... Füllmethoden siehe
Wenn der kleine Photoshop-Ablauf steht, kann man bequem damit experimentie- ren und sieht dann schnell die ersten Schwierigkeiten und Fallstricke, die beim Focus Peaking auftreten können.
Wo sind die Grenzen dieser Technik?
Die erste Einschränkung ist offensichtlich:Focus Peaking benötigt Kanten. Auf mäandernden Lavendel oder weiche Verläufe im Sonnenuntergang kann man damit nicht scharfstellen. Die Einschränkung wiegt aber nicht zu schwer, weil solche „weichen“ Bilder eher selten vorkommen. Der zweite „Fallstrick“ ist gravierender: Die Kantenerkennung ist filterabhängig. So könnte man statt eines 5 x5-Laplace-Filters auch beispielsweise ein 3 x3- oder 7 x7-Filter verwenden und würde damit eine „schmälere“ oder „breitere“ Ausgabe erhalten. In der Kamera heißt diese Stellschraube Peaking Level und ist meist in den drei Stufen Low, Medium und High einstellbar.
Weiterhin ist Focus Peaking kontrast- und helligkeitsabhängig bzw. belichtungsabhängig. Auch das lässt sich interaktiv in unserem kleinen Photoshop-Experiment zeigen, indem man aus der Bildebene ein Smart Object macht (Filter → Für Smartfilter konvertieren) und dort dann zum Laplace-Filter noch eine Einstellungsebene Belichtung einfügt. Zwar sind die Ableitungsfilter hier erstaunlich robust, aber spätestens wenn die Tonwerte im Ausgangsbild clippen, verschwinden auch die Kanten. Wichtig zu wissen, ist auch, dass das Focus Peaking auf dem Live-Displaybild gerechnet wird. Hier sollte man also darauf achten, stets ein gut ausgesteuertes Bild zu sehen. Gerade beim Blitzeinsatz wünscht man sich dann nicht wie gewohnt die Belichtungssimulation, sondern einfach eine gut erkennbare Darstellung. Bei modernen Systemkameras lässt sich das beispielsweise mittels Live View Display Sel.: Setting Effect on/off umstellen.
Und abschließend kann es auch noch sein, dass die Peaking-Farbe nicht gut erkennbar ist. Wenn das Motiv rot ist, sollte die Kantenerkennung nicht rot, sondern eher gelb oder weiß dargestellt werden.
Zwar lässt sich auch dies in der Kamera umstellen, aber wenn das Motiv ein Haufen bunter Legosteine ist, wird es knifflig.
Aber tatsächlich gibt es auch für dieses Problem eine elegante Lösung: Man entsättigt einfach die Anzeige. In unserem PS-Ablauf geschieht dies durch Strg-Shift-U, in der Kamera verwendet man den Kreativmodus Schwarzweiß. Farbiges Peaking auf Schwarzweiß ist prima erkennbar, und wenn man die Bilder im RAW-Format speichert, bleibt weiterhin die volle Farbinformation erhalten.
AB IN DIE PRAXIS …!
Focus Peaking als qualitative Hilfe
Focus Peaking wird meist als qualitative, visuelle Unterstützung verwendet. Man bestimmt dann damit, wo Schärfe vorhanden ist, nicht aber, wie ausgeprägt die Schärfe ist oder wie groß die Schärfezone ist. Landschaftsfotografen bedienen sich oft der etwas sperrigen hyperfokalen Entfernung, um sowohl die Blumen im Vordergrund als auch die Berge im Hintergrund scharf einzufangen 3. Das ist zwar ein gangbarer Weg, aber bequemer ist, einfach aufs Focus Peaking zu schauen und parallel dabei am Fokusring zu drehen. Die Blende wird man aus der Erfahrung beispielsweise auf die förderliche Blende vorgeben und braucht dann nur noch mittels Fokusvariation die Peaking-Anzeige so zu legen, dass sie gerade bis Unendlich reicht.
Studiofotografen setzen häufiger einmal eine Tilt-Shift-Optik oder eine Fachkamera ein. Für den Umgang mit einer solchen Scheimpfluganordnung gibt es zwar Anleitungen (Techtalk 6, digit 6-2019), aber der visuelle Peaking-Check, ob die Schärfeebene optimal liegt, funktioniert einfacher. Bei dieser Anwendung variiert man während der visuellen Kontrolle dann nicht den Fokus, sondern den Schwenkwinkel (Details in Techtalk 12, digit! 1-2021). Die visuelle Unterstützung hilft dann, den Schärfekeil sowohl für durchgehende Schärfe als auch für maximale Unschärfe (Anti-Scheimpflug) schneller legen zu können.
Den Liebhabern alter Linsen hilft die Peaking-Anzeige beim manuellen Fokussieren, denn durch ein fortwährendes Vorund Zurückdrehen des Fokus sieht man schnell, wenn der optimale Punkt erreicht ist. Und sogar Street-Fotografen und Fotoreporter profitieren vom Peaking, denn in Verbindung mit dem manuellen Scharfstellen sind sie viel schneller als über die Wahl des Fokuspunktes oder über Focus-and-Recomposing. Bei den dort üblichen Brennweiten und Blenden (35 mm, f/8) wird die Schärfentiefe so groß, dass das Verfahren auch immer ausreichend treffsicher sein sollte.
Oben: Focus Peaking bei der Szene ohne Tilt. Die Schärfe liegt nur in einer kleinen Region.
Das Fokussieren lässt diese Region nach vorne oder nach hinten wandern.
Unten: Focus Peaking mit optimalem Tilt. Die Schärfe liegt nun gleichmäßig über der gesamten Szene. Fokussieren blendet das Focus Peaking gleichmäßig ein oder aus.
Focus Peaking quantitativ
Bisher haben wir die Peaking-Anzeige qualitativ genutzt, um zu sehen, wie denn die Schärfe übers Bild verteilt ist und wo der Fokus maximal ist. Schnell kommt man aber auf die Idee, das Peaking auch quantitativ zu nutzen. Wenn man von der Peaking-Anzeige auch das Ausmaß der Schärfe und die Tiefe der Schärfezone ableiten könnte, so könnte man damit zum Beispiel in der Landschaftsfotografie auch die Blende einstellen. Wie wir bei den Fallstricken gezeigt haben, ist die Anzeige aber ohne weiteres Zutun quantitativ nicht verlässlich.
Hier braucht es dann eine kurze Testreihe vorab. Für die Landschaften kann man ein paar Probeschüsse mit der geschilderten Technik aufnehmen, dabei auch das Peaking-Level variieren und dann in die Ergebnisse auf 1:1 pixelgenau einzoomen. Dann könnte eine ableitbare Faustregel zum Beispiel sein: Bei Peaking-Level Medium ist die Anzeige verlässlich, wenn man für die anschließende Aufnahme noch eine Blendenstufe weiter abblendet.
Eine weitere, besonders interessante Anwendung des Focus Peaking ist die Bestimmung der notwendigen Schrittweite beim Focus Stacking in der Makrofotografie. Wieder machen aber die genannten Faktoren die Anzeige für die quantitative Nutzung zuerst einmal unbrauchbar. Wieder muss man einen kurzen Test vorschalten.
Für das Foto des Taschenwerkzeugs war vorab bekannt, dass für durchgehende Schärfe rund 15 Aufnahmen nötig sind. Das kann man ausprobieren oder berechnen oder auch berechnen lassen (siehe Infobox und 3). Mit diesem Hintergrundwissen wird es dann relativ leicht, das Peaking so einzustellen, dass auch mit diesem Verfahren der Stack mit dem gewünschten Überlapp auf größer gleich 15 Aufnahmen kommt.
BERECHNUNG DER SCHRITTWEITE FÜRS FOCUS STACKING
Gegeben: Vollformatsensor, Brennweite 70 mm (24–70-Zoom mit 13-mm-Zwischenring), Blende 7,1, Distanz Frontlinse – nächster Objektpunkt: 300 mm, Tiefenausdehnung Objekt entlang der optischen Achse: 65 mm.
Das Online-Tool dofmaster.com gibt bei unseren Daten eine Schärfentiefe von 6 mm aus. Zur Sicherheit setzt man nun 30 % Überlapp an und kommt somit auf eine Schrittweite von 6 mm x 0,7. Die Tiefenausdehnung der Szene entlang der optischen Achse ist in unserem Falle 65 mm. Somit ergibt sich die notwendige Schrittzahl fürs Stacking:
65 mm / (6 mm x 0,7) = 15,4
Nun könnte man ein Post-it ans Objektiv kleben und dort die Striche auftragen, aber tatsächlich geht es mit ein bisschen Übung auch einfacher: Man verwendet Live-View, fokussiert manuell zuerst auf die Vorderkante der Szene, dann auf die hintere Kante und merkt sich (grob) die zwei Stellungen und den verfahrenen Winkel. Dann versucht man, schrittweise zu durchfahren (ohne Fotos aufzunehmen), so, dass man auf rund 15–20 Schritte kommt. Nach zwei, drei Durchläufen hat man dann die notwendige Schrittweite im Gefühl und kann dann entweder den Stack aufnehmen oder auch sich für die Zukunft das Verhalten der Peaking-Anzeige merken. Beim Umgang mit dieser Technik hilft ein sogenannter „Follow Focus“-Schärfeziehhebel ungemein dabei, den Start- und Endpunkt des Fokusbereiches zu erkennen und sich zu merken.
LESSONS LEARNED
Focus Peaking ist leistungsfähig und taugt auch für Anwendungen, die auf den ersten Blick nicht so naheliegend erscheinen. So kann es auch im Studio oder auf dem Event die Arbeitsabläufe beschleunigen. Die Technik braucht aber etwas Übung und Erfahrung, damit man weiß, wie die Anzeige denn genau reagiert. Gerade der Einsatz des Peakings für eine quantitative Bewertung, wie man sie für die Bestimmung der Schrittweite beim Focus Stacking benötigt, ist nicht immer verlässlich.
Stets muss man bedenken, dass eine Veränderung des Peaking-Levels oder der Belichtung auch die Ausdehnung der angezeigten Schärfezone verändert. Wer aber meist mit dem gleichen Makroobjektiv arbeitet, dies immer auf der gleichen Blende betreibt und stets Motive ähnlicher Größe fotografiert, für den kann Focus Peaking auch für die quantitative Abschätzung eine wertvolle Hilfe sein.
Quellen und Weiterführendes
Direkte Buchlinks finden Sie komfortabel zum Anklicken unter digit.de/links0322
1 Computer Vision – Das Praxisbuch.
Elektor-Verlag, Aachen, 2007.
ISBN 978-3895761652
2 Advanced Photoshop. dpunkt-Verlag, Heidelberg, 2018.
ISBN 978-3864906275
3 Die Neue Fotoschule. dpunkt-Verlag, Heidelberg, 2017.
ISBN 978-3864903830