... Schulhof mitreden zu können, nahm ich mir natürlich ein Beispiel an den anderen. „Die anderen dürfen das auch!“ Hey, ein besseres Argument kann es einfach nicht geben. Dachte ich …Na? Ahnen Sie, was jetzt kommt? Sie erinnern sich und kennen das auch, oder? „Wir sind nicht die anderen“, kam es wie aus der Pistole geschossen und erklärte jede weitere Diskussion als gescheitert. Ich fand das damals schon nicht fair – und auch ziemlich widersprüchlich.
Aller Anfang ist der Vergleich
Warum ich Ihnen das erzähle? Weil wir heute als Hundehalter ganz ähnlich reagieren. Besonders wenn es um das „Nimm dir mal ein Beispiel“ geht. Wir nehmen uns nämlich sehr gerne ein Beispiel – an den anderen Hunde- haltern. Ganz selbstverständlich orientieren wir uns daran, was man sagt, hört oder liest. Ob in der Hundeschule, auf der Hundewiese, im neuesten Fachbuch oder in den sozialen Medien. Und wie das nun mal so ist, wenn man vergleicht: Es kann frustrieren. Die anderen haben keinen Stress mit Begegnungen an der Leine, deren Hund bleibt stundenlang brav zu Hause. Oder aber, er ist in jeder Spielgruppe total freundlich und zuvorkommend. Ja, fast schon unauff ällig. So eine Art Markus Lanz auf vier Beinen.
Bei den anderen? Da ist immer alles besser
Moment mal, da war doch was … genau! Was durften wir schon damals lernen? Wir sind nicht die anderen! Tja, das kann man nun drehen und wenden, wie man will: Es ist was Wahres dran. Schon komisch irgendwie. Ich meine, wer hätte damals gedacht, dass dieser nervige Spruch aus Kindertagen für uns einmal eine wichtige Erkenntnis zum Th ema Hundehaltung wird? Jeder von uns ist ein Individuum. Das ist nicht neu. Und als Hundefreund würde jeder von uns sofort unterschreiben, dass sein Hund ebenfalls eine echte Persönlichkeit ist. Wie wir – mit Stärken und Schwächen, mit Ecken und Kanten. Somit wird ein Mensch-Hund-Team zu einer ziemlich komplexen und individuellen Angelegenheit. Ein Vergleich mit anderen ergibt also nicht immer Sinn. Und mit Ratschlägen zum Th ema „Umgang mit dem eigenen Hund“ sieht es da nicht anders aus: „Mach das mal so oder so“, hören wir dann oft. Das kann natürlich prima funktionieren, muss aber nicht: Denn so ein Ratschlag ist ja für alle da – und kann deshalb nicht auf individuelle Eigenschaften oder gar Probleme eingehen.
Machen Sie es so, wie es am besten für Sie passt. Egal, was andere sagen
Jeder so, wie er kann
Vielleicht hat mich ja die Natur mit einem riesengroßen Herz für Hunde, aber dummerweise auch mit einem sehr dünnen Nervenkostüm ausgestattet. Habe ich nun auch noch einen Hund, der tendenziell etwas unsicher ist, könnte ich bei Begegnungen an der Leine Probleme bekommen. Okay, und was mache ich jetzt? Dem Hund körpersprachlich Sicherheit zu vermitteln ist ein in diesem Zusammenhang oft gehörter und sinnvoller Rat. Aufrechter Gang und zügige, nach vorne gerichtete Bewegungen – Sie kennen das vielleicht. Das funktioniert auf dem Hundeplatz meistens sogar ganz gut. Im Alltag merkt mein Hund dann aber schnell, dass ich nur so tue als ob. Hier zeige ich tagein, tagaus, dass ich nicht cool und souverän bin. Auch in Situationen, die mit ihm gar nichts zu tun haben, er als Familienmitglied aber mitbekommt. Das Lesen von körpersprachlichen Signalen betreiben Hunde nämlich nicht nur in Perfektion – sondern auch 24 Stunden am Tag. Dass dieser Plan also nicht so gut funktioniert, ist verständlich. Schließlich kann ich mich nicht „auf links drehen“ und mal eben ein anderer Mensch werden. Hier kommen wir an den Punkt, wo Selbstreflektion und Empathie sehr wichtig sind. Denn nur wer die Stärken und Schwächen seines Mensch-Hund-Teams erkennt und annimmt, kann diese Erkenntnis nutzen, um seinen Weg zu finden.
Sich nicht beirren lassen, ist die Basis
Wie dieser Weg aussehen kann? Finden Sie es doch heraus – und lassen Sie sich überraschen! Vielleicht kommen Sie schließlich zu der Erkenntnis, dass es für alle viel entspannter ist, um Hundebegegnungen an der Leine künftig einen Bogen zu machen und eben nicht immer wieder aufs Neue in die Konfrontation zu gehen? Stattdessen suchen Sie öfter mal ruhige Feldwege auf, genießen die Natur und kommen – gemeinsam mit Ihrem Hund – ein wenig runter. Solch ein Verhalten ist übrigens kein „Weglaufen“ vor einem Problem, sondern die Möglichkeit, eine ruhige, entspannte Basis herzustellen. Denn ohne eine solche Basis geht ohnehin herzlich wenig. Wenn es Ihnen und Ihrem Hund damit gut geht, andere nicht belästigt oder sogar gefährdet werden, ist alles okay.
Gehen Sie Ihren eigenen Weg. Klar, es kann eine Weile dauern, bis Sie ihn gefunden haben. Aber eines verspreche ich Ihnen: Schon die Suche danach ist ein absoluter Gewinn. Für Sie und auch für Ihren Hund.