeltiere spiegelt sich in dem 20–30 prozentigen Anteil der Insekten im Hundefutter. „Für die gleiche Menge Fleischmehl, die im Trockenfutter landet, erreicht man den gleichen Proteinspiegel mit weniger Insektenmehl“, erklärt Veronique Glorieux, Tierärztin und eine der Geschäftsführerinnen von Eat Small. Unser Trockenfutter „Wald“ für aktive Hunde enthält beispielsweise 30 Prozent Insekten, Süßkartoffeln und Amaranth als Kohlenhydrate sowie Pflanzenöle zur Erhöhung des Fettgehalts. Das ergibt ein ideales Verhältnis von 25 Prozent Protein und 15 Prozent Fett. Das macht unser Essen aber teurer. Insekten als Zutaten kosten viel mehr als Fleisch.“
Hypoallergene
Insektenbasiertes Futter gilt als hypoallergen. „Fleischalternative für Allergiker“, „hypoallergene Rezeptur“, „allergikerfreundlich“ – preisen unterschiedliche Futtermarken ihre insektenbasierten Produkte an. Prof. Dr. Jürgen Zentek vom Institut für Tierernährung an der FU Berlin räumt ein: „Insekten haben nicht unbedingt ein geringeres Allergiepotenzial. Da sie aber üblicherweise nicht verwendet werden, können sie im Rahmen einer Ausschlussdiät als neue Proteinquelle gelten. Wir haben Untersuchungen an Hunden durchgeführt, die gezeigt haben, dass es zumindest bei kurzfristiger Verwendung nicht zu negativen Effekten kommt.“ Veronique Glorieux von Eat Small ergänzt: „Die Idee ist, allergischen Hunden ein Futter zu geben, das sie noch nie zuvor probiert haben. Der Körper erkennt das bestimmte Allergen nicht mehr, hört auf, atypisch zu reagieren und die Symptome der Allergie verschwinden.“ Bisher gibt es keine Langzeitstudien darüber, ob allergische Hunde, die insektenbasiertes Futter bekommen, mit der Zeit eine Empfindlichkeit dagegen entwickeln. „Das Argument, dass ein Hund, der Insekten frisst, gegen Insektenprotein eine Allergie entwickelt und dieses ihm dann nicht mehr zur Verfügung steht, um seine Allergie zu behandeln, gilt doch auch für Huhn oder jedes andere Fleisch.“
Fazit
Insektenbasiertes Hundefutter bietet eine gesunde Alternative zu Fleisch, die nicht nur nahrhaft ist, sondern auch den meisten Hunden sehr gut schmeckt. Seine Produktion ist nachhaltig und ethisch vertretbar: Die Insektenzucht braucht sehr wenig Landfläche und Wasser und für die tropischen Temperaturen kann die Abwärme anderer Betriebe verwendet werden. Die Massentierhaltung ist durchaus artgerecht und die Tötung schmerzfrei.
Fotos: Shutterstock (4), Kinga Rybinska (2), EAT SMALL