... Gesundheit eine Arbeit zulässt. Und dies wird durch ärztliche Untersuchungen festgestellt: Wer weniger als drei Stunden pro Tag arbeitsfähig ist, erhält eine volle EM-Rente; wer mehr als drei, aber weniger als sechs Stunden pro Tag arbeiten kann, erhält eine Teil-EM-Rente.
Gefährlich an der Nachfrage: Bietet der Arbeitgeber Teilzeit an, ist dies ein Beleg, dass der Arbeitsmarkt bei einer Teil-EM-Rente nicht als „verschlossen“ gilt. Denn: Wer aus gesundheitlichen Gründen nur eine Teil-EM-Rente bekommt, also noch Teilzeit arbeiten könnte, aber keine Teilzeit-Stelle findet, erhält trotzdem eine volle EM-Rente, weil der Arbeitsmarkt als „verschlossen“ gilt.
„Wer eine EM-Rente beantragt, sollte sich zuvor wirklich gut beraten lassen
Peter Knöppel, Rentenberater und Rechtsanwalt in Halle (Saale)
Arbeitgeber informieren
„Ich bin 62, seit 4 Monaten nach einer Krebs-Erkrankung krankgeschrieben, erhalte inzwischen Krankengeld meiner Krankenkasse.Muss ich meinen Arbeitgeber eigentlich informieren, wenn ich irgendwann eine EM-Rente beantrage?“Norbert Rath, per E-Mail
Nein, juristisch vorgeschrieben ist das nicht. Aber es ist für einen vertrauensvollen Umgang gut. Vor allem, wenn man plant, nicht mehr an den Arbeitsplatz zurückzukehren – Arbeitgeber können frühzeitig disponieren. Formal muss nichts unternommen werden. Allerdings müssen Arbeitgeber Arbeitnehmer, die seit 78 Wochen krank sind, also zum Zeitpunkt, an dem auch das Krankengeld ausläuft, von einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit abmelden. Folge: Ist dann die EM-Rente noch nicht bewilligt, verliert man jeden Krankenversicherungsschutz. Deshalb ist es sinnvoll, offen gegenüber dem Arbeitgeber zu sein, gleichzeitig aber auch rechtzeitig eine EM-Rente zu beantragen.
Arbeitsvertrag kündigen
„Vor ein paar Tagen erhielt ich den Bescheid, dass meine volle Erwerbsminderungsrente zum 1. September 2022 bewilligt wurde. Muss ich jetzt eigentlich meinen Arbeitsvertrag kündigen bzw. endet jetzt mein Arbeitsvertrag und mein Arbeitgeber schickt mir irgendwann eine entsprechende Bestätigung?“
Gaby Herrlein, Aalen
Ja und nein. Das kann nicht pauschal gesagt werden. Generell gilt:
• Durch eine volle Erwerbsminderungsrente endet ein Arbeitsvertrag nicht!
• Das gilt selbst dann, wenn die Erwerbsminderungsrente auf Dauer bewilligt wurde.
Aber es gibt Ausnahmen von dieser generellen Regel: In einigen Arbeitsverträgen sowie teilweise auch in Tarifverträgen (sofern der Arbeitgeber einem Tarifverbund angehört) gibt es Klauseln, dass beim Bezug einer vollen gesetzlichen Rente das Arbeitsverhältnis endet. Das ist z. B. im öffentlichen Dienst so. Diese Regel hat auch das Bundesarbeitsgericht bestätigt (Az.: 7 AZR 1002/12).Ganz wichtig: Häufig wird eine volle EM-Rente rückwirkend gewährt; dann endet der Arbeitsvertrag aber nicht rückwirkend, sondern erst zum Ende des Monats, in dem der Rentenbescheid zugestellt wurde. Insofern hilft der Blick in den eigenen Arbeitsvertrag bzw. die entsprechenden Tarifvereinbarungen.Ganz oft ist es so, dass das Arbeitsverhältnis beim Bezug einer EM-Rente nur ruht – das heißt, Arbeitnehmer schulden keine Arbeitsleistung, Arbeitgeber keinen Lohn. Aber:Endet die Erwerbsminderungsrente (z. B. bei einer Befristung), dann lebt der Arbeitsvertrag wieder auf.Wer eine unbefristete EM-Rente erhält und keine Arbeitsvertrags- oder Tarif-Regeln hat, muss den Arbeitsvertrag kündigen (Kündigungsfrist!) bzw. einen Aufhebungsvertrag schließen, wenn man nicht mehr arbeiten will bzw. kann.
Urlaub auszahlen
„Seit gut 9 Monaten bin ich krankgeschrieben (Schlaganfall), mein letzter Arbeitstag war der 23. August 2021. Inzwischen überlege ich, eine EM-Rente zu beantragen. Aber: Ursprünglich hatte ich vor, im Oktober und November 2021 meinen Jahresurlaub für 2021 zu nehmen. Ende 2021 hatte ich damit 27 Tage Urlaub. Kann ich mir den Urlaub, den ich bis Ende 2022 nicht genommen habe, auszahlen lassen, wenn ich dann eine EM-Rente beantrage und aus dem Betrieb ausscheide?“
Monika Neuhaus-Stetter, per E-Mail
Ja. Formal verfällt ein Urlaubsanspruch durch eine Krankheit nicht so schnell – das hat der Europäische Gerichtshof erst kürzlich bestätigt. Es gilt der Grundsatz: Sind Arbeitnehmer wegen Krankheit nicht in der Lage, den Urlaub bis zum Ende des Kalenderjahres bzw. bis zum Ende der Übertragungszeit (meist 31. März) zu nehmen, verfällt der Urlaubsanspruch erst 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres (BAG, Az.: 9AZR 353/10). In Ihrem Fall würde der Urlaub für 2021 erst Ende März 2023 verfallen.
Muss der Urlaub dann ausgezahlt werden? Ja, sagt das Arbeitsgericht Bielefeld (Az.: 7 Ca 214/14). Aber dies ist an eine Bedingung geknüpft: Arbeitnehmer sind wegen einer Krankheit nicht in der Lage, den Urlaub zu nehmen (Urlaub kann man nur nehmen, wenn man gesund ist), weil sie
Psych aus dem Betrieb ausscheiden. Das heißt: Wer lange krank ist, EM-Rente beantragt und mit der Bewilligung ausscheidet bzw. kündigt, erhält den nicht genommenen Urlaubsanspruch ausgezahlt. Dieses Geld darf weder auf Krankengeld noch EM-Rente angerechnet werden.Ganz wichtig: Arbeitgeber dürfen wegen Krankheit nicht genommenen Urlaub nur nach 15 Monaten (s. o.) streichen, wenn Arbeitnehmer darüber vorab schriftlich informiert wurden. Ist das unterblieben, verfällt der Urlaubsanspruch nicht.
EM- oder Schwerbehinderten-Rente
„Wenn man große gesundheitliche Probleme hat, ist dann eine Rente für Schwerbehinderte oder eine Erwerbsminderungsrente besser?“Klaus Korthaus, Elmshorn
Nicht unbedingt. Eine EM-Rente hat formal nur ganz wenige Bedingungen – die wichtigste ist die Arbeitsfähigkeit: Weniger als 3 Stunden tägliche Arbeitsfähigkeit ergibt eine volle EM-Rente. Die Rente für Schwerbehinderte hat strengere Regeln. Einerseits sind mind. 35 Beitragsjahre Voraussetzung, andererseits GdB 50.
Dazu gibt es eine Altersgrenze. Dafür bietet die Schwerbehinderten-Rente einen früheren Rentenbeginn ohne Abschläge. Deshalb ist es sinnvoll, bei einer längeren Krankheit immer auch die Schwerbehinderung offiziell zu beantragen. Welche Rente individuell lukrativer ist, hängt also vom Alter ab und vom bisherigen Berufsleben bzw. der Zahl der erreichten Entgeltpunkte bzw. Beitragsjahre.
Alters- statt EM-Rente
„Seit gut 6 Jahren erhalte ich eine volle (immer wieder befristete)EM-Rente; inzwischen habe ich (geboren am 2. August 1959) die Grenze für eine Altersgrenze erreicht. Ist es sinnvoll, jetzt eine Altersrente zu beantragen, damit ich nicht wieder einen Antrag auf eine Verlängerung stellen und wieder das ganze Prozedere mit Attesten usw. durchlaufen muss?“
Mehmet Süley, Köln
Nein. Besser ist, weiter eine EM-Rente zu beantragen. Möglich wäre für den Jahrgang 1959 nur die Rente für langjährig Versicherte (mind. 35 Beitragsjahre). Aber: Diese Rente gibt es nur mit Abschlag – die Regelaltersgrenze für den Jahrgang 1959 liegt bei 66
Jahren und 2 Monaten; der Abschlag läge also bei 11,4 % und damit etwas höher als bei der EM-Rente. Und bis zum Erreichen der Regelaltersrente werden weitere Zurechnungszeiten erreicht, die die spätere Regelaltersrente erhöhen. Deshalb eine EM-Rente erst zu dem Zeitpunkt umwandeln, an dem die Regelaltersgrenze erreicht wird.
Befristete Rente
„Mir wurde erstmals eine EM-Rente bewilligt. Allerdings nur für 2 Jahre. Ist das üblich? Soll ich Widerspruch einlegen?“
Sybille Bertischok, per E-Mail
Nein. Dass EM-Rente befristet wird, ist normal. Widerspruch dagegen auf keinen Fall einlegen. Aber dafür sorgen, dass in den nächsten zwei Jahren kontinuierlich eine ärztliche Betreuung stattfindet, sodass mit dem Antrag auf Verlängerung aktuelle Atteste vorgelegt werden können, die die Arbeitsunfähigkeit belegen. Insgesamt darf die Befristung 9 Jahre betragen. Erst dann muss die Rente auf Dauer bewilligt werden (§ 102, SGB VI). Anspruch auf eine unbefristete Rente besteht nur, „wenn nach medizinischen Erkenntnissen und bisherigem Krankheitsverlauf nicht zu erwarten ist, dass das Leistungshindernis behoben werden kann“, so das Bundessozialgericht (Az.: B 13 RJ 31/05 R).