Dieser kraftvollen Pflanze durfte man vertrauen. Fast zwei Meter hoch, mit Sonnenblüten und gigantischen Blättern ausgestattet, konnte sie zweifellos Schutz und Beistand leisten. „Im Mittelalter galt der Alant als ein starkes Abwehrmittel gegen fast alle körperlichen und seelischen Leiden. Sogar vor Dämonen und Hexen sollte er die Menschen bewahren“, erzählt uns die Wildpflanzenexpertin Gerti Epple, als wir sie auf ihrem Bauernhof im schönen Oberallgäu besuchen. „Seine große Bedeutung für die Volksmedizin ist inzwischen fast in Vergessenheit geraten. Er ist natürlich kein Allheilmittel, aber noch heute bewährt sich die Tinktur aus der Wurzel als Hustenlöser und zur Anregung der Verdauung.“ Auch beim Räuchern offenbart der Alant(Inula helenium) seine Kräfte: Er reinigt, baut auf, wärmt und bringt Energien wieder zum Fließen.
Altes Allgäuer Heilwissen
Die traditionelle Heilkunde in ihrer Heimat liegt der Mitbegründerin und Vorsitzenden des Vereins Allgäuer Kräuterland sehr am Herzen: „Ich sehe meine wichtigste Aufgabe darin, das regionale Kräuterwissen zu bewahren und weiterzugeben. Wir haben einen Schatz an alten kräuterkundigen Menschen, die uns nur noch begrenzte Zeit begleiten können. Gerade im Allgäu wurde dieses Wissen gut erhalten – über alle Zeiten und Trends hinweg. Alte Pflanzennamen, vergessene Heilpflanzen und ihre Anwendungen sowie alte Anwendungsmethoden gilt es nun wiederzuentdecken.“
Viele dieser früher gebräuchlichen Heilpflanzen hat die Fachlehrerin für Ernährung und Hauswirtschaft in ihrem Naturgarten angesiedelt. Hier finden wir auch die Wegwarte(Cichorium intybus) , die bevorzugt an Straßenrändern wächst. Das Zauberkraut aus dem Mittelalter wird inzwischen wenig beachtet – sein Wurzelpulver kann aber bei der Stärkung der Verdauungsorgane gute Dienste leisten und die Leber unterstützen. Dank der blutreinigenden Wirkung soll eine kurmäßige Anwendung auch chronische Hautausschläge und Allergien lindern.
Gerti Epples eigene Hausapotheke enthält an die 60 verschiedene Tinkturen, mit denen sie die gesamte Familie versorgen kann. Die meisten Kräuter, die sie für die Zubereitung ihrer Rezepturen braucht, hat sie in ihrem zauberhaften Naturgarten rund um das alte Bauernhaus selbst angesiedelt
ALANT wird heute vor allem bei Lungenbeschwerden verwendet
Traditionelle Rezeptur
Ebenfalls sagenumwoben ist das Salomonssiegel(Polygonatum odoratum) , dessen Wurzelstock kreisförmige Narben aufweist. Der Name soll auf König Salomon zurückgehen, der der Pflanze sein Siegel aufdrückte und ihre Kraft beim Tempelbau zur Sprengung eines Felsens nutzte. „Für meine Hausapotheke stelle ich aus der Wurzel nach einer traditionellen Rezeptur eine Creme her, die bei Prellungen, Verstauchungen, Zerrungen und anderen Verletzungen des Bewegungsapparats hilfreich ist“, so die Allgäuerin. Eine weitere Pflanze, die sie bei ihren Nachforschungen schätzen gelernt hat, ist die Braunwurz(Scrophularia nodosa) . Mit ihren abschwellenden, entzündungshemmenden und schmerzlindernden Eigenschaften ist sie ein erprobter Helfer bei Infektanfälligkeit, eitrigen Mandeln, Halsschmerzen und Lymphknotenschwellungen.
Fast genauso unscheinbar ist die Kleine Braunelle(Prunella vulgaris) , deren hübsche blaue Blüten das kundige Auge vor allem auf Wiesen und Weiden entdeckt. „Früher war sie ein wichtiges Heilmittel bei Diphterie und ist bei uns mit der Krankheit vergessen worden“, erzählt die Kräuterfrau. „Bei Halsschmerzen verspricht ein Tee aus dem Kraut trotzdem Linderung. Ich bereite aus Blättern, Blüten und Alkohol auch gern eine Tinktur zu, die ich zu einer Salbe für Wunden und Hautverletzungen weiterverarbeite.“ Bei Wunden und Ekzemen verlässt sie sich zudem auf den Echten Ehrenpreis(Veronica officinalis) , der sich durch die starke Behaarung und die hellviolette Blütenfarbe von seinen weniger heilkräftigen Familienmitgliedern unterscheidet.
So wie die Braunelle und der Ehrenpreis wartet auch der Odermennig(Agrimonia eupatoria) auf Neuentdeckung. Gerti Epple: „Er hat als Arzneipflanze eine lange Tradition und wurde Jahrhunderte hindurch bei Wunden, Verletzungen und Hautentzündungen sowie als Tee bei Verdauungsbeschwerden eingesetzt. Diese Hausmittel haben – wie viele andere auch – heute noch ihre Berechtigung, und es ist mir ein großes Anliegen, dieses alte Wissen um die Kräuter wieder in den Alltag der Menschen zu integrieren.“
Angelika Krause
Bei Rheumaschmerzen: Ehrenpreiskraut mit etwas Alkohol im Mörser fein verreiben
Die Wegwartenwurzeln in Stücke schneiden, trocknen und rösten. In einer alten Kaffeemühle oder im Mörser pulverisieren.
Guter Rat: Kaffeegewürze
Der Wegwartenkaffee enthält kein Koffein, ist also eine gute Alternative für alle, die auf Kaffee nicht verzichten, aber ihren Koffeinkonsum reduzieren wollen. Verfeinern kann man ihn zum Beispiel mit Gewürzen wie Zimt, Nelken, Muskatnuss oder Sternanis.
BRAUNELLE senkt den Blutdruck, hilft bei Verdauungsbeschwerden
BRAUNWURZ wirkt anregend auf das gesamte Lymphsystem
ODERMENNIG ist entzündungsund krampfhemmend
WEGWARTE hilft bei Verdauungsproblemen und Leberschwäche
Eine Sommerwiese gleicht einer Schatztruhe. Man muss nur wissen, wie die Schätze richtig zu verwenden sind
Kontakt:
Gerti Epple, 87480 Weitnau Telefon: +49 (0) 1 71/7 87 90 53 E-Mail: gerti@wildkraeuterfrau.de www.wildkraeuterfrau.jimdo.com
Guter Rat: Meisterwurz
Die alte Heilpflanze kann man z. B. als Inhalation bei Husten und Bronchitis einsetzen. Dafür 1–2 EL fein geschnittene Wurzelstücke der Meisterwurz in eine hitzefeste Schüssel oder einen Topf geben und mit 1 Liter kochendem Wasser übergießen. 10–15 Minuten die Dämpfe inhalieren.
Rezepte
Braunwurztinktur bei Halsentzündungen und Abwehrschwäche
Zutaten:
35 g Braunwurzwurzeln, 150 ml Wodka
Zubereitung:
Wurzeln im Herbst achtsam ausgraben und reinigen. Dann klein schneiden und in ein kleines, verschließbares Glas geben. Mit Wodka auffüllen und 4 Wochen warm und dunkel stellen. Täglich schwenken. Danach abfiltern und in eine dunkle Tropfflasche füllen. Haltbarkeit: etwa 2 Jahre.
Anwendung:
Für eine Gurgellösung bei eitrigen Mandeln und Halsentzündungen einige Tropfen in einem Glas Wasser auflösen. Bei Abwehrschwäche und Verstopfung nehmen Erwachsene täglich 3–5 Tropfen in Wasser aufgelöst ein. Äußerlich als Kompresse oder Waschung bei eitrigen, schwer heilenden Wunden, Ekzemen und Hautflechten.
Salomonische Creme bei Sportverletzungen
Zutaten:
20 g weißes Bienenwachs, 2 EL Wollfett (Adeps lanae) oder Sheabutter, 50 ml Jojobaöl, 50 ml süßes Mandelöl, 50 ml Rosenhydrolat, 20 ml Salomonssiegeltinktur (sie wird analog zu dem Rezept der Braunwurztinktur hergestellt)
Zubereitung:
Das Bienenwachs in einen Topf geben und schmelzen. Wollfett und Öle zugeben und langsam erwärmen. Sobald alles flüssig ist, ins kalte Wasserbad stellen, auf 30 Grad cremig rühren. Rosenhydrolat und Tinktur auf 30 Grad erwärmen und langsam in die Fette einrühren. Mit einem Spatel in mit Alkohol ausgeschwenkte Cremedöschen einfüllen. Kühl aufbewahren. Die Creme ist etwa 6 Monate haltbar.
Anwendung:
Bei Prellungen, Verstauchungen und Zerrungen mehrmals täglich in die betroffene Körperpartie einmassieren. Hilft dabei, Bindegewebe, Bänder und Sehnen elastisch zu halten, beruhigt und stärkt gereiztes Gewebe bei Verstauchungen, Prellungen und Muskelschmerzen. Die Creme wird auch zur Linderung von Altersflecken verwendet.
Odermennigauflage bei Erkrankungen und Reizungen der Haut
Zutaten:
frischer oder getrockneter Odermennig
Zubereitung:
Das frische Kraut mörsern, das getrocknete Kraut mit etwas Wasser ebenfalls mörsern.
Anwendung:
Den Pflanzenbrei direkt auf die betroffene Stelle aufstreichen und mit einem Wickel abdecken. Bei offenen Entzündungen oder Unverträglichkeit den Brei auf einen Wickel aufstreichen und diesen so zu einem Päckchen zusammenfalten, dass sich zwischen Haut und Pflanzenbrei nur eine Stofflage befindet. Liegen lassen, solange der Umschlag angenehm ist. Lindert Juckreiz, lässt Hautentzündungen schneller abklingen und Wunden besser verheilen. Wirkt zusammenziehend, entzündungswidrig und antibakteriell.
Meisterwurzlikör bei Verdauungsproblemen und nach zu viel Alkoholgenuss
Zutaten:
Meisterwurz-Wurzeln, Zimt, Sternanis, Kardamomkapseln, Nelken, Vanilleschote, Zitronenschale, Kandiszucker, Obstler
Zubereitung:
Wurzeln klein schneiden, Gewürze anmörsern und Vanille auskratzen. Alles zusammen mit klein geschnittener Zitronenschale und Kandiszucker in ein großes Gefäß geben. Mit Obstler aufgießen. 3–4 Wochen an einem warmen Ort stehen lassen, bis sich der Zucker aufgelöst hat. Abfiltern und in Flaschen füllen. Der Likör ist mindestens 1 Jahr haltbar.
Anwendung:
Bei Magen-Darm-Krämpfen, Blähungen, Völlegefühl, Verstopfung oder Appetitlosigkeit vor dem Essen ein kleines Glas trinken. Wirkt krampflösend, antiseptisch und regt die Magensäfte an. Löst am Tag nach zu viel Alkoholgenuss den Fuselalkohol auf.
Wegwartenkaffee für eine gesunde Leber
Zutaten: Wegwartenwurzeln
Zubereitung:
Die Wurzeln ernten, waschen und in kleine Stücke schneiden. In der Pfanne trocknen und dann bei mittlerer Hitze langsam rösten. In einer alten Kaffeemühle oder im Mörser pulverisieren.
Anwendung:
1 EL Wegwartenpulver mit 250 ml Wasser überbrühen und 10 Minuten ziehen lassen. Täglich vor dem Frühstück eine Tasse des Wegwartenkaffees („Zichorienkaffee“) trinken. Die Bitterstoffe regen die Galle an, was der Verdauung zugutekommt. Auch die Tätigkeit der Leber wird angekurbelt.
Räucherung mit Alant bei Atemwegserkrankungen und Mutlosigkeit
Zutaten:
getrocknete Alantwurzeln
Zubereitung:
Die Wurzeln im Herbst ausgraben und reinigen. Zerkleinern und gut trocknen.
Anwendung:
Die Wurzelstücke auf die Glut im offenen Kamin oder auf Räucherkohle legen. Verbessert und desinfiziert die Zimmerluft, macht die Atemwege frei und bringt die goldene Sonne ins Gemüt.
Ehrenpreisextrakt bei schlecht heilenden Wunden und Rheumaschmerzen
Zutaten:
100 g frisches Ehrenpreiskraut, 30 ml Obstler (45 %)
Zubereitung:
Das Ehrenpreiskraut grob abzupfen und mit etwas Alkohol im Mörser fein verreiben. Die Masse in ein Tuch geben und auspressen. Den Saft mit dem restlichen Obstler vermischen. Dunkel und kühl gelagert, ist der Ehrenpreisextrakt etwa 1 Jahr haltbar.
Anwendung:
Bei Ekzemen und schlecht heilenden Wunden ein paar Tropfen auf die betroffene Partie auftupfen. Bei Rheuma das Gewebe einreiben und mit einem Umschlag abdecken.
Braunellensalbe bei eitrigen Wunden und Verletzungen
Zutaten:
30 g Bienenwachs, 100 ml Olivenöl, 30 g Sheabutter, 30 ml Braunellentinktur (siehe Braunwurztinktur), 30 ml Hydrolat (z. B. Rose)
Zubereitung:
Das Bienenwachs im Wasserbad auf 70 Grad erwärmen, das Olivenöl und die Sheabutter zugeben und alles im kalten Wasserbad auf etwa 30 Grad abkühlen. Tinktur mit dem Hydrolat vermischen und auf 30 Grad erwärmen. Die Flüssigkeit tropfenweise in die weiche Masse geben und zu einer homogenen Creme rühren. In saubere Salbendöschen füllen und im Kühlschrank aufbewahren. Etwa 6 Monate haltbar.
Anwendung:
Die Heilsalbe mehrmals täglich auf die verletzten oder entzündeten Hautpartien auftragen. Wirkt zusammenziehend, antibakteriell und blutstillend.
Fotos: Biolib (3), Peter Raider (22), Shutterstock (1), wikipedia (1)