... Universitätsprofessor in Würzburg. Seine Anfrage bei der Bundesregierung ergab: Die Zahl der Meldungen stieg von 40 im Jahr 2015 auf 268 im letzten Jahr. Eine erschreckende Entwicklung.
Deshalb wirft Ullmann der Regierung Versagen vor. Damit steht er nicht allein. Auch Apothekerverbände kritisieren die Situation. Und das aus gutem Grund: Auf der Onlineseite des Bundesinstituts für Arzneimittel waren im Oktober mehr als 500 Medikamente aufgelistet, die nicht geliefert werden konnten, darunter gängige Schmerzmittel oder Hormonpräparate für Schilddrüsenleiden. „Das ist unzumutbar“, so Friedemann Schmidt, Präsident der Bundesvereinigung der deutschen Apothekerverbände. Er sieht wenig Hoffnung auf Besserung: „Das ist kein vorübergehendes Geschehen. In den Apotheken ist es so schlimm wie seit 30 Jahren nicht mehr“, sagte er in einem TV-Interview mit dem MDR-Magazin „Hauptsache gesund“. Schmidt warnt: „Für die Patienten ist es nicht nur schlimm, sondern zunehmend auch gefährlich.“
BERATUNG
Apotheker sollten ihre Kunden über gute Alternativen informieren
Eine kritische Situation
Wie kann das sein? Als Hauptursache prangern Experten das Rabattsystem der Krankenkassen an. Mit dem Ziel, Kosten zu sparen, werden Aufträge für Arzneimittel per Ausschreibung vergeben. Den Zuschlag bekommen die günstigsten Produzenten. „Die Politik hat diesen Wettbewerb in den letzten 20 Jahren angefeuert, um die Preise zu senken“, so Schmidt. Laut Bundesgesundheitsministerium wurden 2018 durch Rabattverträge 4,5 Milliarden Euro gespart, was Mitgliedern durch niedrigere Kassenbeiträge zugutekommt.
Klingt erst einmal vernünftig – hat aber für Patienten auch verheerende Folgen: Die Pharmahersteller, die ebenfalls ökonomisch, gewinnbringend arbeiten wollen, erzeugen Medikamente so billig wie möglich und verlagern die Produktion oft ins Ausland. Hierzulande gibt es laut Gesundheitsministerium 1344 Hersteller von Arzneimittelstoffen, doch nur 96 von ihnen haben ihren Sitz in Deutschland. Produziert wird überwiegend in Billiglohnländern wie China und Indien. Doch dort können durch Unwetter Produktionen ausfallen, die Transportwege sind lang, und nicht immer erfüllen die Arzneimittel unsere Qualitätsstandards „Wenn es dort Probleme gibt, müssen es die Menschen hierzulande ausbaden“, so Ullmann.
Die Regierung verweist darauf, dass bei Engpässen oft alternative Arzneimittel zur Verfügung stehen. Aber das ist nicht in jedem Fall gewährleistet. Und wenn, kann die Alternative beträchtlich teurer sein. Der Unterschied macht bei einigen Medikamenten mehr als 100 Euro aus.
Verwirrte Patienten
Zudem sind Apotheker und Patienten gefordert, flexibler zu werden. „Als Patient muss ich mich daran gewöhnen, dass für mich nur der Wirkstoff entscheidend ist“, sagt Apotheker Schmidt. Das heißt: Man muss andere Marken akzeptieren, andere Namen, andere Verpackungen, womöglich sogar andere Dosierungen. Für Patienten verwirrend, für Apotheker eine deutliche Mehrbelastung, wie 91,2 Prozent aller Apotheker in einer Umfrage angaben. Sie müssen Alternativen für fehlende Mittel auftreiben und den Kunden erklären.
Nun soll ein neues Gesetz Abhilfe schaffen: Es verpflichtet die Hersteller, Probleme zu melden. Doch das ist schwer zu überprüfen – und hilft den Patienten nicht wirklich. Schmidt hat andere Forderungen an die Politik: Sie soll Bedingungen dafür schaffen, dass wieder mehr Medikamente in Europa produziert werden. Er weiß, dass diese Umstellung in der Industrie Jahre dauern wird. Höchste Zeit also, damit anzufangen.
91% der Apotheker sehenLieferengpässe als große Belastung
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