... schlecht ist, muss auch für unsere vierbeinigen lieblinge schlecht sein – oder? Diese annahme besorgter Haustierbesitzer machten sich viele Futterhersteller zunutze und strichen das vermeintlich gefährliche Korn von der zutatenliste. Mit erfolg: Getreidefreies Futter, am besten noch mit hohem Muskelfleischanteil, wird von vielen Katzenhaltern als qualitativ besonders hochwertig eingeschätzt und landet dementsprechend im einkaufskorb und letztendlich im Napf. eine antwort über Sinn und unsinn dieses trends findet sich jedoch nur in wissenschaftlichen Fakten.
Katzen besitzen einen spezifischen Bedarf an Nährstoffen und nicht an Inhaltsstoffen
Die wilden Vorfahren unserer Hauskatzen sind strikte Fleischfresser, die ihren Nährstoff bedarf über den Verzehr kleiner beutetiere decken. Diese bieten einen hohen Gehalt an Proteinen, einen moderaten Gehalt an Fett und einen minimalen Gehalt an Kohlenhydraten. Wild lebende Katzen decken ihren täglichen Energiebedarf hauptsächlich über Proteine und Fette. Diese Ernährungsgewohnheiten führten zu einem einzigartigen Nährstoffbedarf an essentiellen Aminosäuren wie Taurin oder Arginin sowie an Vitaminen A und D. Vor diesem evolutionsbiologischen Hintergrund festigte sich die Annahme, dass unsere Hauskatzen ihren Nährstoffbedarf ebenfalls ausschließlich über tierische Rohstoffe decken können und alles andere als „nicht artgerecht“ angesehen werden muss. Abgesehen von der Tatsache, dass der Begriff „artgerecht“ nach wie vor nicht wissenschaftlich definiert ist, ist die eben genannte Annahme aus ernährungswissenschaftlicher Perspektive falsch: Katzen besitzen, wie alle Tiere, einen Bedarf an Nährstoffen – und nicht an Inhaltsstoffen. Das bedeutet, dass auch nicht-tierische Nährstoffquellen – wie etwa Getreide – einen wichtige Rolle in der Ernährung einer Katze spielen können
Von wegen billiges Füllmaterial – Getreide hat seine Berechtigung im Katzenfutter
Richtig aufgeschlossen werden Getreidekörner zu wertvollen Energielieferanten und bieten zudem Proteine, Fette, Mineralstoffe und Vitamine. Die Betonung liegt hier auf „richtig aufgeschlossen“: Katzen können Kohlenhydrate in Form von Stärke nur schwer verdauen, weswegen entsprechende Quellen durch Verarbeitungs- und Kochprozesse erst für den Katzenorganismus nutzbar gemacht werden müssen – zu vergleichen mit dem anverdauten Magen-Darm-Inhalt einer Maus.
Eine Studie, in der sechs verschiedene Kohlenhydratquellen (darunter Getreide sowie getreidefreie) in Katzenfutter untersucht und deren Verdaulichkeit bewertet wurde, ergab eine Stärkeverdauung von über 93 Prozent bei allen Quellen. Katzen sind also durchaus in der Lage Kohlenhydrate zu verdauen und zu nutzen. Das soll selbstredend kein Plädoyer für eine vegetarische oder gar vegane Ernährung der Katze sein, denn sie ist und bleibt ein Fleischfresser. Nichtsdestotrotz sollte die Bedeutsamkeit von Getreide als Energielieferant – nicht zuletzt aus ökonomischen und Gründen der Nachhaltigkeit – nicht ignoriert werden. Ein gewisser Getreideanteil auf der Zutatenliste ist nicht gleichzusetzen mit einer minderen Qualität des Futters: Es kommt darauf an, welche Rolle das Getreide in der Futterzusammensetzung spielt: Ist das Futter hochwertig verarbeitet und wird das Nährstoffprofil auf nützliche Art und Weise ergänzt, stellt Getreide kein Problem dar. Wird beim Lesen des Etiketts jedoch ersichtlich, dass ein hoher Getreideanteil lediglich von einem minderwertigen Fleischanteil ablenken soll, sollte man natürlich zu einem anderen Futter greifen.,
Getreide wird immer wieder zu Unrecht als Allergieauslöser Nr. 1 gefürchtet
Glutenunverträglichkeit und Futtermittelallergien, beispielsweise auf Weizen, kommen bei Katzen nicht bis sehr selten vor. Die häufigsten Auslöser für Futtermittelallergien bei Katzen sind Proteine tierischer Herkunft, darunter vor allem Rind, Geflügel oder Milchprodukte – alles Rohstoffe, mit denen der Großteil unserer domestizierten Katzen bereits über längere Zeiträume in Kontakt gekommen ist. Im Vergleich dazu landete Weizen auf den hinteren Rängen. Eine Studie aus Frankreich, in deren Rahmen 43 Hunde und Katzen mit Futtermittelallergie untersucht wurden, bestätigt dies. Zöliakie – also eine Unverträglichkeit auf das in manchen Getreidesorten enthaltene Gluten – wurde bisher nur für die Hunderasse Irish Setter zweifelsfrei nachgewiesen. Bei Katzen steht ein solcher Nachweis noch aus. Berichte von Katzenhaltern, bei denen der Verzicht auf getreidehaltiges Futter zur Steigerung des Wohlbefindens der Katze geführt hat, haben leider nur anekdotischen Wert und entbehren wissenschaftlicher Bestätigung. Stellt der Tierarzt eine Futtermittelallergie gegen Getreide fest, sollte dem natürlich durch eine entsprechende Futterwahl Rechnung getragen werden. Bei nicht-allergischen Katzen macht das Versprechen „getreidefrei“ jedoch keinen Unterschied. Beachten Sie außerdem: Während getreidefreies Futter immer glutenfrei ist, ist glutenfreies Futter nicht automatisch getreidefrei.
Allergische Reaktion Futtermittelallergien äußern sich in Juckreiz
Getreideersatz
Aus Maniok wird Tapiokamehl gewonnen
Ob getreidehaltig oder getreidefrei – Kohlenhydrat- und Kaloriengehalt sind ähnlich
Eine amerikanische Studie aus dem Jahr 2017 bewertete den Kohlenhydrat- und Kaloriengehalt von 77 Katzentrockenfuttern; 42 davon mit Getreide, 35 getreidefrei. Das Ergebnis: Alle Katzenfuttersorten enthielten auf die ein oder Art Kohlenhydrate, selbst die getreidefreien. Auch der Kaloriengehalt hielt sich in beiden Fällen die Waage. In getreidefreiem Futter wird das Getreide lediglich durch eine andere Kohlenhydratquelle ersetzt – meist durch Kartoffeln, Erbsen, Süßkartoffeln oder Tapiokamehl. Der Hintergrund: In der Trockenfutterherstellung, speziell für die Formgebung der Kroketten, ist Stärke ein Muss, daher ist ein Verzicht auf sie schlicht unmöglich. Eine weitere interessante Entdeckung der Forscher: Die getreidefreien Futtersorten enthielten weit öfter exotische Fleisch-, Gemüse und Obstsorten. Auch hier lässt sich über die Bereitstellung von Känguru- oder Straußenfleisch diskutieren, genau wie über die Notwendigkeit von Avocados oder Cranberries in der Katzennahrung. Diese exotischen Zutaten sind in keiner Weise „natürlicher“ für die Ernährung einer Katze als Getreide.
Augen auf beim Futterkauf – Etiketten lesen lohnt sich immer
Unser Fazit: Der Trend ums getreidefreie Futter sollte kritisch hinterfragt werden. Da es bislang keine wissenschaftliche Bestätigung dafür gibt, dass Getreide im Katzenfutter Katzen krank macht, ist er als reine Marketingstrategie der Futtermittelindustrie zu bewerten. Jeder Katzenhalter sollte das Futter für seinen Liebling nach bestem Wissen und Gewissen auswählen. Der Button „getreidefrei“ allein ist kein Kriterium für ein ausgewogenes Katzenfutter.
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