... Deutschrock-und NDW-Klassiker einfach großartig abdreschen. Funfaktor extrem hoch, auch die teils von Sebastian Krüger gestalteten Cover machen Laune. Im tollen Booklet gibt’s viele historisch wertvolle Bilder, auf den Innenhüllen viel Text, wo Gerre in Interviewform die Bandgeschichte erhellt. Alle LPs sind auf unterschiedlichem „Splatter“-Vinyl gepresst. Sieht geil aus und klingt gar nicht mal schlecht, natürlich genretypisch komprimiert. Das Remastering erledigten bereits 2017 Andy Pearce und Matt Wortham, die das auch für die Box-Sets von Black Sabbath besorgten. Prachtstoff für Headbanger.
Pop, Singer-Songwriter
Blaudzun
Lonely City Exit Wounds
V2/Bertus (Klappcover, bedruckte Innenhülle)
Schon sein achtes Album bringt der niederländische Songschreiber Johannes Sigmond unter seinem Künstlernamen Blaudzun. Stilistisch legt er sich nach wie vor nicht fest, die Songs flirren so im Sonnensystem zwischen Coldplay, Muse und Arcade Fire mit einem leichten Drift ins Flache. „Wide Open“, „NY-Rio-Berlin“ oder „Save Me“ liften die Umlaufbahn, aber manches pluckert da mit simplen Schlagzeugryhthmen etwas lasch vor sich hin. Die oft ins Falsett getriebene Stimme sucht manchmal die Nähe von U2s Bono. Produzent und Aufnahmeingenieur Thijs van der Klugt organisierte zwar eine echte Begleitband, doch die großen Momente fehlen. Recht dichter Sound bei sehr guter Pressung.
Klaviertrio-Jazz
Helge Lien Trio
Revisited
Ozella (Klappcover, gefütterte Innenhülle)
Mit dem neuen, alten Schlagzeuger Knut Aalefjaer (nach sieben Jahren wieder dabei) und dem neuen Bassisten Johannes Eick (am akustischen Fünfsaiter, zuweilen an Eberhard Weber erinnernd, tolles gestrichenes Solo in „Meles Meles“) hat der norwegische Pianist Helge Lien eine schöne Rückschau auf sein Werk neu aufgenommen, teils live (ohne Publikumsgeräusche), teils im Studio. Die Mischung aus elegischen und treibenden Weisen klingt transparent, dynamisch und wie aus einem Guss. Anspieltipp: „Gamut Warning“, das an der Originalversion von der LP „Hello Troll“ (2008) glatt vorbeizieht. Hans-Jörg Mauksch hat bei Pauler wieder einmal meisterhaft gemastert. Feine Pressung.
Duo-Jazz
Jean-Luc Ponty & Wolfgang Dauner
Live At The Bern Jazz Festival 2011
MPS/Edel (Einfachcover, gefütterte Innenhülle, auch CD)
1967 gingen sie mit Rhythm Section zum „Sunday Walk“ – das feine Reissue rezensierte der Autor in 2/22. Schlanke 44 Jahre später traten der französische Geiger Jean-Luc Ponty und der 2020 verstorbene deutsche Pianist Wolfgang Dauner beim Berner Jazz-Festival auf. Moritz Walter schnitt fürs Schweizer Radio SRF2 mit, die Musikproduktion Schwarzwald hat diese Duo-Sternstunde jetzt veröffentlicht. Ponty spielte eine eigens für ihn gefertigte elektroakustische fünfsaitge Geige – mit herrlichem Fluss, hörbarem Spaß und ohne aufgesetzte Rock-oder Gypsy-Attitude. Drive und Druck besorgte Dauner am großen Flügel, die einzige Fremdkomposition – ein Medley aus „Porgy And Bess“ – bestritt er allein.
Jazz-Soul
Aretha Franklin
Yeah!!!
Music On Vinyl/Bertus (Einfachcover, purpur Vinyl, gef. IH)
Diese Platte hätte gut zum Test des Skyanalog G1 (3/22) gepasst. Erstens ließ Music On Vinyl die limitierte Neu-Auflage von „Yeah!!!“ im gleichen Lila-Purpur-Farbton (exzellent) pressen, zweitens bleibt Aretha Franklins Megastimme eine Herausforderung für jeden Pickup. Die größte Soul-Sängerin aller Zeiten wagte 1965 „in person with her quartet“ einen Ausflug in den Jazz und gewann. Franklin hätte in ihrer damaligen Form wohl auch das Telefonbuch einsingen können und damit alle verzückt. Produzent Clyde Otis nahm live im Studio auf und unterlegte das Ergebnis mit Club-Atmosphäre. Columbia CS9151 gab es 2016 auch pur analog remastert von Pure Pleasure. MOV liefert Top-Ersatz.
Klangtipp ab 4,5 Ohren
Instrumental
Paolo Fresu, Daniele Di Bonaventura, Pierpaolo Vacca
Tango Macondo
Tuk/Edel (Doppel-LP, Klappcover, ungef. Innenhüllen)
Der Trompeter, Flügelhornist und Pianist Paolo Fresu verstärkte sich mit den Akkkordeon/Bandoneon-Virtuosen Daniele di Bonaventura und Pierpaolo Vacca, um den „Tango Macondo“ zu feiern. Hier gibt’s aber nicht nur Wiegeschritt-Weisen, sondern auch anderes Volkstanz-Gut. Die drei Vokalnummern sangen die wunderbare Malika Ayana und ihre nachnamenlosen Kolleginnen Tosca und Elisa in anderen Studios ein. Heute üblich, hier aber definitv audiophil gelöst. Stefano Amerio kleidet die melancholisch bis fetzige Tanzmusik in ein transparentes, detailstrotzendes Klanggewand. Die sparsam eingesetzten Effekte passen wie angegossen. Pressung leider mit einigen Knackern und Schleifgeräuschen.
Pop
The Dave Clark Five
Glad All Over
BMG (Einfachcover, weißes Vinyl, ungefütterte Innenh.)
Die fünf Jungs um den geschäftstüchtigen Schlagzeuger Dave Clark aus dem Londoner Stadtteil Tottenham lösten in den Sixties mit Megahits wie „Glad All Over“ in den Charts zeitweise sogar die offen kopierten Beatles ab. Die teils von Clark und Keyboarder Mike Smith oder Gitarrist Lenny Davison geschriebenen, teils clever gecoverten Leichtpop-Nummern wurden in den USA und im UK auf unterschiedliche LPs kompiliert – die erste in den Staaten für Epic liegt nun auch hier wieder in Mono vor. BMG hat „Glad All Over“ 2019 vom damals 76-jährigen Dave Clark (auch hier hatte er Profi-Hilfe) in den Abbey Road Studios rema stern lassen und veröffentlicht sie auf limitiertem, recht laufruhigem weißem Vinyl.
Klangtipp ab 4,5 Ohren
Vokal-Jazz, Singer/Songwriter
Cécile Mc-Lorin Salvant
Ghost Song
Nonesuch/Warner (Klappcover, 4-s. Booklet, gef. Innenh.)
Die Grammy-prämierte US-Komponistin, Sängerin und Multistilistin Cécile McLorin Salvant präsentiert hier sicher keine leichte Kost. Aber künstlerisch ist das enorm kalorienhaltig und geschmacklich enorm abwechslungsreich. Von unbegleitetem Irish-Folk-Gesang über ausgelassenen Combo-Jazz, grandioser Pop-Adaption (Kate Bushs „Wuthering Heights“ – Gänsehaut), Computeranimation bis zu Brecht-Weill’schem Chanson reicht das Spektrum, die Begleitung vom einsamen Klavier bis zur Orchesteranmutung. Klar kann das auch mal anstrengen und zum Hinhören zwingen. Doch darauf lässt man sich gerne ein, angehörts dieser auch klangtechnischen Qualität. Ausstattung/Pressung sind der Sache würdig.
Klaviertrio-Jazz
Leo Betzl Trio
Swing On Vinyl
Jazz On Vinyl/Sieveking Sound (Einfachcover, gef. IH)
Pianist Leopold Betzl, Bassist Maximilian Hirning und Schlagzeuger Sebastian Wolfgruber waren mit einem Titel schon auf Volume 3 der audiophilen Reihe von und mit „Jazz On Vinyl“ vertreten. Jetzt bestreitet das Klaviertrio Volume 6 unter dem programmatischen Titel „Swing On Vinyl“ allein: In sieben Titeln mit fetzigem Swing, gewürzt mit ein bisschen Latin und Blues. Das Trio zeigt sich prächtig aufeinander eingespielt, doch der Star des Albums ist wieder einmal der pur analog aufgenommene Klang, den Label-Eigner Dominique Klatte erneut auf die Spuren seiner Studer 807 gebracht hat. Tolle Dynamik, viele Farben, sehr natürlicher Raum. Exzellenter Vinylschnitt, gute Pressung mit wenigen Ticks.
Sakralmusik
Laudate II
Uppsala Akademiska Kamarkör; Drottningholms Barockensemble, Anders Eby
AudioNautes/Sieveking (Klappcover, gefütterte Innenh.)
Die Komponisten werden allenfalls Spezialisten kennen, doch die Musik sollte bei Audiophilen wohlige Erinnerungen wecken. Das schwedische Label Proprius nahm 1981 einige barocke Werke aus der Sammlung Düben auf. Mit Top-Kräften wie dem exzellenten Kammerchor aus Uppsala, der berückenden Sopranistin Eva Eriksson, der später weltberühmten Altistin Anne Sofie von Otter oder dem historisch bestens informierten Ensemble des Barocktheaters Drottningholm. Miles Showell hat die Masterbänder in den Abbey Road Studios ohne Dynamikbegrenzung neu geschnitten. Die Pressqualität steht bis auf einige wenige Ticks der originalen kaum nach, der Klang wirkt minimal mittiger.
Konzerte
Antonio Vivaldi
Le Quattro Stagioni
Kyung-Wha Chung, Geige; St. Luke‘s Chamber Ensemble
Warner (Einfachcover, gefütterte Innenhülle)
Schön, dass Rechte-Nachfolger Warner wieder ältere EMI-Aufnahmen auch auf Vinyl wieder zugänglich macht. Noch schöner, dass nicht nur die üblichen Verdächtigen zum Zuge kommen, sondern auch Kleinode wie diese Einspielung von Vivaldis vieltraktiertem Evergreen. Die koreanische Stargeigerin und das New Yorker Kammerorchester beschenkten Geigenfans anno 2000 mit einer klangschönen, „philharmonischen“, temperamentvollen, aber nicht nach Geschwindigkeitsrekorden hetzenden Einspielung. Chung lässt ihre Guaneri prachtvoll strahlen, ohne zu viel Effekte zu haschen. Die offenbar von der 2015er-Chung-Gesamtausgabe gezogene Schallplatte klingt härtefrei rund, die Pressung läuft tadellos.