... verschwiegen zu sein. Aus dieser Zeit stammt auch der bekannte deutsche Spruch: „Vorsicht: Feind hört mit!“
WERKSAUSWEIS
Fabrikarbeiter erhielten Ausweise, auf denen sie aufgefordert wurden, stets den Mund zu halten
PEILSENDER
Zur Nahortung von Funksignalen trugen Agenten der Gestapo solche Peilsender. Die Geräte wurden unter dem Mantel mit einem Hüftgurt fixiert. Die Agenten gingen nachts durch die Straßen, um geheime Sender ausfindig zu machen
Aufblasbare Panzerattrappen, Kinderwagen mit doppelten Böden, in denen Babys auf Raketenwerfern schlafen, oder Paradummys, Fallschirmjägerpuppen, die aus Flugzeugen abgeworfen werden, um den Feind zu täuschen: Was klingt wie eine Aufzählung von Requisiten aus einem aberwitzigen Agentenfilm, sind Gerätschaften, die im Zweiten Weltkrieg (1939 – 1945) tatsächlich zum Einsatz kamen. 500.000 solcher zum Teil skurrilen Gadgets und Waffen sowie Uniformen, Briefe und Fotografien aus der Zeit trug Kenneth W. Rendell im Lauf von rund 50 Nachkriegsjahren zusammen. Der US-amerikanische Schriften- und Dokumentenhändler gehörte zu den Experten, die 1983 die vom Magazin „Stern“ veröffentlichten Hitler-Tagebücher als Fälschung entlarvten. Er war zudem Gründer und Direktor des Museum Of World War II nahe Boston, in dem viele der von ihm gesammelten Stücke ausgestellt waren. Das Haus schloss zwar 2019, doch in dem Bildband „Geheimakte 2. Weltkrieg“ (siehe Tipp Seite 37), aus dem die Fotos auf diesen Seiten stammen, sind sie weiterhin zu bestaunen.
Ablenken, täuschen und sabotieren
Der Zweite Weltkrieg wurde nicht nur auf den Schlachtfeldern entschieden. Alle beteiligten Nationen kämpften auch mit Tricks und Täuschungen, spionierten und sabotierten. Eines der bekanntesten Beispiele für dieses Vorgehen ist der D-Day, die Landung der Alliierten am 6. Juni 1944 in der Normandie. Mithilfe zahlreicher Ablenkungsmanöver gelang es den Alliierten, die Deutschen zu überrumpeln. So stellten etwa die Briten an der Straße von Dover aufblasbare Panzer auf, um den Eindruck zu erwecken, die alliierten Streitkräfte würden nahe der französischen Stadt Calais landen, die Dover direkt gegenüber liegt. Und am frühen Morgen der Invasion wurden die eingangs erwähnten Fallschirmjägerdummys, links zu sehen, abseits der wahren Landezone abgeworfen, um den Gegner abzulenken.
UNAUFFÄLLIGE VERSTECKE
Spione und Widerstandskämpfer mussten ihr Equipment, etwa Waffen und Kommunikationsmittel, gut verbergen, um nicht aufzufliegen. Hier eine Auswahl von Verstecken
AUSGEHÖHLTES BUCH
Das in die Seiten geschnittene Loch dieses Buchs bot ausreichend Platz, um einen kleinen Taschenrevolver darin zu verstecken. Agenten konnten so unbemerkt eine Waffe mit sich führen
KONSERVENDOSE
Die Dose, die norwegische Widerstandskämpfer nach Großbritannien schickten, enthielt tatsächlich Fischrogen. Aber in einem Geheimfach verbargen sich Mikrofilme
VERSTECKTE KAMERA
In der Handtasche ist eine Kamera installiert. Um ein Bild zu machen, musste die Trägerin die Tasche öffnen und so tun, als suchte sie etwas darin. Die Fotografie spielte bei Spionage und Überwachung eine wichtige Rolle
HOHLER ABSATZ
Im ausgehöhlten und mit einem Verschluss versehenen Absatz dieses Damenschuhs konnten geheime Dokumente wie etwa Mikrofilme versteckt werden
DOPPELTER BODEN
Der Kinderwagen enthält ein Geheimfach, das sich unter der Liegefläche befindet. Ein ideales Versteck, denn wer verdächtigt schon eine Mutter, unter ihrem schlafenden Baby Waffen, Funkgeräte oder sogar Raketenwerfer zu transportieren?
TRICKS UND TÄUSCHUNGEN
Besonders die Briten waren kreativ, wenn es darum ging, den Feind zu überlisten. Ihre als schwarze Propaganda bezeichneten Methoden zeigten Wirkung. Einige Beispiele:
GEFAKTE FUSSABDRÜCKE
Diese Gummisohlen wurden für britische SOE-Agenten für Einsätze in Südostasien hergestellt. Sie wurden unter die Schuhe geschnallt und sollten bei den Japanern den Eindruck erwecken, es seien Abdrücke barfüßiger Einheimischer
D-DAY DUMMY
„Ruperts“ hießen die Puppen, nach einem Spottnamen für britische Offiziere. Die Briten warfen die Fallschirmspringerdummys ab, um die Deutschen über den Ort der Invasion zu täuschen. Bei der Landung lösten sie kleine Explosionen aus
FALSCHER FUFFZIGER
Solche falschen Geldscheine wurden von den Briten über Deutschland abgeworfen. Es war aber Klopapier. Auf der Rückseite standen Beleidigungen wie: „Ich bin Hitlers Arschwischer“
FÄRBEMITTEL
In der Zigarettendose schmuggelten Gefangene Farbkapseln. Damit konnten Häftlingskleidung oder auch Militäruniformen eingefärbt und so für Flüchtende schnell in unauffällige Zivilkleidung verwandelt werden
VORHERSAGEN
Mit falschen Prophezeiungen von Nostradamus sollte die Bevölkerung verunsichert werden
PROPAGANDA
Gefälschte Briefmarken: Himmler als Spendenerpresser und ein verstümmelter Soldat
Weniger erfolgreich war der Versuch, den britischen General Bernard Montgomery, Kommandeur der Invasionstruppen, vom Schauspieler M. E. Clifton James doubeln zu lassen. Der Mime sollte seine Rolle in Nordafrika spielen, um den wahren Aufenthaltsort von Montgomery zu verschleiern. Der Bluff klappte nicht, weil der falsche General, anders als der echte, rauchte und trank. Das war ihm zwar verboten worden, er tat es aber dennoch. Seine Auftritte in alkoholisiertem Zustand durchschauten die Deutschen schnell als falsches Spiel.
Enttarnte Agenten und gescheiterte Missionen
Zur Sammlung von Kenneth W. Rendell gehören auch ganz alltägliche Dinge aus jener Zeit, etwa Plakate, auf denen die Bevölkerung vor feindlichen Spionen gewarnt wurde. Einige davon sind auf Seite 32 zu sehen. Stücke wie diese zeigten auf, „wie tief dieser Krieg in das Leben aller Menschen eingriff, in allen Ländern, die in ihn verwickelt waren“, schreibt Rendell im Vorwort des Buchs. Die Menschen mussten auf jedes Wort achten, ihr Leben war geprägt von der Angst vor Agenten und Geheimpolizei.
In den 1950er-Jahren wunderten sich viele über die Sammelleidenschaft Rendells. „Die Menschen wollten den Krieg einfach hinter sich lassen“, erinnert er sich. Aber er machte es sich zur Aufgabe, die Zeugnisse vor dem Vergessen zu bewahren. „Der Zweite Weltkrieg ist das historisch bedeutsamste Ereignis der Neuzeit, und ein großer Teil seiner Geschichte drohte, verloren zu gehen.“
Bis heute werten Historiker Quellen aus und kommen auch 75 Jahre nach Kriegsende zu neuen Erkenntnissen. Ein Beispiel ist die „Operation Lena“, bei der im September 1940 deutsche Spione nach Großbritannien eingeschleust werden sollten. Der erste, der frühmorgens bei Dover an Land ging, marschierte direkt in einen Pub im Dorf Lydd und bestellte sich eine Flasche Cider. Was er nicht wusste: In Großbritannien durfte zu dieser frühen Stunde noch kein Alkohol ausgeschenkt werden. Der Wirt alarmierte die Polizei, und der Gast wurde sofort als deutscher Agent enttarnt.
AUSBRUCH UND FLUCHT
Die Geheimdienste entwickelten Strategien und Werkzeuge, die in Gefangenschaft geratenen Soldaten dabei helfen sollten, wieder in die Freiheit zu gelangen
TUNNELBAU
1941 flüchteten französische Offiziere durch diesen selbst gegrabenen Tunnel aus Schloss Colditz in Sachsen, das als ausbruchssicheres Gefängnis galt
HÄNGEPARTIE
Vier Kriegsgefangene entkamen 1942 in Colditz durch ein Loch im Boden des Häftlingstheaters. Sie seilten sich an zusammengeknoteten Tüchern ab in einen Raum, der einen Ausgang bot
SEIFENSCHABLONE
Schlüssel und Dietriche drückten Gefangene in Seifenstücke, um sie so zu kopieren
SPIELKARTEN
In Skatblättern versteckte Karten sollten Ausbrechern helfen, sich zu orientieren
KOMPASS UND KARTE
Gefangene auf der Flucht und abgeschossene Piloten brauchten Landkarten. Auf Seide gedruckte Karten waren leicht und strapazierfähig. In Knöpfen und Pfeifen steckten Kompasse
GETARNTE SPEZIALWAFFEN
Die Geheimdienste tüftelten an zahlreichen Varianten von in Alltagsgegenständen verborgenen Waffen, die für den Feind überraschend angewendet werden konnten
KUGELSCHREIBER
Als Füllfederhalter getarnte Pistole (l.). Auch die „Stinger“ (r.) ähnelt einem Stift
GÜRTELSCHNALLE
Im Auftrag von Heinrich Himmler, dem Chef der SS, wurde diese Waffe entwickelt. Unter der Gürtelschnalle mit dem Naziemblem waren vier kleine Pistolen verborgen. Sie wurden von NS-Leuten vorgeführt, kamen aber wohl nie zum Einsatz
DRAHTSCHLINGE
Eine Garrotte, die zur Ausrüstung der SOE gehörte. An den Metallgriffen zog der Angreifer die Drahtschnur um den Hals des Opfers zu
TABAKPFEIFE
Der Stiel der Pfeife diente als Gewehrlauf für ein kleinkalibriges Geschoss mit tödlicher Wirkung
FEUERZEUG
Handlich und vielseitig: Das Feuerzeug konnte in eine Pistole umfunktioniert werden
WIDERSTAND
Der britische Geheimdienst SOE und der US-amerikanische OSS versorgten Widerstandskämpfer in Südfrankreich mit Maschinenpistolen Mk II, die sie per Fallschirmen aus der Luft lieferten
STAHLDORNEN
Bei diesem Krähenfuß ist eine der Spitzen immer nach oben gerichtet und zersticht so die Reifen von Fahrzeugen
Die Deutschen schickten noch weitere Männer nach England, die nicht weniger dilettantisch agierten. „Diese Spione waren ungewöhnlich schlecht angeleitet, und jedem, der auch nur über die geringste Kenntnis von den Verhältnissen in unserem Land verfügt, müsste klar gewesen sein, dass nicht einer von ihnen Erfolg haben würde“, schrieb Guy Liddell, Chef der Spionageabwehr beim britischen Inlandsgeheimdienst MI5. Lange rätselten Historiker, wie es zu diesem Desaster kam. Inzwischen vermuten sie, dass es mit voller Absicht herbeigeführt wurde. Das Kommando über die Aktion hatte die Abwehrstelle Hamburg unter Fregattenkapitän Herbert Wichmann, der dem NS-Regime kritisch gegenüberstand. „Operation Lena“ war als Vorbereitung für „Operation Seelöwe“ gedacht, die deutsche Invasion Englands. Das klägliche Scheitern von „Lena“ trug dazu bei, dass die Nazis diesen Plan aufgaben. Männer wie Wichmann beschrieb der MI5 später als „gute Deutsche, aber
schlechte Nazis“.
Tödliche Erfindungen und illoyale Spione
Weil der britische Premierminister Winston Churchill der Meinung war, dass die Nachrichtenbeschaffung durch die Geheimdienste MI6 und MI5 nicht ausreichte, ordnete er 1940 die Gründung der Special Operations Executive (SOE) an. Für ihn waren Spionage und Sabotage legitime und auch notwendige Mittel im Kampf gegen die Nazis. „Ende 1940 waren die Briten in der Defensive. Wollte man im besetzten Europa reüssieren, waren Täuschungsmanöver kriegsentscheidend“, schreibt Stephen Hyslop, einer der beiden Autoren von „Geheimakte 2. Weltkrieg“. Die SOE engagierte „Spitzenwissenschaftler und Erfinder, die an geheimen Orten innovative Waffen und Sabotagegerätschaften entwarfen“. Ein Kommandeur berichtete später, dass „wir das Ganze völlig unpersönlich angingen und unheimlich lustig fanden. Je abscheulicher die Erfindungen ausfielen, desto mehr Spaß hatten wir.“
Weit mehr Probleme als die raffinierte Spionagetechnik machte die Unzuverlässigkeit vieler Agenten. Die Briten setzten Deutsche, die sie enttarnt hatten, nicht selten als Doppelagenten ein, ohne sich jedoch ihrer Loyalität sicher sein zu können. Unter den Spionen befanden sich immer wieder zwielichtige Gestalten, die nur auf ihren eigenen Vorteil aus waren. Gerieten sie unter Druck, wechselten sie, ohne zu zögern, wieder auf die Gegenseite und verrieten alles.
Aber natürlich gab es auch Spione, die aus voller Überzeugung handelten. Zum Beispiel Josephine Baker. Die weltberühmte Tänzerin, 1906 in den USA geboren, wurde 1937 französische Staatsbürgerin. „Frankreich hat mich zu dem gemacht, was ich bin“, sagte sie dem Abwehroffizier Jacques Abtey, der sie für den französischen Geheimdienst anwarb. Baker sollte ihre internationalen Kontakte nutzen, um sich unter Diplomaten umzuhören. Später schmuggelte sie unter der Kleidung Dokumente und Fotos nach Lissabon, was wie alle Spionagetätigkeiten lebensgefährlich war.
Eine Karriere im Krieg und ein Superagent
James-Bond-Erfinder Ian Fleming war ebenfalls im Krieg Agent und machte beim Geheimdienst der britischen Marine eine beachtliche Karriere. Eine seiner Aufgaben: Gibraltar vor der Radarüberwachung durch die Deutschen zu schützen. Die Mission trug den Codenamen „Operation Goldeneye“. Später taufte er sein Anwesen auf Jamaika „Goldeneye“, auch ein 007-Film trug diesen Titel.
Was er als Geheimdienstmitarbeiter erlebt hatte, inspirierte Fleming zu seinen Agentenromanen. Sein Held James Bond war eine Idealfigur mit Eigenschaften, die der Autor sich bei verschiedenen Agenten abgeschaut hatte. Doch so großartig und glamourös wie in seinen Büchern war die Realität nie. Dennoch löste Fleming damit eine weltweite Faszination für das Thema Spionage aus, die bis heute anhält.
BERÜHMTE AGENTEN
Sie war bereits ein Star, er wurde erst später berühmt: Josephine Baker und Ian Fleming arbeiteten im Krieg für die Geheimdienste
JOSEPHINE BAKER
„Das Volk von Paris hat mir alles gegeben. Ich bin bereit, ihm mein Leben zu schenken.“ Als Tänzerin wurde sie bekannt. Als Spionin wollte sich Josephine Baker ihrem Gastland dankbar zeigen
IAN FLEMING
Der britische Schriftsteller trug mit seinen 007-Romanen viel dazu bei, dass Spionage bis heute als schillerndes Metier gilt. Fleming war selbst ein begeisterter und talentierter Agent und fand im Krieg verschiedene Vorbilder für seinen James Bond