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EXITPLAN STATT VISION?


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founders magazin - epaper ⋅ Ausgabe 31/2021 vom 30.10.2021

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Wolfgang Grupp ist einer der bekanntesten deutschen Unternehmer. Seit 51 Jahren ist er alleiniger Inhaber und Geschäftsführer des Textilunternehmens Trigema.

Erst letzte Woche entdeckte ich wieder einen Beitrag in einem sozialen Netzwerk, bei dem sich mir die Nackenhaare aufstellten. Der Urheber war ein junger Kerl, gerade mal Anfang zwanzig, den ich auf einem Kongress kennengelernt hatte. Und er schrieb begeistert, dass er gerade seine Firma verkauft habe, die er im ersten Jahr schon auf mehr als eine halbe Million Euro skaliert habe. Um jetzt als »Privatier« durchzustarten – mit einem neuen Unternehmen. Sein Vorhaben: andere Menschen beraten, wie auch sie ihre Company so aufstellen, dass sie so schnell wie möglich skaliert und dann gewinnbringend verkauft werden kann. Und damit entspricht er voll einem Trend, den ich mehr als fragwürdig finde.

Warum mich das so trifft? Weil ich diese Einstellung nicht nachvollziehen kann. Ich habe mich auch als junger Kerl mit 28 Jahren selbstständig gemacht. Erst sieben Jahre als Franchise-Partner eines Trainingsunternehmens, dann habe ich mit 35 Jahren meine eigene Company gegründet. Doch dabei hatte ich zu keinem Zeitpunkt den Gedanken, den Laden zu verkaufen. Mein Antrieb war und ist es, etwas zu schaffen, das bleibt. Ich bin stolz auf mein Unternehmen und darauf, wie es sich entwickelt hat. Auch meine Frau und mein Sohn tragen diesen Spirit mit, worauf ich ebenfalls sehr stolz bin.

Wo ist der ursprüngliche Gründergeist hin?

Ich habe den Eindruck, dass es in unserem Land keine echte Gründerkultur mehr gibt. Es will keiner mehr eine Idee in die Tat umsetzen, das Unternehmen aufbauen und groß machen. Ich bin selbst als Business-Angel tätig und habe daher häufig Kontakt mit der Start-up-Szene. Und es macht mich betroffen, was ich da erlebe. Da treten junge Leute an mich heran und fragen, ob ich mir vorstellen kann, ihr Business zu unterstützen. Weil sie natürlich nicht selbst ins Risiko gehen wollen. Und wenn ich sie nach ihrer Vision frage, was bekomme ich da zu hören? »Leveragen« – so schnell wie möglich den Invest in einen hohen Verkaufspreis verwandeln. Alter, das ist doch keine Vision!

Mir persönlich wäre das auch zu langweilig. Was wollen die denn machen, wenn sie ihre Million ausgezahlt bekommen haben? Surfen auf Hawaii, im Strandhaus in Malibu chillen? Nach einem Jahr hätte ich wahrscheinlich so viel geangelt, dass mir selbst das keinen Spaß mehr machen würde. Das kann nicht das Ziel eines Gründers sein. Unternehmer, das sind für mich nicht diese jungen Kerle, die möglichst schnell reich werden wollen, um sich dann Männerspielzeug en masse zu leisten. Klar kannst du dir nach dem ersten auch noch einen zweiten und dritten Sportwagen in die Garage stellen. Doch damit kannst du dich nicht den ganzen Tag beschäftigen. Es sei denn, du startest eine zweite Karriere als Hobbyrennfahrer.

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Ich habe den Eindruck, dass es in unserem Land keine echte Gründerkultur mehr gibt. Es will keiner mehr eine Idee in die Tat umsetzen, das Unternehmen aufbauen und groß machen.

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Bilder: Unsplash / Diego PH / Annie Spratt, Jerry Gross

Wie soll unsere Wirtschaft überhaupt wachsen, wenn das Geld nur noch hin- und hergeschoben wird und irgendwann alles dem Staat oder ausländischen Investoren gehört?

Mir imponieren Gründer wie Wolfgang Grupp. Mit Sicherheit sind im Laufe der Jahrzehnte immer mal wieder Investoren mit verlockenden Angeboten an ihn herangetreten. Doch er hat sich nicht vom Duft des Geldes verführen lassen. Er wollte keine Kunstsammlung oder ein Villendorf, sondern ein Unternehmen in bestem Zustand, das die eigene Generation überdauert. Ein schönes Beispiel ist auch die Brennerei, mit der wir bei der Produktion unseres Gins zusammenarbeiten. Das Unternehmen ist inzwischen in dritter Generation familiengeführt. Leider gibt es so was immer seltener. Was ich bei den jungen Gründern von heute außerdem vermisse, ist eindeutig eine »Geber-Mentalität«. Der Sinn eines Unternehmens kann doch nicht nur darin bestehen, die eigenen Taschen voll zu machen? Ich glaube fest an das Law of Attraction – alles kommt immer zu dir zurück.

Unternehmenserfolg? Gerne, doch bitte ohne Risiko und Anstrengung

Gleichzeitig findest du auch kaum noch junge Leute, die den Mut haben, ins Risiko zu gehen. Da wird lieber versucht, irgendwie nebenbei was aufzubauen. Klar kann so was funktionieren. Aus meiner Erfahrung läuft es allerdings eher so, dass diese Möchtegern-Unternehmer direkt an zwei Fronten scheitern. Mit ihrem geplanten Unternehmen, weil es nicht aus den Startlöchern kommt. Und in ihrem Angestelltenjob, weil sie dort nicht mehr mit dem Herzen dabei sind.

Ich hatte selbst mal einen Mitarbeiter, der mir eine coole Idee vorgestellt hat. Dann fragte er mich, ob wir das nicht zusammen machen wollen. Warum nicht? Ich bin ein Freund neuer Geschäftsideen. Dann kam er allerdings damit um die Ecke, dass er das gerne in Teilzeit machen würde. Nicht mehr als 30 Stunden, weil er mehr Zeit für seine Freunde und Hobbys haben wollte. Da habe ich ihm gesagt, dass er das gerne so versuchen kann – jedoch ohne mich. Ich mache die Arbeit und er lehnt sich zurück? Sorry, nicht mit mir.

Mir ist klar, dass der Erfolg nicht über Nacht kommt. Und nicht, ohne dass du dich reinkniest. Wenn mir ein potenzieller Kunde sagt, dass er mittwochs nach der Arbeit Tennis spielt, dann hake ich den Tag nicht ab. Sondern rufe ihn dann halt um halb zehn noch mal an. Frage ihn, wie es gelaufen ist – und nutze die Gelegenheit, übers Business zu sprechen. Das ist vielen jedoch zu anstrengend. Es gibt Mitarbeiter, die gehen um zehn nach fünf nicht mehr an ihr Telefon, wenn du eine kurze Frage hast. Weil sie Feierabend haben. Zum Glück gibt es auch noch die, die ihren Job gerne machen. Und auch mal mit dir um halb neun abends noch in einer Telko sitzen, weil sie Spaß an ihrer Arbeit haben und gemeinsam mit dir etwas voranbringen wollen. Doch das ist selten geworden.

Wo soll das hinführen?

Habt ihr euch schon mal gefragt, welche Folgen das hat und wohin diese Entwicklung führt? Wie soll unsere Wirtschaft überhaupt wachsen, wenn das Geld nur noch hin-und hergeschoben wird und irgendwann alles dem Staat oder ausländischen Investoren gehört? Was wir brauchen, sind mutige Unternehmer mit der Vision, etwas zu gestalten und ihren Beitrag zu leisten, damit sich Deutschland im wirtschaftlichen Wettbewerb von den hinteren Rängen wieder nach vorne kämpft.

Der Autor

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Martin Limbeck ist unter anderem Inhaber der Limbeck® Group, Wirtschaftssenator (EWS) und einer der führenden Experten für Sales und Sales Leadership in Europa.

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