... Körpers mit Röntgenstrahlen, CTs oder MRTs durchleuchten. Auch Blutuntersuchungen waren nicht so umfangreich und genau wie heute. Noch bis ins 20. Jahrhundert waren Ärzte darauf angewiesen, sich den Patienten genau anzuschauen und Krankheiten von außen zu erkennen – am Gang, am Händedruck, an der Stimme, der Haut, den Augen und im Gesicht. Diese Art der Diagnose kennt man aus dem altindischen Ayurveda und der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Berühmte Ärzte wie Hippocrates in der Antike und Paracelsus im Mittelalter arbeiteten damit. Im 19. Jahrhundert entwickelte dann der Arzt Dr. Heinrich Schüßler die Antlitzdiagnose (s. l.).
70% ist die Trefferquote einer Blickdiagnose durch Laien
Was Händedruck, Gang und Stimme verraten
► Es ist erstaunlich, welche Erkenntnisse Ärzte damals – ohne moderne Apparateund Labortechnik – nur durch genaue Beobachtung ihres Patienten gewannen. Das kann ein guter Arzt noch heute. Achten Sie mal darauf, wie er Sie ansieht. Was er auf den ersten Blick erkennt, gibt ihm wichtige Hinweise und die Gelegenheit, frühzeitig gegenzusteuern. Er kann dann technische Diagnosemöglichkeiten gezielt und nicht nach dem Gießkannenprinzip einsetzen. Es fängt schon beim Händedruck an, mit dem der Patient den Arzt begrüßt. Ist er spürbar schwächer als beim letzten Termin, deutet das nicht nur auf altersbedingt nachlassende Muskelkraft hin. Eine kanadische Studie belegt, dass ein immer schwächerer Händedruck Zeichen für ein schwaches Herz sein kann. Ein Blick auf die Handinnenfläche ist ebenfalls wichtig: Gerötete Haut deutet auf Leberprobleme oder auf Schilddrüsenüberfunktion hin. Dazu können Gang und Stimme Hinweise geben. Bewegt sich der Patient langsamer als sonst und spricht er ungewöhnlich leise, kann das z. B. ein Frühwarnzeichen für Parkinson sein.
Aktuelle Studien bestätigen das uralte Wissen
Haut und Augen zeigen Gesundheitsprobleme an
► Im weiteren Verlauf des Termins sollte der Arzt natürlich den Schilderungen des Patienten genau zuhören, gezielt nachfragen, zugleich aber auch einen Blick auf Haut und Augen werfen. So deutet ein blass-gelblicher Teint auf eine mögliche Lebererkrankung hin, vor allem, wenn auch das Weiß in den Augen gelblich gefärbt ist. Blasser Teint kann die Folge von Eisenmangel sein, bläuliche Lippen ein Hinweis auf eine Herz- oder Lungenerkrankung. Tränensäcke sind oft die äußeren Anzeichen einer Nierenschwäche. Und eine ausgeprägte, steile Nasolabialfalte von der Nase zum Mund lässt auf Magenerkrankungen schließen.
Aufmerksames Hinsehen erleichtert die Behandlung
► Sehr tiefe, quer verlaufende Stirnfalten sprechen für ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen – anfangs eher eine Vermutung, nun haben französische Forscher das kürzlich anhand einer Studie belegt. Was das Gesicht weiterhin verrät, sehen Sie im Schaubild rechts. Der geschulte Blick des Arztes und die Schilderungen des Patienten kreisen das gesundheitliche Problem ein und erleichtern das weitere Vorgehen, die Wahl der richtigen Untersuchung und Therapie. Ein Bluttest kann z. B. schnell die Eisenwerte oder auch die verschiedenen Leberwerte ermitteln. Bei vielen Magen-Darm-Störungen gibt eine Tastuntersuchung Aufschluss und ein pflanzliches Mittel mit Pfefferminz- und Kümmelöl (z. B. Carmenthin, Apotheke) löst das Problem. Geht’s um Herz und Kreislauf, steht eine aufwändigere Diagnostik, etwa mit mobiler 24-Stunden- Blutdruckmessung und EKG, an. In solchen Fällen kommen traditionelles Wissen und moderne Medizin wieder zusammen, ergänzen sich perfekt.
Auch Laien können Leiden am Gesicht erkennen
► Die Blickdiagnose verstehen übrigens nicht nur Ärzte oder Heilpraktiker. Auch Laien können in den Gesichtern von Kranken „lesen“. Das belegt eine schwedische Studie: Man legte den Probanden Portraits von gesunden und erkrankten Menschen vor und die erkrankten wurden größtenteils erkannt – nur anhand von Fotos!
Schüßler – Entdecker der Antlitzdiagnose
◾ Bekannt wurde der Oldenburger Arzt Dr. Wilhelm Heinrich Schüßler (1821 – 1898) vor allem durch die Entwicklung von zwölf Mineralsalzen, die Mangelzustände im Körper ausgleichen können. Seine Theorie: Fehlt es an Mineralien, dann stimmt die Biochemie in den Zellen nicht und der Stoffwechsel ist beeinträchtigt. Das macht anfällig für Stress und Erkrankungen – und auch im Gesicht kann man die Leiden dann erkennen. Schüßler erarbeitete daraus die Antlitz- Diagnose und ordnete seine Salze den Symptomen zu. So deuten z. B. Tränensäcke und Augenringe auf Störungen von Nieren und Leber hin, geschwollene Augenlider stehen für Herzprobleme und eine geschwollene Oberlippe verweist auf Magenprobleme. Die Nasenspitze wiederum sagt etwas über das Herz aus, die Nasenwurzel übers Nervensystem, die Wangen über Herz, Lunge und Kreislauf. Da die Bezüge und Verflechtungen komplex sind, sollte ein Heilpraktiker die Antlitz- Diagnose machen und kann auch dazu passende Schüßler-Salze (z. B. von DHU, Apotheke) verordnen.
Selbstdiagnose Zeichen richtig deuten
◾ Diagnose-Doc in eigener Sache: Werfen Sie morgens einen längeren Blick in den Spiegel und konzentrieren Sie sich auf die hier erklärten Stellen. Bereits kleine Veränderungen können auf gesundheitliche Probleme hindeuten – oft schon lange, bevor es zu Beschwerden oder Schmerzen kommt. Wichtig: Notieren Sie Veränderungen und sprechen Sie darüber mit Ihrem Arzt. So kann er entscheiden, ob Anlass für Untersuchungen oder eine Behandlung besteht.
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