Der Sommer im finnischen Karelien ist sehr trocken und so sind wir schon eine ganze Zeit unterwegs, einen schiffbaren Bach für eine Faltboottour durch die Wildnis zu finden. Ob es vielleicht auf dem Oulankajoki reicht?
Bildquelle: Kanu Sport, Ausgabe 8/2020
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Auf den Prallhängen stehen die Nadelbäume Spalier
„Uns umgibt die Ruhe der nordischen Wälder und es hüpfen Eichhörnchen und ein Rentier kreuzt scheu den Weg“
Bildquelle: Kanu Sport, Ausgabe 8/2020
Kurz vor uns Queren Rentiere den Fluß.
Über eine raue Schotterstraße fahren wir rumpelnd durch die dichten finnischen Wälder abwärts ins Tal des Oulanka Nationalparks. Der erste Weg führt zur Brücke und was wir dort sehen, macht uns zuversichtlich. Klar und scheinbar auch ausreichend fließt der Oulankajoki durch die Wälder. Das wollen wir erst einmal zu Fuß erkunden und so geht es bald darauf mit Wanderstiefeln zur Besichtigungstour. An dem Nationalpark-Center ist noch viel Betrieb, einige hundert Meter danach umgibt uns die Ruhe der nordischen Wälder. Eichhörnchen hüpfen über den Pfad und aus dem Baumdickicht erklingt Vogelgezwitscher. Sogar ein erstes Rentier kreuzt scheu den Weg und verschwindet schnell wieder im Dickicht. Von Ferne klingt Rauschen aus der Schlucht, das eine Stromschnelle ankündigt. Der Fluss ist dort enger geworden und stürzt über Kaskaden in eine Klamm, deren Wände in einem unwirklichen rot bis orangen Farbton leuchten. Das ist nichts für eine Befahrung mit unserem Faltboot. Einige hundert Meter weiter hat sich der Fluss ausgetobt und fließt über eine letzte Felsrippe in ein großes Kehrwasser. Ab da müsste es eigentlich gehen. Doch ob das Wasser für eine Fahrt mit dem Aerius reicht? Die weiteren Stromschnellen sind einfacher und der Fluss windet sich durch eine wunderschöne Waldschlucht. Der Wasserstand ist jedoch knapp, eigentlich zu wenig für unser Boot.
Abends, beim Einchecken auf dem Campingplatz sehen wir, dass der Besitzer Kanus zu vermieten hat. Schnell werden wir mit ihm einig, dass wir am nächsten Morgen ein Boot für den unteren Schlucht-Abschnitt bekommen können. Für den oberen Bereich verleiht er wegen des geringen Wasserstands zurzeit keine Boote.
Bildquelle: Kanu Sport, Ausgabe 8/2020
Stromschnelle am Start.
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Die Kiutaköngäs-Stromschnelle mit ihren farbig leuchtenden Schluchtwänden
Umgeschwenkt auf einen Canadier
Am Morgen sind wir mit den ersten Sonnenstrahlen bei ihm, suchen uns einen schönen grünen Canadier aus und laden ihn auf seinen Bootsanhänger. Am Einsatzpunkt wartet ein langer Hang hinunter zum Bach auf uns, doch als wir beim Bootstransport anpacken wollen, wehrt er ab und meint „that is my job“. Wir tragen nur die Ausrüstung und so geht es schnell auf das Wasser. Nach wenigen hundert Metern wartet bereits die erste kleine Stromschnelle. Trotz genauer Ansteuerung der Stromzunge kratzt es leicht von unten. Gut, dass nicht das Faltboot genommen wurde. Jetzt machen wir uns erst einmal mit dem Canadier vertraut. Dafür eignet sich die nächste Stromschnelle. Wir fahren kniend und testen mit ein paar spielerischen Einlagen das Einschwingen ins Kehrwasser und Queren der Stromzunge. Das klappt, das Boot reagiert gut. Die Waldschlucht wird etwas enger. An den Hängen leuchten Birken im Gegenlicht und oben stehen hohe Kiefern und Fichten. Darüber wölbt sich ein blauer Himmel mit ein paar eingestreuten weißen Wölkchen. Der Tag weiß zu gefallen. Die einzelnen Stromschnellen sind harmlos, erfordern aber ein genaues Fahren, ab und zu kommt sogar eine Oulankawelle zu Besuch ins Boot. Auf einer langen Geraden zeigt Ursel nach vorne. Am Ufer bewegt sich etwas. Die Strömung zieht schnell dort hin und so beobachten wir, wie ein Rentier in den Fluss steigt, um ihn zu queren. Aber da im Uferdickicht bewegt sich noch etwas. Ein Kalb, dass sich nicht ins Wasser traut. Die Mutter lockt und dann schwimmen die Zwei kurz vor uns zur anderen Seite. Dort angekommen, gibt es noch ein kurzes Nässe ausschütteln und sie verschwinden den Hang hinauf. Die Tiere zeigten sich kaum durch den nahenden Kanadier beunruhigt. Sie wissen, dass sie hier im Nationalpark nichts zu befürchten haben.
In engen Kurven läuft der Fluss auf hohe, gelb leuchtende Prallhänge zu. Die Strömung knabbert ständig am unteren Hang und nimmt Erde mit. Auf der Hangkante stehen die Kiefern in einer Reihe Spalier. Einzelne sind bereits umgekippt, stehen bedenklich schief oder liegen bereits mitten in der Strömung. Es sind präzise Paddelschläge notwendig, um dort hindurch zu kommen. Als wir vorbei sind, rieselt es schon wieder und ein Schub Sand kommt von oben. Alles, was der Fluss hier mitnimmt, lagert er an anderer Stelle in Form von Kiesbänken wieder ab. Eine solche nutzen wir für die Mittagspause. Bei dem niedrigen Wasser kommt sie hoch heraus und ist trocken. Treibholz bietet sich als bequemer Sitzplatz an. Von dort geht unser Blick in die Runde. Die Ufer mit ihrer Mischung aus Birken und Kiefernwald leuchten von der Sonne durchschienen in allen Grünschattierungen. Doch wir haben nicht nur das ruhige Bild, es gibt sogar noch Flusskino. Ein Canadier kommt und befährt die Stromschnelle vor uns. Mit der Ansteuerung der Stromzunge klappt es nicht so und schon werden sie ins Kehrwasser hineingerissen und wackeln dabei bedenklich. Das war „learning bei doing“ und da es nochmal gut ging, bleiben sie trocken und kanten dieses Mal an der Ausfahrt des Kehrwassers. Weiter abwärts regt sich schon wieder etwas am Ufer. Rentiere haben es sich im warmen Ufersand bequem gemacht und lassen sich nicht stören, als wir dicht vor bei paddeln. Langsam heißt es aufpassen, um den Ausstiegplatz nicht zu verpassen. Ein kleines Schild soll den Weg in einen Nebenarm weisen, doch wir sehen einfach nichts. Gut, dass wir ein GPS mit Karte dabei haben, es zeigt den Weg in den Arm, der dicht an eine Schotterstraße heranführt. Unten an einer Kiesbank finden wir auch den Pfad, der nach oben führt. Der Vermieter hatte gesagt, dass wir ihn einfach anrufen sollen, wenn abends der Endpunkt erreicht ist und er war sich auch sicher, dass dort Empfang ist und es klappt. Wir schleppen schwitzend unser Gepäck auf dem langen Pfad nach oben und warten auf ihn. Beim Boot will er sich dieses Mal doch helfen lassen, er zieht das schwere Stück aber so schnell hinter sich her, dass wir kaum mitkommen. Es war die richtige Entscheidung, dass wir das Faltboot bei dem wenigen Wasser geschont haben. Auf der Rückfahrt geht es über so raue Schotterstraßen, dass wir ebenfalls froh sind, dass wir nicht mit unserem Fahrzeug über die Rüttelstrecke müssen.
Bildquelle: Kanu Sport, Ausgabe 8/2020
Canadier im Gegenlicht
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Lavvu auf der Bärenrunde
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Reiche Beerenernte als Nahrungsergänzung
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Hängebrücke auf der Bärenrunde
Wanderung zum oberen Oulankajoki
Am Abend auf dem Campingplatz meinen wir, dass es das noch nicht gewesen sein kann. Es interessiert brennend, wie es im oberen Bereich des Oulankajoki aussieht. Ein Boot wird der Vermieter nicht herausrücken, weil er bei den letzten Vermietungen für den oberen schwereren Abschnitt die Boote beschädigt zurückbekam. Da bleiben nur die Wanderschuhe. Nach genauen Kartenstudium entscheiden wir uns, am nächsten Morgen unser Lager weiter in den oberen Bereich zu verlegen. Über raue und einsame Schotterstraßen geht es recht dicht an einen Ausgangspunkt für Wanderungen auf der Bärenrunde heran. Der zuerst noch schmale Forstweg geht nach einiger Zeit in einen schmalen Pfad über. Er schlängelt sich durch einen lichten Kiefern- und Birkenwald, in dem der Boden mit Blaubeer- und Preisselbeersträuchern bedeckt ist. Da ist es kein Wunder, dass wir nicht vorankommen und uns immer wieder von den rot und blau leuchtenden Beeren locken lassen. Ursel hat vorgesorgt und im Rucksack einen Sammelbehälter dabei. Sie plant für den Abend leckere Blaubeerpfannkuchen. Durch die Bäume blitzt ein verwunschen in den Hügeln liegender See, der im Gegenlicht silbern leuchtet. Danach wird der Pfad steiler und fordert uns mit Klettereinlagen und dann ist er da, der obere Oulankajoki. Vom Schluchtrand aus geht der Blick hinunter auf die im Gegenlicht glitzernden Stromschnellen. Die Fichten und Kiefern am Schluchtrand leuchten in allen möglichen Grünschattierungen. Nur wegen diesem Blick hat sich die Wanderung schon gelohnt. Nach vielem auf und ab kommt schon der nächste grandiose Ausblick. Wir stehen an einer Abbruchkante und haben freien Blick von oben auf den wunderschön in die Wälder eingebetteten Savilampi See, in dem sich der Oulankajoki und der Savinajoki vereinen. Nach steilem Abstieg wird die Savilampi Wildnishütte erreicht. Wir haben uns eine Pause verdient und die Bank mit Tisch vor der Hütte lädt gerade dazu ein. Kaum ist das Brot ausgepackt, haben wir auch schon Besuch. Ein neugieriger Kuukkeli (Unglückshäher) landet in der Nähe und wartet, dass für ihn etwas abfällt. Vor der Hütte spannt sich eine Hängebrücke über den Fluss, von der aus wir noch einmal den Wasserstand begutachten. Es ist hier oben noch knapper. Da muss eine Befahrung wohl auf einen nächsten Besuch in der Region warten, denn unsere Wanderung hat uns darin bestärkt, dass es nicht der letzte Besuch in Finnisch-Karelien war.
Bildquelle: Kanu Sport, Ausgabe 8/2020
In großen Kurven zieht der Fluss durch die Wildnis.
Infos
Gebietsinformation
Der Oulankajoki durchfließt im finnischen Nord-Karelien, nördlich der Stadt Kuusamo, den gleichnamigen Nationalpark von West nach Ost und dann nach Russland hinüber. Auf dem Fluss wechseln sich im oberen Teil einfache mit anspruchsvollen Strecken ab und es gibt einige Umtragestellen. Ab der Straßenbrücke in der Mitte wird es einfacher. Das Gebiet ist eine gemäßigte boreale Zone mit dem üblichen Bewuchs aus offenen Kiefernwäldern, dichten Fichtenbereichen und mit großen Mooren. Neben vielen nordischen Vogelarten sind Rentier, Elch, Braunbär, Luchs Fischotter und Elch in der Region anzutreffen.
Klima
Das Klima ist mehr kontinental als die meisten anderen Teile Finnlands. Die besten Monate sind Juni, Juli und August mit Temperaturen zwischen 15 und 20 Grad. Im September wird es zwar kälter, dafür ist dann die Zeit der Ruska mit ihrer herbstlichen Farbenpracht. Die Belästigung durch Mücken hängt davon ab, wie nass ein Sommer ist und lässt ab August nach.
Anreise
Bei kurzen Unternehmungen bietet sich der Flug bis nach Helsinki an und von dort mit dem Zug oder Fernbus nach Kuusamo. Für die Anreise mit dem eigenen Auto besteht die Wahl zwischen der Fähre Travemünde-Helsinki oder Fahrt durch Schweden und über die Aland-Inseln.
Übernachtung
Der Oulanka Campingplatz in der Nähe des Informationscenters bietet sich für die Übernachtung mitten im Gebiet an. Neben Plätzen für Zelt oder Reisemobil gibt einige Zimmer und Hütten zu mieten. www.nationalparks.fi/oulankanp/services/oulankanationalparkcampingground An der Rezeption befindet sich ein Kanuverleih mit Transportservice. Für Wanderer und Kanuten gibt es entlang der Strecke einige Wildnishütten und Shelter zur Übernachtung.
Kommunikation
Der obige Campingplatz bietet WiFi. Finnland ist der Traum eines jeden Smartphon-Besitzers. Es gibt selbst in den entlegensten Ecken Empfang und schnelle Datenrate.
Landklarten und Navigation
Das InfoCenter des Nationalparks hat genaue Karten im Angebot. Zur Vorbereitung besteht die Möglichkeit sich unter www.nationalparks.fi/oulankanp/directionsandmaps eine Infobroschüre und Karte herunter zu laden. Die Wanderwege sind ausreichend beschildert. Ein GPS mit der finnischen Kartensoftware von Garmin hat uns jedoch gute Dienste geleistet. Auf der Handy-Landkarte von Mapy.cz sind ebenfalls alle Pfade verzeichnet. www.youtube.com/watch?v=jN8CaWnVgh0